Regionale Förderprogramme Thüringen: Es ist nicht genug, zu wollen - man muss auch tun

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Finanzierung mit Regionalmitteln und Fördermittel

Thüringen – Zentrum für Kunst, Kultur und Handwerk. Mutige Macher haben nach der Wiedervereinigung die Chancen der Selbstständigkeit genutzt. Aktuell übergeben viele der erfolgreichen Unternehmer ihr Lebenswerk. Das Land hilft bei Übernahme, Gründung und Wachstum

Goehte u Schiller in Thüringen
Männer der Tat: Goethe und Schiller kamen als junge Dichter nach Thüringen und blieben bis zu ihrem Tod. - © marako85/iStockphoto.com

Irgendwo in Thüringen liegt der geografische Mittelpunkt Deutschlands. Gleich mehrere Städte des Landes beanspruchen diesen Titel – zu Recht, denn lediglich die verwendeten Berechnungsmethoden sind unterschiedlich. Einig ist man sich im Freistaat jedoch, Zentrum für Kultur und Handwerk zu sein: Auf der Wartburg begann Luther 1521 seine Bibelübersetzung und schuf so die Grundlage der modernen deutschen Sprache. In Weimar etablierten Goethe und Schiller um 1800 die deutsche Version der klassischen Literatur. Und ebenfalls in Weimar begann 1919 ein Experiment, das die Art, wie wir über Architektur, Design und Handwerk denken, radikal veränderte – die Kunstschule Staatliches Bauhaus.

Ansturm auf Fördertopf

So viel Tradition wird mit Stolz weitergeführt. Die 2,2 Millionen Einwohner des rund 16.000 Quadratkilometer kleinen Landes sind aktive Gründer und Unternehmer. Der Anteil von Gründungen mit besonderer wirtschaftlicher Substanz liegt mit 30 Prozent knapp sieben Punkte über dem Bundesschnitt, so der Gründer- und Unternehmerreport 2018 des Thüringer Zentrums für Existenzgründungen und Unternehmertum (ThEx).
Für diesen Erfolg zeichnet das Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft wohl mitverantwortlich. Es fördert das Handwerk mit seinen 30.000 Betrieben, einem Umsatz von 12 Milliarden Euro und gut 151.000 Beschäftigten auf vielen Ebenen. Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee sagt auf Anfrage: „Das Land stellt zur Unterstützung der Betriebe ein umfangreiches Förderprogramm zur Verfügung.“ So etwa die Beteiligung an Messen im In- und Ausland, Marketing- und Imagemaßnahmen sowie fachliche Qualifizierung. Die Zielgruppe nutzt das Angebot intensiv, die Haushaltsmittel für 2019 waren bereits im März ausgeschöpft. Für 2020 wird nachgelegt.
Detaillierte Informationen vom Ministerium zu erhalten, war schwierig. Man verweist dort auf die Internetseite und auf die allgemeinen Programme wie Investitions-, Beratungs- und Gründerförderung. Das war bei den entsprechenden Behörden anderer Bundesländer, über die wir berichteten, deutlich besser.
Für die Vergabe der Fördermittel ist in den meisten Fällen die Thüringer Aufbaubank (TAB) zuständig, die Antragstellung erfolgt über die Hausbank. Neben vielen Darlehen lockt die Aufbaubank mit den besonders begehrten Zuschüssen für verschiedene unternehmerische Aktivitäten, gut 20.000 Handwerksbetriebe nutzen sie bereits.

Verwirrende Vielfalt, gut sortiert

Insgesamt offeriert das Bundesland ein weit verzweigtes Förderangebot, das zuweilen einem „Dschungel“ aus Zuschüssen, Darlehen und Bürgschaften gleicht.Hier das passende Angebot zu finden ist zeitaufwendig. Hilfreich, aber mit Kosten verbunden, sind Förderberater, die für Handwerker die richtigen Fördertöpfe identifizieren und die Antragstellung begleiten. Einen passenden Berater können Sie über die Verbandshomepage bvdfb.de finden.

