Unternehmerfrau 2015: Starke Frauen im Handwerk

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Frauen im Handwerk und Wettbewerb: Unternehmerfrau im Handwerk

Zum 25. Mal verleiht handwerk magazin 2015 den Preis „Unternehmerfrau im Handwerk“. Wie starke Frauen das Handwerk verändern, zeigen die beiden Porträts der aktuellen Gewinnerinnen.

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    © Tom Ziora
    „Die Über­nahme hat nur funktioniert, weil wir uns gegenseitig immer unterstützt haben.“ Petra Hauser-Besemer (li.) und Christina Besemer, ­Inhaberinnen der Besemer Ausbau und Fassade GbR in Kohlberg, Landkreis Esslingen.
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    © Stefan Thomas Kröger
    „Es ist erstaunlich, was man in einer Extremsitua- tion alles leisten kann.“ Marion Windisch, ­Unternehmerfrau, Stefan Windisch Dachdeckerei in Hemmingen bei Hannover.
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    Wettbewerb: „Unternehmerfrau im Handwerk“ von handwerk magazin. Auszeichnung: Der Preis wird in zwei Kate­gorien verliehen: für Unternehmerinnen und Unternehmerfrauen. Jury: Heidi Kluth und Claudia Beil vom ­Bundesverband der Unternehmerfrauen, Finanzex­pertin Andrea Hiering, Verleger Alexander Holzmann, Chefredakteur Olaf Deininger. Preisgeld: 2500 Euro pro Gewinnerin.

Sie sind ein starkes Team, privat und geschäftlich. Die Schwestern Petra Hauser-Besemer und Christina Besemer, Gewinnerinnen des Wettbewerbs „Unternehmerfrau im Handwerk“ in der Kategorie „Unternehmerin“. Bereits in ihrer Jugend schlossen sie einen Pakt: Christina absolviert die handwerkliche Ausbildung als Stuckateurin, Petra studiert Betriebswirtschaft. „Dann übernehmen wir den elterlichen Betrieb“, erzählt Christina. Der Plan klang gut. Allerdings war der Weg dahin steinig. Christinas Ausbildungszeit gestaltete sich nicht gerade rosig. „Nach Abitur und sozialem Jahr war die Umstellung auf das Baufach groß. In der Ausbildungsfirma und in der Berufsschule gab es außer mir keine Frauen. Das war nicht einfach“, berichtet die Stuckateurmeisterin.

Der Sprung ins kalte Wasser

Ihre Schwester Petra hatte zu diesem Zeitpunkt bereits ihre kaufmännische Ausbildung absolviert und ihr Betriebswirtschaftsstudium in Reutlingen abgeschlossen. Nach dem Studium stieg sie zur Unterstützung von Mutter und Vater in den elterlichen Stuckateurbetrieb ein. Dann der Schock: 1998 stirbt plötzlich der Vater Erich Besemer.

Völlig unvorbereitet mussten die Schwestern dann ins kalte Wasser springen und den Betrieb gemeinsam mit der Mutter übernehmen. „Wir fühlten uns beide in der Verantwortung – gegenüber unserer Mutter Beate, den Mitarbeitern und auch den Kunden. Denn die Auftragsbücher waren voll“, erzählt Petra im Rückblick. Einziger Vorteil in der schwierigen Situation: „Ich war im kaufmännischen Bereich bereits gut eingearbeitet und kannte den Betrieb. Für Christina war es schwieriger“, so Petra. Ihre jüngere Schwester, 25 Jahre und gerade den Meisterbrief in der Tasche, übernahm von jetzt auf gleich die Führung von zwölf Mitarbeitern. „Und sie arbeitete anfangs noch täglich auf den Baustellen mit“, betont Petra, damals 29 Jahre. „Das Ganze funktionierte nur, weil wir uns immer unterstützten“, ergänzt Christina.

Klare Aufgabenteilung

Als Team ergänzen sich die Schwestern in 17 Jahren gemeinsamer Betriebsführung auch deshalb so gut, weil sie seit ihrer Kindheit ein starkes Vertrauensverhältnis aufbauten, sich im Unternehmen die Verantwortung als gleichberechtigte Geschäftsführerinnen zwar teilen, aber jede ihren eigenen, klar definierten Aufgabenbereich erfolgreich meistert. Christina verantwortet alle klassischen Meister-Aufgaben, Petra den kaufmännischen Bereich. Und beide leisten gute Arbeit.

