Untreue Lehrlinge

Studie | Immer mehr junge Fachkräfte kehren dem Handwerk nach ihrer Ausbildung den Rücken. Die niedrigen Einstiegsgehälter sind ein Grund.

Abwanderungsquote: Junge Fachkräfte, die im Handwerk ausgebildet wurden und anschließend in die Industrie wechselten. - © handwerk magazin

Untreue Lehrlinge

Der Trend ist erschreckend. „Das Handwerk blutet qualitativ aus“, sagt Maximilian Wolf. Der Diplom-Kaufmann arbeitet am Ludwig-Fröhler-Institut (LFI) für Handwerkswissenschaften in München an einer laufenden Studie, die klären soll, warum junge Fachkräfte am Ende ihrer Ausbildung im Handwerk bleiben oder in die Industrie wechseln. Nun liegen erste Forschungsergebnisse vor und die sind für das Handwerk ein Grund zur Sorge.

„Nur noch etwa die Hälfte der Auszubildenden bleiben nach der Ausbildung im Handwerk“, sagt Wolf. Eine Ursache scheinen die im Vergleich zur Industrie niedrigen Gehälter zu sein. Doch der Trend lässt sich stoppen, so Wolf. Wenn die Betriebe ihre Stärken wieder besser nutzen.

Für die repräsentative Umfrage sind 2200 Auszubildende in Bayern aus acht Branchen befragt worden: Bäcker, Elektro-/Gaswasserinstallateure, Friseure, Hörgeräteakustiker, Kfz-Mechaniker, Metallbauer, Maurer/Betonbauer und Sanitär-Klima-Techniker.

Was für das Handwerk spricht

Tatsächlich waren es 1999 laut einer Studie des Volkswirtschaftlichen Instituts für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen (ifh) deutschlandweit noch etwa 80 Prozent der zwischen 15- und 25-Jährigen, die im Handwerk eine Ausbildung absolvierten und anschließend dort auch beruflich geblieben sind.

Die neuesten Ergebnisse lassen laut Wolf zudem die Vermutung zu, dass vor allem junge Fachkräfte mit Abitur oder einem sehr guten Gesellenbrief in die Industrie abwandern. Die ersten Ergebnisse der Studie zeigen jedoch bereits deutlich, was junge Fachkräfte am Handwerk im Vergleich zur Industrie attraktiv finden. „Vor allem eine abwechslungsreiche Arbeit ist für viele Auszubildende ein wichtiger Punkt, in einem Handwerksbetrieb anzufangen“, sagt Wolf. Weitere Kriterien, die laut der Befragten für das Handwerk sprechen, ist der verfügbare Freiraum, um sich den Arbeitsalltag selbst einteilen zu können sowie ein gutes Verhältnis zum Vorgesetzten. Die im Vergleich zur Industrie niedrigen Einstiegsgehälter finden viele jedoch abschreckend. Auch Gehaltssteigerungen und Lohnzusatzleistungen stuften die meisten Befragten im Handwerk schlechter ein als in der Industrie.

Möglichkeiten aufzeigen

Diese Problematik wird sich nach der Meinung des Experten verschärfen. „Vor einigen Jahren war es noch so, dass nur der Überschuss an ausgebildeten Handwerkern in die Industrie abwanderte.“ Das sei jedoch vorbei, ist sich Wolf sicher. Aufgrund des demografischen Wandels drohe ein massiver Fachkräftemangel. „Es kommen nicht mehr genügend junge Leute nach.“ In der Kfz-Branche seien es schätzungsweise etwa 60 bis 70 Prozent, die nach der Ausbildung in die Industrie wechseln, bei den Friseuren und Bäckern seien es berufsbedingt weniger, vermutet der Experte. Genaue Zahlen könne er jedoch erst nach Abschluss seiner Forschungsarbeit Ende 2011 bieten.

„Die Handwerksbetriebe müssen deshalb ihre Stärken ausbauen und gezielt einsetzen, um ihren Nachwuchs auch halten zu können“, erklärt Wolf. „Dazu gehört es auch, den Auszubildenden die Perspektiven im eigenen Betrieb frühzeitig aufzuzeigen.“ Betriebe sollten zudem versuchen, die im Vergleich zur Industrie schlechtere Bezahlung so gut es geht auszugleichen, etwa über Mitarbeiterrabatte. Das Handwerk sei schlichtweg immer noch der Ausbilder der Nation.

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