Auch Hausbank, Fachverbände und Kammern helfen beim Auffinden des richtigen Förderprogramms. Anders als die freien Fördermittelberater arbeiten sie für Mitglieder kostenlos. Für Handwerksunternehmer ist es sinnvoll, sich vor dem Gespräch selbst einen groben Überblick zu verschaffen. Denn wer informiert ist, muss nicht jede Aussage seines Gesprächspartners abnicken, sondern kann gezielt nachfragen.

In Thüringen sind insbesondere Zuschüsse begehrt – was wohl auch der kleinteiligen Betriebsstruktur geschuldet ist. Laut Wirtschaftsministerium hat ein Handwerksunternehmen im Freistaat durchschnittlich 6,7 Beschäftigte, während im gesamtdeutschen Schnitt die Mitarbeiterzahl bei 8,6 liegt. Eine direkte Geldspritze ist für kleine Betriebe oft reizvoller und einfacher zu verwalten als ein Darlehen mit zum Teil komplizierten Konditionen.

Herausforderungen im Handwerk

Stefan Lobenstein, Präsident des Thüringer Handwerkstags, benennt die Herausforderungen für das Handwerk: Die Unternehmergeneration der Nachwendezeit trete nun ab und müsse den Betriebsübergang gestalten. In Zeiten von Fachkräftemangel und Imageproblemen – viele Jugendliche finden den akademischen Weg attraktiver – sei das keine leichte Aufgabe. Tatsächlich lehnen die eigenen Kinder oft die Nachfolge ab. Wer dennoch nicht einfach schließen, sondern lieber übergeben möchte, kann über die Kammern einen Nachfolger suchen.

Neben der demografischen Herausforderung prägt die Digitalisierung das Handwerk. „Die neuen Technologien verändern Abläufe und Prozesse. Sie erfordern den Willen zu investieren und eine kontinuierliche Weiterbildungsbereitschaft der Mitarbeiter“, betont Lobenstein. In Kombination mit dem aktuellen Konjunkturbericht der Handwerkskammer Erfurt, deren Präsident Lobenstein ist, wird die Brisanz seiner Forderung deutlich: Die Investitionstätigkeit ist „branchenübergreifend seit Jahren eher verhaltend“. Auf Dauer kann der Investitionsstau zu einer Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit führen. Handwerksunternehmer sind gefordert, aktiv zu werden.

Lobenstein betont auch die Chancen der Digitalisierung: „Es ergeben sich neue Märkte, neue Nischen, die findige Handwerksbetriebe durch individuelle und hochwertige Leistungen bedienen können.“ Zwar würden Betriebe schließen, traditionelle Handwerkstechniken aus dem Alltag verschwinden und sich Berufsbilder wandeln. „Aber das Handwerk wird auch in Zukunft gebraucht“, stellt er klar. In den vergangenen 500 Jahren jedenfalls haben Menschen in Thüringen Großartiges geleistet und geschaffen – diese gute Tradition habe Zukunft.

Förderübersicht: Wie das Wirtschaftsministerium hilft

Das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft unterstützt Handwerker mit Zuschüssen und Darlehen bei Fortbildung, Nachfolge, Gründung, Unternehmenswachstum und Digitalisierung. Achtung: Der Antrag muss vor Beginn eines Vorhabens gestellt werden.

