Unterschätztes Risiko

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Produkthaftung | Verletzt ein vom Handwerker geliefertes Gerät den Kunden oder richtet es einen Vermögensschaden an, haftet er mit. Regress beim Hersteller und Versicherung helfen.

Unterschätztes Risiko

Stromschlag bei Markenlampe, diese Schlagzeile wollte Elektroinstallationsmeister Ulrich Hartmann in Lindau auf jeden Fall vermeiden: „Die Lampe hatte keine Schutzleitung, da hätte die Verletzung einer Kabelisolierung durch eine Montageschraube zu einem Stromschlag führen können.“ „Das Risiko ist nicht groß, aber wenn ich als Fachmann so etwas verkaufe oder montiere, würde ich bei einem Unfall haften, obwohl ich nicht der Hersteller bin.“ Ulrich Hartmann, Obermeister der Elektroinnung Lindau, verkauft nichts, wovon er nicht überzeugt ist. Ihm geht es um Sicherheit, für Kunden und für sich. Das Elektrohandwerk sei ein gefahrgeneigter Beruf.

„Man gewinnt manchmal den Eindruck, dass nicht jeder die Gefahren richtig einschätzt“, sagt Ulrich Hartmann. Als Vertrauensmann für Mitglieder beim Landesinnungsverband kennt er die Probleme. „So lassen manche Maßnahmen aus, die sie schützen könnten.“ Als Beispiel nennt der Obermeister den Verzicht auf ein etwa 2000 Euro teures Messgerät zum Sicherheitscheck von Elektroinstallationen. „Das ist Sparsamkeit am falschen Fleck, denn das kann große juristische Probleme verursachen.“

Erst recht macht sich Sorglosigkeit beim Thema „Verantwortung für fremde Produkte“ breit. Viele glauben, das sei allein Sache des Herstellers, und auf den ersten Blick scheinen die Juristen ihnen Recht zu geben. Der Frankfurter Rechtsanwalt Helmut Newrzella, Kanzlei Delta Law: „Für Sachbeschädigung oder Körperverletzung durch eingebaute Produkte haftet der Handwerker grundsätzlich nicht.“ Das gelte für Markenware wie für Billig-Produkte. „Schließlich“, so erklärt Andreas Wagnitz, Jurist bei der Handwerkskammer in München, „kann ein Handwerksbetrieb bei Massenprodukten nicht wie ein Großbetrieb eigene Qualitätskontrollen durchführen.“

Doch diese Haftungssicherheit ist trügerisch. Anwalt Newrzella betont: „Eine Haftung des Handwerkers kommt infrage bei für den Fachmann klar erkennbaren Fehlern wie einem blanken Draht, der hätte isoliert sein müssen.“ Wichtiger ist ein anderer Fall. Wagnitz erklärt: „Wenn der Handwerker erfährt, dass von ihm eingebaute oder verkaufte Produkte für gefährlich werden können, muss er reagieren, sonst kann er im Schadensfall selbst haftbar sein.“

Der Kammerjurist erklärt das mit einem Fall aus seiner Beratungspraxis: Ein Glaser schnitt nach Kundenwunsch Spiegel bis zu zwei Quadratmeter Größe zu und montierte sie mit Klebehaken. „Bei einer Lieferung löste sich die Klebeschicht. Sie können sich vorstellen, was passiert, wenn ein großer Spiegel auf einen Menschen fällt“, berichtet Wagnitz. Als der Glasermeister von den unsicheren Haken erfuhr, handelte er sofort. „Ihn traf die sogenannte Verkehrssicherungspflicht“, erklärt Wagnitz, „er hatte dafür zu sorgen, dass von seiner Arbeit keine unvermeidbare Gefahr ausgeht.“

Das gilt auch für die verwendeten fremden Materialien oder Produkte. Obwohl vor allem der Hakenhersteller verantwortlich war, musste der Glaser aktiv werden, weil nur er wusste, wo die Haken eingesetzt waren. Also suchte er im PC die betroffenen Kunden und ersetzte die Spiegelaufhängung. Wagnitz: „Der Zeitaufwand pro Kunde ging an die zwei Stunden, das waren riesige Kosten.“

Gewährleistungsfalle

Diese kann der Handwerker von seinem Lieferanten zurückfordern, solange dessen Gewährleistung läuft. Wagnitz berichtet: In einer Flachdach-Bitumen-Abdichtung fehlte eine für den Feuerschutz wichtige Komponente. Der Dachdecker erneuerte das ganze Dach als Gewährleistung, obwohl er das Material weder prüfen konnte noch musste. „Da schnappt oft die Gewährleistungsfalle zu.“ Die sieht so aus: Der große Lieferant kürzt seine Gewährleistung per AGB ab. Das kann der Handwerker weder verhindern noch an seine Kunden weitergeben. Folge ist eine Zeitlücke, in der seine Gewährleistung noch läuft, die des Lieferanten nicht mehr. „Das ist besonders gefährlich bei Baumaterial, für das laut Gesetz fünf Jahre Gewährleistung gelten“, warnt Jurist Wagnitz. Im Flachdach-Fall kam der Dachdecker gut davon, dem Hersteller der Bitumen-Abdichtung war sein Ruf wichtig genug, um die Mehrkosten zu übernehmen.

Ulrich Hartmann verkauft dem Kunden konsequent „Qualität oder gar nichts“. Aber das sagt sich leicht, wenn es ans Geld geht. Hartmann weiß, er muss auch preiswerte Leistung bieten, doch „nicht auf Kosten der Sicherheit. Ich setze auf clevere Lösungen.“ Das verlange vielleicht etwas mehr Investitionen, aber er zeigt dem Kunden, dass Einsparungen diese Kosten mehr als ausgleichen, etwa bei einer intelligenten Treppenhausbeleuchtung, die nicht jedes Mal das ganze Haus illuminiert.

Für die Risiken, die trotz aller Vorsorge bleiben, gibt es die Betriebshaftpflichtversicherung. Allerdings übernimmt die Standardpolice nicht die Kosten von Austauschaktionen (siehe „Schutz jetzt prüfen“). Fazit: Niemand nimmt dem Handwerker die Verantwortung ab. Seine Chance, so Rechtsanwalt Newrzella: „Er muss die Augen offenhalten, ob es Anzeichen für Gefahrensituationen gibt, und dann schnell reagieren, um den Schaden möglichst zu verhindern.“ K

Thomas C. Münster

harald.klein@handwerk-magazin.de