Alternative Finanzierungsformen Finanzspritze vom Kunden

Finanzierungen abseits der Bank bieten Handwerksunternehmern viele Vorteile. Mit der Ausgabe von Genussrechten gewinnen sie frisches Eigenkapital und Flexibilität. 

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    Das Bäckerei-Unternehmen warb Anleger über die Ladentheke an. Vor allem Kleinkunden haben investiert.
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    „Genussrechte sind eine größere Stütze für den Betrieb als ein Kredit.“ Gernot Meyer, Berater und Genussrechte-Experte
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Wachstum durch Vertrauen

Woher Geld nehmen, wenn man nicht wieder die Hausbank fragen will? Vielleicht vom treuen Kunden um die Ecke, der Sie seit Jahren als soliden Unternehmer kennt. Das Bäckerei-Unternehmen Wiener Feinbäcker Heberer hat diesen Schritt gewagt und bietet seinen Kunden zum 120-jährigen Firmenjubiläum eine „Jubiläumsanleihe“ mit siebenprozentigem Zinssatz an. Acht Millionen Euro haben Privatanleger seit August 2011 in das Familienunternehmen investiert. Mit der Finanzspritze will der Feinbäcker neue Filialen und Produktionsmaschinen kaufen. Auch Bankkredite mit kurzen Laufzeiten soll die auf fünf Jahre angelegte Finanzierung ablösen.

Wie der Fall Heberer zeigt, können Unternehmer auch mit alternativen Finanzierungsformen ihre Wachstumsvorhaben umsetzen. Für Handwerksbetriebe bietet sich dabei die Ausgabe von „Genussrechten“ an, mit der private Investoren still am Unternehmen beteiligt werden können. Branche oder Betriebsgröße spielen dabei keine Rolle. Wohl aber die Expertise im Marketing.

Vermarktung wie ein Produkt

Am attraktivsten sind die Angebote, die am geschicktesten vermarktet werden. Nicht die mit den höchsten Zinsen, weiß Genussrechte-Spezialist Björn Katzorke. „Genussrechte bringt man auf den Markt wie ein Produkt“, erklärt der Rechtsanwalt. Und wie jeder gute Produktanbieter sollten daher auch die Ausgeber von Genussrechten einen direkten, regelmäßigen Kontakt zu ihren Kunden haben. „Nur wer den Betrieb und seine Leistungen gut kennt, wird sein Erspartes dort investieren“, weiß auch Dr. Kay Hafner, Generalbevollmächtigter bei Wiener Feinbäcker Heberer.

Handwerksunternehmer können über Gespräche an der Ladentheke oder Werbung in Geschäftsbriefen Investoren anwerben. Auch gezielte Abendveranstaltungen können helfen, Interessenten zu überzeugen.

Unternehmer sollten dabei aber beachten, dass sie eine nicht unerhebliche Anschubfinanzierung leisten müssen: Heberer investierte für seine Anleihe vorab rund fünf Prozent des eingenommenen Geldes in Bereiche wie Werbung, Bankabwicklung und Anleger-Betreuung.

Genussrechte-Ausgeber müssen ab einer Investitionssumme von 100000 Euro pro Jahr ein Prospekt erstellen, das den Anlage-Interessenten alle Chancen und Risiken der Investition inklusive der Bilanz offenlegt. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht muss dies genehmigen. Handwerksbetriebe sollten daher Berater mit nachgewiesener Expertise hinzuziehen.

Sind die Genussrechte ausgegeben, bieten sie dem Betrieb einige Vorteile gegenüber einem klassischen Kredit: Unter bestimmten Umständen gilt das eingenommene Geld als Eigenkapital und verbessert damit die Bonität sowie die Kreditmöglichkeiten bei der Bank. Die Zinsen, die der Genussrechte-Ausgeber an seine Teilhaber auszahlt, gelten dabei wie Zinsen an die Bank als Betriebsausgaben und sind ebenso steuerlich absetzbar.

Anleger tragen schlechte Zeiten mit

Auch kann die Ausgabe von Genussrechten einen Betrieb finanziell flexibler machen, als er es mit einem Bankkredit wäre: So zahlen die Betriebe bei Verlustjahren in der Regel keine Zinsen aus, im nächsten Gewinnjahr holen sie dies dann nach. „In schlechten Zeiten tragen die Beteiligten die Firma mit, in guten werden sie dafür belohnt“, erläutert Gernot Meyer, Unternehmensberater und Genussrechte-Experte. Das Konzept fußt auf dem Vertrauen der Anleger. Und dies muss der Ausgeber mit einer höheren Rendite erkaufen: Fünf bis sieben Prozent sind die Regel.

Feinbäcker Heberer hat mit seiner Anleihe vor allem die Kleinkunden erreicht, „die jeden Tag ihr Brot bei uns kaufen“, erklärt Dr. Kay Hafner. Die Kleinanleger dürften aber auch über die Anlage hinaus interessant für das Unternehmen sein: „Kunden, die von der guten Entwicklung eines Unternehmens profitieren, kaufen dort gerne ein und empfehlen es weiter“, weiß Gernot Meyer. Die Betriebe können dies noch unterstützen: Mit Rabatten oder Warengutscheinen statt Zinsen. ◇

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Eine Übersicht mit Vor- und Nachteilen der Kredit- und Genussrechte-Finanzierung finden Sie unterhandwerk-magazin.de/07_2012

Vergleich Genussrechte und Kredit

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