Denn seit bei Besemer Ausbau und Fassade die dritte Generation den Betrieb steuert, veränderte sich der Handwerksbetrieb. „Wir haben das Unternehmen den Herausforderungen des Marktes angepasst“, wie Christina den Prozess erläutert. Dazu gehörte „raus aus der Vergleichbarkeit mit Wettbewerbern, den Kunden Mehrwert bieten und bessere Beratung leisten“, so die Meisterin. Viel Unterstützung in technischen, rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Fragen erhielten die Schwestern Besemer vom Fachverband der Stuckateure für Ausbau und Fassade in Baden-Württemberg (SAF). Mehrwert bietet der Handwerksbetrieb jetzt unter dem Motto: „Gesundes Wohnen – Lebensqualität lässt sich einrichten“. Dazu gehören die Bereiche Bauökologie, Energieberatung, Schimmelsanierung sowie Ausbau und Wohnberatung. Die Neuausrichtung des Betriebs fußt auf einer klaren Perspektive der Schwestern: „In zehn Jahren wird das Handwerk wieder goldenen Boden haben. Denn gut verdienende Kunden ab 40 Jahren investieren aus Überzeugung in gesundes Wohnen“, erklärt Christina.

Wichtig war den Schwestern bei ihrem Konzept, den Betrieb wirtschaftlich fit für die Zukunft aufzustellen. Und das gelang ihnen auch. „Bei der Übernahme gab es einiges an finanziellen Verpflichtungen, was die Flexibilität einschränkte. Heute können wir bankenunabhängig handeln. Investitionen wie neue Fahrzeuge oder eine neue Halle finanzieren wir aus Eigenmitteln“, sagt Petra. Allerdings ist auch klar, wer das Unternehmen auf diese Spur gebracht hat. „Das ist klar Petras Verdienst. Sie hat uns finanziell dahin gebracht, wo wir heute stehen“, so Christina.

Vor der größten unternehmerischen Herausforderung standen die Schwestern aber nach dem sogenannten „Hagelsturm von Reutlingen“ im Juli 2013. Das Unwetter verursachte mit einem Gesamtschaden von 3,6 Milliarden Euro den bis dahin größten Hagelschaden für die Versicherungswirtschaft. In nur 15 Minuten schlugen golfballgroße Hagelkörner in Dächern, Fenstern und Fassaden ein. Viele Betriebe wie Dachdecker, Zimmermänner, Gerüstbauer und Stuckateure gingen aufgrund der vielen Kundennachfragen in die Knie. „Schwierig war bei den vielen Baustellen die Koordinierung der Mitarbeiter sowie die Materialbeschaffung im notwendigen Umfang“, sagt Christina. „Wir werden voraussichtlich noch bis 2016 an den Hagelrenovierungen arbeiten, aber wir können jetzt auch wieder andere Aufträge annehmen und ausführen.“, ergänzt Petra

Unternehmerfrau: Marion Windisch

Marion Windisch stand vor einer der größten Herausforderungen, als sie in den Dachdeckerbetrieb ihres Mannes Stefan einstieg. Sie gewinnt den Wettbewerb „Unternehmerfrau im Handwerk“ in der Kategorie mitarbeitende Unternehmerfrau. Die gelernte Diplom-Pädagogin arbeitete zuvor erfolgreich in der Betreuung von Leistungssportlern, zuletzt als Leiterin des Fußball-Wohnprojektes von Hannover 96. Als dann Tochter Lucy geboren wurde, beschloss das Ehepaar 2012, beruflich gemeinsame Wege zu gehen. Für Marion Windisch hieß das, ihren Job kündigen und als Quereinsteigerin im Handwerk zu starten.

