Vorsorge darf kein Glücksspiel sein

Lebensversicherung | Der Klassiker unter den Anlageprodukten ist beliebt – und umstritten. handwerk magazin gibt Ihnen hier Antworten auf zwölf wichtige Fragen zu Lebensversicherungen.

Vorsorge darf kein Glücksspiel sein

Wer mit dem Gedanken spielt, eine Lebensversicherung abzuschließen, sollte die eigenen Bedürfnisse kennen und die Angebote vergleichen, um später seine Erträge auch genießen zu können. Zwölf wichtige Fragen, die Ihnen dabei helfen.

1. Welche Varianten von Lebensversicherungen gibt es eigentlich?

Die bekannteste Form ist die Kapital-Lebensversicherung (KLV). Sie koppelt zwei Leistungen: Der Vertrag bietet finanziellen Schutz für die Hinterbliebenen, wenn der Kunde vor dem Ende der Laufzeit stirbt. Dann zahlt die Versicherung eine vorher vereinbarte bestimmte Versicherungssumme aus. Zugleich ist die Police auch ein Sparvertrag. Stirbt der Kunde nicht „vorzeitig“, erhält er am Ende der Laufzeit das Ersparte plus Zinsen und Überschüsse. Die private Rentenversicherung versichert dagegen nicht das Risiko eines frühen Todes, sondern das Gegenteil: ein langes Leben. Wer in eine private Rentenversicherung einzahlt und keine einmalige Kapitalauszahlung vereinbart hat, erhält im Alter eine Leibrente, und zwar solange er lebt. Beide Versicherungsvarianten gibt es auch als fondsgebundene Police. Das Geld des Kunden fließt dann in einen oder mehrere Investmentfonds. Ausbezahlt wird, was der Fonds erwirtschaftet hat, falls keine Garantien vereinbart wurden. Ganz anders funktioniert die Risikolebensversicherung, die vor allem für Alleinerziehende und Familien mit Kindern sehr wichtig ist: Bei dieser Police wird kein Kapitalstock aufgebaut, der nach Auslaufen des Vertrags ausbezahlt würde. Es wird nur das Sterberisiko des Haupternährers abgedeckt. Stirbt dieser, erhalten die Hinterbliebenen eine bestimmte vorher vereinbarte Summe, um sie vor einer finanziellen Katastrophe zu schützen, etwa auch, wenn noch das eigene Heim abzubezahlen ist. Vorsicht: Bei Kapital-Lebensversicherungen sind die Todesfallsummen meist zu niedrig, um eine Familie abzusichern.

2. Was ist vor der Vertragsunterschrift unbedingt zu beachten?

Wer fürs Alter zusätzlich vorsorgen will, kann dies mit einer Lebensversicherung (LV) tun. Er sollte aber immer Alternativen wie zum Beispiel Fondssparpläne oder eine eigene Immobilie prüfen. Eines sollte beim Abschluss einer LV auf jeden Fall klar sein: Eine Lebensversicherung ist ein Bund fürs Leben. Der Versicherte bindet sich in der Regel mindestens 12, oft 25, 30 oder gar 35 Jahre und legt sich fest, monatlich, vierteljährlich oder jährlich einen bestimmten Betrag einzuzahlen. Das will gut überlegt sein. Denn das Ganze lohnt sich nur, wenn die Police auch wirklich so lange bedient wird, schließlich sind vorzeitige Kündigungen mit hohen Einbußen verbunden. Elke Weidenbach von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen rät deshalb, einen entsprechenden Vertrag nur zu unterschreiben, „wenn der Kunde sich wirklich sicher ist, bis Laufzeitende durchhalten zu können“. In der Vergangenheit wurden aber nach Angaben der Verbraucherzentrale Hamburg drei von vier Verträgen mit einer Laufzeit von 30 Jahren vor dem Ablauf gekündigt. Verbraucherschützer raten außerdem, nicht beim nächstbesten Vertreter eine Police abzuschließen, sondern Angebote zu vergleichen. Dabei ist auf die garantierte Leistung zu achten. Sie bietet einen Anhaltspunkt, wie gut der Versicherer wirtschaftet. Kunden sollten außerdem die Ranglisten der Stiftung Warentest und des Versicherungs-Analysehauses „Map-Report“ studieren. Kunden, denen das zu mühsam ist, können sich auch an einen Versicherungsmakler oder einen Versicherungsberater wenden, der bei der Suche nach einem geeigneten Angebot hilft (siehe Infokasten, Seite 73).

