Trachtenmode: Dirndl à l’Africaine

Afrikanische Muster, Finesse aus Frankreich, deutsche Tradition. In einem Münchner Atelier vereinen sich verschiedene Kulturen auf ganz ungewöhnliche Weise: in Form der bayerischen Nationaltracht.

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    © Fritz Beck
    Die Schwestern Rahmée Wetterich (49, re.) und Marie Darouiche (61), in Kamerun geboren und hier aufgewachsen, haben in Deutschland Design studiert. 2010 riefen sie ihr eigenes Label ins Leben. Kontakt: Noh Nee, Hans-Sachs-Str. 2 in München, dirndlalafricaine.de
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    Kreation von „Noh Nee“ aus München: kräftige ­Farben, ungewöhnliche Muster und Kauri- Muscheln als Zierde.
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    Bunte, phantasievolle Muster für die Rückseite der Trägerin.
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    Handarbeit: Jedes Dirndl wird exakt an die Figur der Käuferin angepasst.
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    Nur wirklich hochwertige Stoffe und Designs werden für das Label Noh Nee verarbeitet.

Die klassischen Vorurteile lauten, das Dirndl sei zu traditionell, zu altbacken und auch zu kitschig. Rahmée Wetterich muss lachen, wenn sie diese Einschätzungen hört. „Willkommen im Klub“. Viele ihrer Kundinnen, gibt sie offen zu, haben nie zuvor ein Dirndl getragen. Viele zuletzt in ihrer Jugend, dann haben sie vielleicht jahrelang im Ausland gelebt und suchen nun wieder Anknüpfungspunkte an die alte Heimat. Aber, und auf dieses „Aber“ legt die gelernte Designerin wert: Es kommen auch viele, die schon einen Kleiderschrank voller Dirndl haben – und jetzt eben mal etwas ganz Besonders wollen.

Und in der Tat: Etwas Besonders sind die Dirndl, die Wetterich in ihrem Laden im Münchner Glockenbachviertel verkauft allemal. So besonders wie die Inhaberin des Ladens selbst. Geboren in Kamerun, Französin nach ihrer Staatsbürgerschaft und aufgewachsen in Deutschland war sie schon als Kind gleich mehreren Kulturen verbunden. Eine eigene Geschäftsidee wurde daraus aber erst 2010. Damals beschloss sie mit einer Freundin und ihrer Schwester die gesammelten Erfahrungen und und das Können zu bündeln.

Mit der ersten Kollektion erfolgreich

Bis dahin war nur ihre Schwester Marie in der Modebranche tätig. Rahmée Wetterich hatte vorher ein Interieurgeschäft geführt. Freundin Cornelia Hobbmann kam aus der Kosmetikbranche. Gemeinsam gründeten sie das Label „Noh Nee – Dirndl à l’Africaine“ und trafen mit ihren bunten Kreationen auf Anhieb den Geschmack der Kundinnen. Schon die erste Kollektion schaffte es in die großen Modejournale. Inzwischen hängen ihre Dirndl im Kaufhaus  Ludwig Beck und bei Loden-Frey, was laut Insidern einem Ritterschlag gleichkommt. Und Kundinnen kommen sogar schon mal direkt aus New York zur Anprobe.

Dabei, betont Wetterich, verstehen sie ihre Kleider keineswegs als Bruch mit der Tradition. Im Gegenteil: Alle Modelle basieren auf einem original bayerischen Schnitt aus den Fünfzigerjahren. Das Besondere liegt in den Details. Schürzen gibt es wenig, dafür aber eingearbeitete pfiffige Unterröcke, eine Anleihe aus der französischen Mode. Die Stoffe sind nicht nur farbenprächtig, sondern vor allem hochwertig. Und als Schmuck dienen angenähte Kauri-Muscheln, die in Afrika früher als Zahlungsmittel verwendet wurden. Das Wichtigste aber, sagt Wetterich, ist die penible Verarbeitung. Jedes Dirndl ist ein kleines Kunstwerk, hinten so schön anzusehen wie vorne – und an die Figur der Käuferin exakt angepasst. Ein Service, der bei kleinen Änderungen im Preis enthalten ist. Die günstigsten Modelle kosten 499 Euro und lassen sich auch als Sommerkleid tragen. Knapp 1100 Euro kostet das teuerste Modell.

  • Vita: Die Schwestern Rahmée Wetterich
  • Die Schwestern Rahmée Wetterich Die Schwestern (49, re.) und Marie Darouiche (61), beide in Kamerun geboren, haben in Deutschland Design studiert. 2010 riefen sie ihr eigenes Label ins Leben.
    Kontakt: Noh Nee, Hans-Sachs-Str. 2
    in München,
    dirndlalafricaine.de

Individuelle Schnitte für die Trägerin

Dafür, dass jede Naht zum Muster passt, sorgt Schwester Marie Darouiche in der eigenen Werkstatt in Schwabing. Hier ist Noh Nee gestartet, bis Ende 2011 der eigene, gleichnamige Laden im Glockenbachviertel eröffnet werden konnte. Unterstützt wird Marie von einer Schneidermeisterin und Praktikanten, die direkt aus Kamerun kommen. Denn mit dem Aufbau ihres Labels verfolgen die Frauen noch ein weiteres Ziel: die Ausbildung afrikanischer Schneiderinnen, die dann in ihrer Heimat selbständig arbeiten und damit der Armut entkommen können.

Die Idee entstand, als den Frauen klar wurde, dass die „afrikanischen“ Dirndlstoffe, die ihre Marke ausmachen, gar nicht aus Afrika stammen. „Wirklich hochwertige Ware“, bedauert Wetterich, „wird dort derzeit gar nicht produziert“. Dennoch sollte etwas zurückfließen von der afrikanischen Idee auf den afrikanischen Kontinent – und so gibt es heute in der Hans-Sachs-Straße neben Dirndln auch bunte afrikanische Schürzen. Produziert werden sie von Justine in Benin, die ihre Genauigkeit und penible Arbeitsweise in Maries Schwabinger Werkstatt lernte und nun in ihrem Heimatort Tanguita in Kamerun ihre eigene kleine Produktion betreibt. Die Schürzen sind aber nicht die einzigen Stücke, die mittlerweile das Dirndlsortiment von Noh Nee ergänzen. Neben den klassischen Accessoires (siehe Kasten oben), gibt es inzwischen auch bunte Hosen, raffiniert geschnittene Blusen und Jacken. Alles schick genug fürs Büro oder den Abend – und alles doch irgendwie anders.