Kolumne "Professioneller Bauablauf" von Andreas Scheibe, 4. Folge VOB: Darum sollten Handwerker vorsichtig sein, wenn Fachplaner mit Bauherren klüngeln

Zugehörige Themenseiten:
Auftragsabwicklung, Baurecht, Professioneller Bauablauf – Kolumne von Andreas Scheibe, Vergaberecht und Zukunftsperspektiven im Handwerk

Das Dreigespann Auftraggeber, Fachplaner und Handwerker ist im Idealfall ein gut funktionierendes Team: Der Auftraggeber hat eine Idee und Wünsche, der Planer plant und der Handwerker baut. Klare Prozesse mit Handschlag und Lächeln. Aber in etwa drei Jahren Planungs- und Bauphase kann vieles passieren. Reibungslose Abläufe sterben meist daran, dass nicht klar ist, wer was tun muss und das bei gleichzeitigem Kompetenzgerangel mit Fremdschäm-Charakter – vor allem, wenn sich Bauherr und Fachplaner besser verstehen, als dem Handwerker lieb sein kann.

Handschlag mit Wein, Meeting
Laut Andreas Scheibe ein Ärgernis für Handwerker aus der Praxis: "Es wird peinlich, wenn sich Bauherr und Fachplaner bei einem Glas Wein 'verschwören' – und das auf Grundlage von Ahnungslosigkeit." - © DragonImages - stock.adobe.com

Auftraggeber und Planer werden in mehreren Monaten oder Jahren Projektplanung durchaus zu "Best Buddys". Schließlich gibt der Bauherr seine "einzigartige" Bauidee in die Hände eines fähigen, hochstudierten Ingenieurs, der seit 40 Jahren Schulen baut – und natürlich weiß was er tut. Wie sollte aber zum Beispiel eine Bürgermeisterin oder ein Bürgermeister das genau beurteilen können, wenn sie selbst nicht vom Fach sind (wovon wir in der Regel ausgehen)?

Vielleicht hat der Auftraggeber gerade noch so ein bisschen Ahnung von der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI), aber in Sachen technischer Ausrüstung endet das gemeinsame Verständnis. Vertrauen ist also wichtig zwischen Bauherr und Fachplaner. Die beiden haben also hochachtungsvoll das Bauvorhaben aus der Taufe gehoben. Nach umsichtiger Suche nach einem qualifizierten Handwerksfachmann wird der "bedeutsame" Bauplan weiter in die Ausführung gegeben – "mit Gebeten und Geigenmusik".

Kritik des Handwerkers kommt häufig nicht gut an

Aber was passiert denn jetzt? Da kommt der "tölpelhafte" Handwerker nach technischer Prüfung (ureigenste Pflicht des Ausführenden nach VOB) tatsächlich auf die kühne Idee zu behaupten, dass im Plan, also den Ausführungsunterlagen Fehler sind? Da stimme etwas nicht ganz, da passe etwas nicht zusammen, es fehle etwas! Zudem sei nichts koordiniert, es gäbe Differenzen zum Leistungsverzeichnis – und so weiter. Das alles hat der Handwerker nun also sauber aufgelistet an den Bauherren (alleiniger Vertragspartner) geschickt, der natürlich völlig verständnislos den Kopf schüttelt: "Sag' mal, geht's noch? Der Handwerker hat doch keinen Schnall, wovon er redet! Mein Planer baut seit 40 Jahren Schulen, der weiß was er tut!"

Bauherr und Fachplaner machen als "Komplizen" dem Handwerker das Leben schwer

Bauherr und Fachplaner als "Komplizen" tun die Fehlerliste schnell ab mit den beliebten Worten "Steht doch da!" oder "Das machen wir seit 40 Jahren so". Ich erinnere mich an den Fall eines Teilnehmers in unserem Training, der berichtet hat, Bürgermeisterin und Planer würden regelmäßig zusammen ins Restaurant gehen und sich ohnehin ständig auf dem kurzen Dienstweg beratschlagen, ob besagter Teilnehmer (Unternehmer in der Elektrotechnik) denn Recht hätte mit seinen seltsamen Behinderungsanzeigen.

Wie sich herausstellte, hatte die Bürgermeisterin keine Ahnung von Rechten und Pflichten in VOB-Verträgen. Sie war völlig überfordert mit den berechtigten Forderungen des Handwerkers. Sie hatte die Kompetenz des Handwerkers in Frage gestellt und vertraute weiterhin ihrem vertrauten Planer – obwohl ausgerechnet er und seine mangelhafte Planung verantwortlich waren für die vielen Fragen und Forderungen des Handwerkers. Und genau an dieser Stelle wird es peinlich, wenn sich Bauherr und Fachplaner bei einem Glas Wein "verschwören" – und das auf Grundlage von Ahnungslosigkeit. Der Handwerker steht dann draußen vor dem Restaurant und denkt sich nur: "Leute, kann ich mal langsam weiterarbeiten?" Natürlich ist das ein überspitztes Beispiel, aber, wie die Realität beweist, ist es ein Beispiel, das passieren kann. Womöglich häufiger als wir der Baubranche und allen Baubeteiligten wünschen.

Handwerker sind bei Bauherren häufig noch schlecht angesehen

Die Wahrnehmung der Handwerker bei Bauherren ist leider einen sehr schlechte. Noch immer denken die meisten, der Handwerker sei dumm und würde nur Bier auf der Baustelle saufen, wenn er denn überhaupt einmal auftaucht. Doch Fakt ist : Die Ausbildung im Handwerk ist gut! Wir wissen was wir tun. Wir wissen auch, dass wir uns immer weiterentwickeln müssen. Und wir wissen, dass wir uns diese Erniedrigung nicht gefallen lassen müssen. Das sind wir dem technischen Fortschritt und auch dem Wachstum unseres eigenen Unternehmens schuldig. Aber auch die anderen Projektbeteiligten müssen verstehen, dass wir gut sind, dass wir Rechte haben und künftig darauf pochen werden.