3. Was ist von Mix-Produkten zu halten?

Vertreter koppeln gerne eine Lebensversicherung mit einer Berufsunfähigkeitspolice (BU). Verbraucherschützerin Weidenbach hält davon gar nichts: Denn wird die Police vorzeitig gekündigt, ist auch der BU-Schutz weg. Außerdem ist nicht jeder überdurchschnittlich gute Kapitallebensversicherer auch ein geeigneter Anbieter in Sachen Berufsunfähigkeit.

4. Wie sieht es bei fondsgebundenen Lebensversicherungen aus?

Sie bieten die Chance, einen deutlich höheren Ertrag zu erzielen als die klassischen Varianten, weil in der Regel ein weitaus größerer Anteil der Sparbeiträge über den oder die Fonds in Aktien fließt. In der Chance liegt zugleich auch das Risiko: Hat der Kunde oder die Versicherung auf einen schlechten Fonds gesetzt, muss der Versicherte dies selbst ausbaden. Das Risiko wird von der Versicherung auf den Kunden verlagert (siehe Kasten Seite 74).

5. Wie wird mein Geld angelegt?

Lebensversicherer legen einen Großteil des Geldes ihrer Kunden in festverzinsliche Wertpapiere (Anleihen) an. Das müssen Sie tun, weil die meisten Leistungen garantiert sind. Die Anbieter dürfen deshalb bei der Anlage am Kapitalmarkt kein allzu großes Risiko eingehen. Der Rest des Anleger-Kapitals fließt vor allem in Immobilien und in Aktien.

6. Wie werden die Verträge verzinst?

Die deutschen Versicherer bieten einen Garantiezins für den Sparanteil im Beitrag. Dieser ist in den letzten Jahren deutlich gesunken, zuletzt 2007 auf 2,25 Prozent. Dazu gibt es Überschüsse, die davon abhängen, wie gut der Versicherer wirtschaftet und das Geld der Kunden anlegt. Beides zusammen ergibt die Gesamtverzinsung. Obendrauf können noch Schluss-Überschussanteile kommen. Diese sind nicht garantiert, der Versicherer kann sie etwa bei einer Schieflage des Unternehmens oder einer vorzeitigen Vertragskündigung einbehalten. 2007 lag die laufende Verzinsung der Lebensversicherer im Durchschnitt bei 4,26 Prozent. In diesem Jahr hat sie sich nach Berechnungen des Fachdienstes Map-Report auf 4,39 Prozent erhöht. Das ist nicht allzu viel, besonders wenn man bedenkt, dass sich diese Angaben jeweils auf den Sparanteil der Verträge bezieht. Das sind die Beitragszahlungen des Kunden minus Kosten für den Vertragsabschluss, Verwaltung und Todesfallschutz, ohne die sogenannten Schluss-überschussanteile. Die Gründe für diese eher magere Verzinsung liegen auf der Hand: In den vergangenen Jahren sind gerade die langfristigen Zinsen am Kapitalmarkt dramatisch gefallen. Dies drückt auf die Erträge, die die Versicherer an ihre Kunden weitergeben. Hinzu kommt: Viele Versicherer haben bei ihren Investitionen am Aktienmarkt zuletzt nicht unbedingt ein gutes Händchen gehabt.

7. Wie haben sich die Erträge aus Kapital-Lebensversicherungen entwickelt?

Sie sind seit 2001 rückläufig. Man könnte aber auch sagen: Je länger der Vertragsabschluss zurückliegt, desto besser steht der Kunde da. Das zeigen die Zahlen des Map-Reports. Danach betrug 2001 die Rendite für eine KLV mit Todesfallschutz, die 30 Jahre zuvor abgeschlossen wurde, 6,21 Prozent. Im Jahr 2008 beläuft sich der Ertrag jedoch nur noch auf 5,45 Prozent. Noch schlechter sieht es bei kürzeren Verträgen aus: Bei 12-Jahres-Policen fiel der Ertrag von 6,09 im Jahr 2001 auf 3,84 (2008). Bei 20 Jahren Laufzeit sank die Durchschnittsrendite in den vergangenen sieben Jahren von 6,52 auf 5,04 Prozent. Wer jetzt eine Lebensversicherung unterschreibt, muss mit deutlich geringeren Renditen rechnen. Das ergibt sich aus den Hochrechnungen der Versicherer. Nach einer Studie des Map-Report kann ein 30-jähriger Mann, der am 1. Januar 2008 eine KLV abgeschlossen hat und 30 Jahre lang 1200 Euro jährlich einzahlt, mit einer durchschnittlichen Auszahlung von 68 991 Euro rechnen. Dies entspricht einer Rendite von bescheidenen 3,92 Prozent.