„Der Anfang war schwierig. Ich hatte gerade meinen bisherigen Job aufgegeben und fühlte mich hier im Betrieb wie eine Praktikantin, weil ich ja weder Abläufe noch Strukturen kannte“, sagt die Unternehmerfrau im Rückblick. Auf einer Veranstaltung der Handwerkskammer Hannover traf sie dann eine Kollegin, die ihr zu einer wichtigen Weiterbildung riet: dem Betriebswirt des Handwerks. Von Februar bis Juli 2013 drückte Marion Windisch gemeinsam mit sieben Männern wieder die Schulbank und absolvierte in Vollzeit das Studium zur Betriebswirtin – neben der Organisation von Büro, Familie und den zwei Kindern Fynn und Lucy. „Das war eine sehr stressige Zeit für uns alle, aber im Rückblick ein Glücksfall“, erklärt Marion Windisch. Die Weiterbildung sollte sich für die Unternehmerfrau und den Betrieb auszahlen. Denn im Februar 2014 erkrankte Stefan Windisch plötzlich an einer Herzmuskelentzündung und die Ärzte wiesen ihn sofort auf die Intensivstation ein. „Das war ein Schock. Neben der Sorge um Stefan stand unsere ganze Existenz auf dem Spiel“, fasst die Unternehmerfrau die Situation zusammen. Sie räumt aber ein: „Es blieb nicht viel Zeit zum Nachdenken. Unsere Mitarbeiter, Lieferanten und Großhändler mussten informiert werden. Zeitpläne der aktuellen Kundenaufträge stellten wir schnellstmöglich um. Zum Glück reagierten alle mit viel Verständnis.“ Ein weiterer Glücksfall in dieser Situation: Ein Ex-Kollege von Stefan Windisch sollte am 1. März im Betrieb starten. Florian Schönberger ließ aber alles stehen und liegen und sprang sofort in der Dachdeckerei als Vorarbeiter auf den Baustellen ein.

Die Krankheit von Stefan Windisch zog sich hin. Die Herzmuskelentzündung musste konventionell ausheilen. Ein langer Prozess, wie sich herausstellte. Der Dachdeckermeister fiel fast das gesamte Geschäftsjahr 2014 aus. Marion Windisch konnte sich in dieser Zeit aber auf ihr Team verlassen. Die Mitarbeiter unterstützten die Unternehmerfrau mit viel Engagement, Eigeninitiative und Respekt. „Wir sind zusammen ins kalte Wasser gesprungen und dann gemeinsam geschwommen“, beschreibt sie die Zeit aus ihrer Perspektive.

Die Extremsituation hatte Konsequenzen. für den Handwerksbetrieb. „Die Krankheit von Stefan gab den Anstoß, strukturelle Veränderungen im Betrieb in Gang zu setzen“, erläutert Marion Windisch. Ziel war dabei vor allem eine körperliche Entlastung von Stefan Windisch, der heute nicht mehr aktiv auf den Baustellen mitarbeitet, sondern verstärkt unternehmerische Aufgaben wie wichtige Kundengespräche, Planungen und Kalkulationen übernimmt. Der Besuch der „Zukunftswerkstatt 2.0“ der HWK Hannover, einem mehrmonatigem Organsationsentwicklungsprozeß, zeigte dem Unternehmerpaar die weitere Entwicklung für den Handwerksbetrieb auf. Das ganze Team der Dachdeckerei nahm gemeinsam daran teil. „Der Besuch der Zukunftswerkstatt machte es uns einfacher, Aufgaben zum Beispiel auf den Baustellen an Mitarbeiter abzugeben.“

Stärke für die Zukunft gewonnen

Außerdem lässt sich die Dachdeckerei Windisch jetzt von der „Gillhaus Unternehmensberatung“ begleiten, um die betriebswirtschaftliche Entwicklung des Betriebes zu überprüfen.Das ist ein längerer Prozess, der immer noch andauert. „Viele dieser Veränderungen sind auf die Initiative meiner Frau zurückzuführen. Wir sind aber beide davon überzeugt, dass es uns weiter voranbringt“, sagt Stefan Windisch. Auch wenn das vergangene Jahr eine große Belastung für die Familie und die Mitarbeiter war, so lernte Marion Windisch viel über sich selbst: „Es ist erstaunlich, was man in einer Extremsituation leisten kann. Ich möchte diese Erfahrung, so schlimm sie war, nicht missen. Sie hat uns stark für die Zukunft gemacht.“