Nachbarschaftshilfe: Erst helfen, dann haften

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Urteil des Monats

Freunden und Nachbarn kostenlos zu helfen, gehört bei vielen Handwerkern zur Tradition. Rechtlich ist das riskant.

Im Zweifel sollten Handwerker besser keine Hand anlegen, wenn der Nachbar ruft. - © Denis Junker/Fotolia.com

Der Fall

Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz sorgt unter Handwerkern für Ärger. Der Grund: Die Richter vom Deutschen Eck verurteilten einen erfahrenen Elektriker zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 600 000 Euro und einer lebenslangen Rente an einen Fassadenarbeiter. Der Elektriker hatte auf Bitten seiner Nachbarin und Vermieterin deren Außenbeleuchtung am Haus montiert und dazu auch gleich das Kabel verlegt. Nach Durchführung der Arbeiten hatte der Handwerker zwar die Lampe gemessen. Dass diese Strom führte, hatte er allerdings übersehen. Dann nahm das Schicksal seinen Lauf: Ein Fassadenarbeiter kam mit der Außenleuchte in Berührung, als er gerade auf einem Gerüst stand. Infolge des Stromschlags erlitt der zum Unfallzeitpunkt 46 Jahre alte Mann einen aufgrund Sauerstoffmangels irreparablen Hirnschaden. Er ist seither zu 100 Prozent behindert und umfassend pflegebedürftig.

Das Urteil

Mit seiner Klage nahm das Unfallopfer sowohl die Hausbesitzerin als auch den Handwerker in Regress. Die Koblenzer Richter gaben der Klage gegen den Handwerker statt. Dieser hafte, obwohl er sich unentgeltlich zur Verfügung gestellt hatte – und zwar aus mehreren rechtlichen Gründen. Erstens habe ihn die Nachbarin gerade aufgrund ihrer geäußerten Wertschätzung als berufserfahrenen Elektriker gerufen. Zweitens gehe von der stromführenden Außenlampe eine erhebliche Gefahr aus. Und drittens darf nach dem Richterspruch nicht außer Betracht bleiben, dass der Handwerker für die Folgen eines Fehlers haftpflichtversichert war. Die um Hilfe bittende Nachbarin habe deshalb auf einen „Rechtsbindungswillen des leistenden Nachbarn schließen dürfen“, der zur Haftung führe.

Die Praxisfolgen

Der Elektriker haftet aufgrund des Urteils nicht nur im Verhältnis zur Nachbarin, sondern auch für in den Schutzbereich der Nachbarschaftshilfe einzubeziehende Dritte wie den klagenden Fassadenarbeiter. Denn der Elektriker ha-be damit rechnen können, dass das Haus für Fassaden- oder Dacharbeiten eingerüstet werde und es dabei zu Stromschlägen kommen könne. Zudem sei ihm klar gewesen, dass die Nachbarin auf die Sicherheit aller Personen vertraute, die mit ihrem Wissen und Wollen mit der Lampe in Berührung kommen sollten, betonten die Koblenzer Richter abschließend.

Der Tipp

Rechtsanwalt Jörg Dombrowski aus der Frankfurter Kanzlei HauckSchuchardt empfiehlt, „dass der Handwerker seinen Versicherungsschutz auch hinsichtlich etwaiger Gefälligkeiten und deren Deckungsumfang prüft“. Ist keine Assekuranz bereit, die Risiken zu versichern, muss der Handwerker die Hilfe diplomatisch verweigern, rät Dombrowski: „Er sollte den Hilfesuchenden klar auf die Risiken hinweisen und ihm erläutern, dass er die Abdeckung des Risikos nur bei Auftragserteilung gegen Lohn erwarten kann.“