Versicherung: Entschädigung nach Verkehrsunfall

Vielfahrer wie Handwerker, die durch einen Unfall verletzt werden, haben immer häufiger auch psychische Schwierigkeiten. Streit mit der Versicherung um die Entschädigung ist dann vorprogrammiert - was Sie dazu wissen sollten.

"Erkrankungen nach Verkehrsunfällen sind eindeutig auf dem Vormarsch“, bestätigt Michael Burmann, von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). Betroffen sind im zunehmenden Maße die jährlich rund 400.000 Verkehrsunfallopfer. Löst der Verkehrsunfall ein seelisches Leiden aus, muss der Unfallgegner, also in der Regel ein Kfz-Haftpflichtversicherer, für den Schaden aufkommen.

Derzeit tobt hinter den Kulissen ein Streit zwischen Versicherungen, Anwälten und Medizinern, wie psychische Folgen nach Verkehrsunfällen sauber erkannt und in ihrem Ausmaß bestimmt werden können. Grund: Schon kleine Verkehrsunfälle können bei stark beanspruchten Personen eine seelische Erkrankung auslösen. Scheinbar sind zudem immer wieder Opfer betroffen, die lediglich durch einen Auffahrunfall ein leichtes Schleudertrauma erlitten haben. Grundsätzlich ist es nicht ausgeschlossen, dass ein kleiner Unfall, eine große Wirkung entfaltet. Vielfach ist dann keinerlei Körperverletzung feststellbar.

Gerade Handwerker, die zu den Vielfahrern gehören, sollten wissen, was passieren kann. Indizien für eine psychische Erkrankung sind laut Rolf Schneider, Chefarzt der Neurologischen Klinik in Aschaffenburg, eine starke Desorientierung direkt nach dem Unfall sowie anhaltende Angstzustände, Phantomschmerzen oder schwere Erschöpfung. Die Diagnose ist aber äußerst schwierig. „Schätzungsweise 10 bis 30 Prozent der Opfer, die eine psychische Störung behaupten, sind reine Simulanten“, schätzt der Experte.

Doch selbst diese Prognose ist von Unsicherheit geprägt. Denn eine einheitliche Linie, bei der Begutachtung von seelischen Erkrankungen gibt es bisher nicht. Das bestätigt Burmann vom Anwaltverein: „Wir erleben immer wieder, dass unterschiedliche Gutachter zu ganz unterschiedlichen Einschätzungen der Betroffenen kommen.“

Diagnose bestimmt Entschädigung der Versicherung

Ob das Unfallopfer tatsächlich unter einem schweren Traumata leidet oder nur eine vorrübergehende „Anpassungsstörung“ hat, ist entscheidend für die Entschädigung durch den Versicherer.„In der Regel dauert eine Anpassungsstörung lediglich sechs Monate. In Ausnahmefällen, wenn der das Opfer depressiv ist, kann die Erkrankung bis zu 24 Monate anhalten.“

Entscheidend für die Entschädigung des Unfallopfers mit seelischen Leiden, ist zudem seine Persönlichkeitsstruktur. „Wenn der Unfall den Betroffenen in naher Zukunft aus der Bahn geworfen hätte, sind Abzüge bei der Entschädigung üblich“, erläutert Jurist Burmann. Der Bundesgerichtshof habe hier den Versicherern Abschläge von bis zu 80 Prozent zugestanden.

Kampf um Verdienstausfall

Grundsätzlich müssen sich Opfer, die nach einem Unfall eine psychische Erkrankung feststellen, auf einen gutachterlichen Spießrutenlauf einstellen. Burmann: „Oft gibt es im Laufe des gerichtlichen Verfahren drei oder mehr Gutachten. Die Diagnose ist existenziell, weil die Betroffenen in der Regel arbeitsunfähig sind.“ Daher gehe es beim Streit mit dem Versicherer in der Regel nicht nur um ein einige 10.000 Euro Schmerzensgeld, sondern vor allem um mehrere 100.000 Euro für den Verdienstausfall.

Privatgutachten müssen von den Unfallopfern selbst getragen werden. Auch die Rechtsschutzversicherung übernimmt die Kosten nicht. Für ein psychologisches Gutachten werden bis zu 2000 Euro fällig.

Tipp: Sinnvoll ist es, nach einem anerkannten, professionellen Gutachter zu suchen, der möglicherweise auch vom gegnerischen Versicherer akzeptiert wird. Noch besser ist es für die Betroffenen aber, wenn sie einen starken Verbündeten gewinnt. „Gutachten erstellt auch der medizinische Dienst der Krankenkassen“, so Burmann. Sie sind kostenfrei. Bestätigt der Gutachter der Krankenkasse beispielsweise eine posttraumatische Erkrankung durch den Unfall, kann das Opfer mit einer hohen Entschädigung rechnen, während die Kasse alle ihre Behandlungskosten zurück fordern darf.