  • Messen und Marketing
    Das Programm „Leistungssteigerung im Handwerk“ fördert die Beteiligung an Messen im In- und Ausland, die Umsetzung von Marketingmaßnahmen, wie Broschüren und Internetpräsentationen, und Leistungswettbewerbe der Handwerksjugend. Gefördert wird über finanzielle Zuwendungen – bei Messen bis zur Hälfte der zuwendungsfähigen Ausgaben (Standflächenmiete, Miete/Bau des Standes, Transport). Die Antragstellung erfolgt über eine Handwerksorganisation.
    Antrag und Infos : christiane.handy@gfaw-thueringen.de
  • Meisterprämie
    Die Jahrgangsbesten der Meisterfortbildung jedes Kammerbezirks und jedes geprüften Gewerks erhalten 1.000 Euro pro Person. Sofern mehrere Prüflinge das beste Ergebnis je Abschluss erreichen, werden alle betreffenden Neu-Meister in voller Höhe prämiert.
    Antrag und Infos: thueringen.de
  • Mitarbeiter als Digital Coach
    An dem im Kammerbezirk Südthüringens gestarteten Projekt „DigitalCoach“ nehmen bis zu zehn Handwerksbetriebe teil. In jedem Unternehmen wird ein Mitarbeiter ausgesucht, der in der Lage ist, digitale Technologien und Prozesse ungezwungen einzusetzen. Er wird im Laufe der Qualifizierung zum Digital Coach und Entscheidungsträger aufgebaut. Die Unternehmen müssen ihren DigitalCoach für die Fortbildungen freistellen, die Fortbildungskosten übernimmt der Freistaat.
    Mehr Infos : hwk-suedthueringen.de
  • Innovationsstrategie RIS3
    Regionale Forschungs- und Innovationsstrategie für intelligente Spezialisierung für Thüringen. Wer eine gute Idee oder ein innovatives Projekt hat, das die Wirtschaft und Wissenschaft stärkt, kann sich an RIS3 beteiligen. Die Idee kann in Foren präsentiert und die Anwendung sowie Weiterentwicklung diskutiert werden.
    cluster-thueringen.de/innovationsstrategie
  • Kompetenzzentrum Wirtschaft 4.0
    Ziel ist die Digitalisierung des Mittelstands. Das Kompetenzzentrum bietet persönliche Erst- und Orientierungsberatung zur Digitalisierung von Geschäftsprozessen. Es vermittelt Experten, organisiert Informationsveranstaltungen, Weiterbildungsangebote und Workshops. Außerdem stellt es die Plattform für Erfahrungsaustauschnetzwerke und zeigt Best-Practice-Beispiele bei der Digitalisierung des Handwerks. Ein neu etablierter Preis für innovative Lösungen sowie ein Wettbewerb für digitale Projekte sollen Anreize schaffen, neue Technologien einzusetzen. Funktionierende Praxis-Beispiele sollen für eine breitere Anwendung sorgen.
    thueringen40.de
  • Strategieberatung
    Förderfähig ist die Beratung durch Experten der Kammern und Fachverbände. Der Schwerpunkt liegt in der Beratung von Existenzgründern und bestehenden kleinen und mittleren Betrieben in allen Fragen der Unternehmensführung, der strategischen Weiterentwicklung und der Innovationstätigkeit. Unternehmer erhalten einen Zuschuss in Höhe von max. 50 Prozent der förderfähigen Ausgaben. Der Antrag erfolgt über die zuständige Kammer oder einen Fachverband.
    Antrag und Infos: gfaw-thueringen.de
  • Aufstiegs-BAföG
    Handwerker haben einen Rechtsanspruch auf Meisterkurse oder einen vergleichbaren Lehrgang. Förderfähig ist, wer 45.000 Euro oder weniger verdient. Die Grenze erhöht sich für einen Ehegatten und je Kind um 2.100 Euro. Gefördert wird per Zuschuss und zinsgünstigem Darlehen, maximal 15.000 Euro, davon 40 Prozent als Zuschuss. Bei Erfolg werden 40 Prozent des Darlehens erlassen. Für den Lebensunterhalt inklusive Ehepartner und betreute Kinder gibt es eine Extra-Förderung per erhöhtem BAföG-Bedarfssatz – davon bis zu 55 Prozent als nicht zurückzahlbarer Zuschuss.
    Antrag und Infos: aufstiegs-bafoeg.de