8. Ist die sogenannte Standmitteilung wichtig?

In der Standmitteilung, die die Kunden jedes Jahr erhalten, steht, wie viel Geld der Versicherungsnehmer am Ende der Laufzeit voraussichtlich bekommen wird. Anders als in der staatlichen „Renteninformation“ geben die Versicherer in ihren Hochrechnungen aber nicht an, wie die Inflation an späteren Auszahlungen zehren könnte. Beispiel: Wer 100000 Euro in 20 Jahren ausbezahlt bekommt, wird bei einer jährlichen Inflationsrate von 3,0 Prozent dann nach heutigen Werten eine Kaufkraft von 41199 Euro besitzen.

9. Wie hoch sind eigentlich die Provisionen beim Verkauf?

Versicherungsvertreter leben überwiegend von den Provisionen, die sie nach dem Verkauf einer Police erhalten. Deren Höhe richtet sich nach dem Gesamtbetrag künftiger Prämien. Verpflichtet sich der Kunde bei einem 30-Jahres-Vertrag zu Einzahlungen in Höhe von 200 Euro monatlich, so liegt der Gesamtbetrag bei 72000 Euro. Bei einem Provisionssatz von vier Prozent erhält der Berater 2880 Euro. Der Betrag kann aber in der Praxis sowohl darunter als auch darüber liegen.

10. Wie werden die Kosten der Police aufgeschlüsselt?

Seit 1. Juli 2008 sind bei Lebensversicherungen die Kosten in Euro und Cent anzugeben. Vorteil: Der Kunde kann erstmals sehen, „dass ihn ein Abschluss zum Beispiel 3000 Euro kosten würde“, heißt es beim Bund der Versicherten. Das sei ein Anreiz, nach günstigen Angeboten zu suchen. Wirklich transparent sind die Kosten trotzdem nicht: Der Kunde sieht weiter nicht, wie viel Geld tatsächlich als Sparbeitrag angelegt wird und wie viel für Kosten und den Risikoschutz draufgeht.

11. Gibt es steuerliche Vorteile?

Ja, Versicherte, die nach 2004 einen Vertrag abgeschlossen haben, müssen grundsätzlich nur die Hälfte der Erträge bei der Auszahlung versteuern (Halbeinkünfteverfahren). Voraussetzungen: Der Vertrag ist mindestens zwölf Jahre gültig, und das Geld wird nach dem 60. Geburtstag ausgezahlt. Fließen dann zum Beispiel 100000 Euro an Erträgen (ohne eigene Einzahlungen) aufs Konto, ist auf 50000 Euro der persönliche Steuersatz fällig. Derzeit liegt der maximale Steuersatz bei 45 Prozent (inklusive drei Prozent Reichensteuer), selbst ein Spitzenverdiener müsste also höchstens 22,50 Prozent zahlen. Merten Larisch, Altersvorsorgeexperte der Verbraucherzentrale Bayern, warnt aber davor, diesen Vorteil zu überschätzen. Auch ein Kunde, der normalerweise keinen hohen Steuersatz habe, werde im Jahr der Auszahlung wahrscheinlich zum Spitzenverdiener und sei damit von den 25 Prozent Abgeltungsteuer nur noch wenig entfernt.

12. Was gilt bei privaten Rentenversicherungen?

Bei diesen Policen gibt es – neben dem sogenannten Halbeinkünfteverfahren – sogar noch einen weiteren Vorteil: Am Ende der Laufzeit wird bei der Auszahlung der monatlichen privaten Rente nur der Ertragsanteil besteuert. Dieser liegt für einen 65-jährigen Rentenempfänger bei 18 Prozent. Bei einer Privatrente von zum Beispiel 500 Euro wären also 90 Euro die Grundlage für die Berechnung der Steuer, die vom persönlichen Steuersatz abhängt. Experte Larisch sieht darin aber noch keinen Grund, sich jetzt schon auf ein Verrentungsmodell festzulegen. „Das kann ich zum Beispiel mit 63 Jahren auch noch tun“, sagt der Verbraucherschützer. Er warnt vor einer voreiligen Unterschrift aus steuerlichen Gründen. Larisch hält es für problematisch, sich in jungen Jahren jahrzehntelang an einen Versicherer zu binden, auf dessen Solidität und gute Anlagepolitik quasi zu wetten und das Risiko einzugehen, bei einer vorzeitigen, frühen Kündigung viel Geld zu verlieren.

Frank Schuster

cornelia.hefer@handwerk-magazin.de