Es geht um das Wiederherstellen des Gleichgewichts. Denn wir Handwerker stehen auf Augenhöhe mit Fachplaner und Bauherren. Und das ist nicht als Konfrontation, sondern als kooperatives Angebot gemeint, immer im Sinne des gemeinsamen Werkerfolgs. Nur wenn wir uns dementsprechend verhalten, werden auch die anderen merken, wie die neue Realität aussieht. Denn sie muss keine utopische Theorie sein – die Idee des funktionierenden Teams des Dreigespanns Auftraggeber, Planer und Handwerker. Wichtig ist nur eines: Standhaft bleiben. Mit Handschlag und Lächeln!

Über Autor Andreas Scheibe:
Andreas Scheibe
© Continu-ING GmbH

Andreas Scheibe hat selbst als Planer und Projektleiter in großen deutschen Firmen gearbeitet und den väterlichen Handwerksbetrieb übernommen und umgekrempelt. Seine Erfahrung bezahlte er laut eigener Aussage mit viel "Schweiß und Blut", aber auch viel Geld. Daraus entstanden die Ideen des professionellen Bauablaufs, als Gegenbild zum gestörten Bauablauf. Mit der Continu-ING GmbH ( lücken-im-lv.de ) verfolgt Andreas Scheibe heute als Coach und Mentor eine Mission: Das Handwerk muss wieder für seine Leistung anerkannt und vor allem auch auskömmlich vergütet werden. Schluss mit dem "Sozialhandwerker", der alle Leistung einfach mitmacht, weil er sich nicht zu wehren weiß und am Ende auf den Kosten sitzen bleibt. Der Handwerker muss aufhören, Getriebener zu sein und selbst aktiver Projekttreiber werden. Jeder Handwerker soll die Sicherheit haben: Was sind meine Rechte und auch meine Pflichten – und wie sieht es mit den Pflichten der anderen aus? Was kann und muss ich fordern, um störungsfrei arbeiten zu können? Und wie schaffe ich es, nicht mehr das letzte, missachtete Glied im Bauablauf zu sein, sondern auf Augenhöhe mit Fachplaner und Auftraggeber zu kommunizieren? Dieser Lernprozess eröffnet neue Sichtfelder für Handwerker. Andreas Scheibe erklärt, wie Handwerksunternehmer den Prozess anstoßen und gestalten.

"Stark im Handwerk – das Buch für Handwerker im VOB-Projektgeschäft"

Im August 2021 ist das erste Buch "Stark im Handwerk" von Andreas Scheibe erschienen. Darin beweist der Experte, dass die in der VOB viel Potenzial und auch viel Geld für Handwerker steckt. Aus der Praxis weiß handwerk-magazin-Kolumnist Scheibe, dass das Bild, welches Auftraggeber, Architekten und Planungsbüros oft vom Handwerker haben, meist kein ruhmreiches ist. Zwar sind die ausführenden Firmen nach deutschen Standards sehr gut ausgebildet und wissen technisch bestens Bescheid, doch von einer Sache hat man Ihnen nichts erzählt: Welche Rechte sie haben! Und auch nicht, dass sie eigentlich und zuallererst auf Augenhöhe mit Auftraggeber und Fachplaner stehen. "Der Handwerker ist zwar der letzte in der Reihenfolge bezogen auf den Bauablauf, aber der letzte Depp ist er noch lange nicht", erklärt Andreas Scheibe.

In diesem Zusammenhang kommt der Autor in seinem Buch sowohl auf die Rechte und Pflichten eines Handwerkers als auch auf die Rechte und Pflichten der anderen Projektbeteiligten zu sprechen. Denn genau diese sind im Detail in der VOB geregelt. Die Formulierungen klingen jedoch oft kompliziert und die Anwendung ist daher auch sehr unbeliebt – zu Unrecht, wie der Autor findet. Das Buch von Andreas Scheibe weckt nicht nur Interesse für das Projektgeschäft, sondern auch für das Durchsetzen von Rechten und Einfordern von Pflichten, sowie den spielerischen Umgang mit Paragrafen. Das Ziel: Handwerk muss wieder Spaß machen, gerecht bezahlt werden und zu alter Stärke zurückfinden.

stark-im-handwerk.de

Neues Buch: "Der professionelle Bauablauf – Das Schritt-für-Schritt System um deine Liquidität nachhaltig zu sichern"

Im August 2023 erschien das bereits dritte Buch von Andreas Scheibe „Der professionelle Bauablauf“. In diesem Buch sind viele Jahre Erfahrung in der Durchführung und auch Beratung von hunderten Handwerksunternehmen eingeflossen. Daraus entstanden ist ein praxiserprobtes und sofort umsetzbares Schritt-für-Schritt System welches mehr Klarheit und Sicherheit im Bauablauf für Handwerker verspricht. In diesem Buch geht es um notwendige Fähigkeiten um standardisierte Ablaufpläne zu erstellen, hochprofitable Nachträge durchzusetzen und berechtigte Forderungen darzulegen, zu begründen und zu verhandeln.

In seinem Buch geht Andreas Scheibe auch auf die 47 häufigsten und teuersten Fehler in VOB-Projekten ein, und wie sich diese verhindern lassen. Am Ende geht es darum, einen standardisierten Schriftverkehr einzuführen und Projekte strukturiert und profitabel abzuwickeln. Und das nach den Spielregeln der VOB.

der-professionelle-bauablauf .de