Die Baumann-Kolumne "Neues von der Werkbank" Kommentar: Mitarbeiterkapitalbeteiligung – wenn der Mitarbeiter zum Mitunternehmer werden soll

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Coronavirus, Neues von der Werkbank – Kolumne von Ruth Baumann und Vermögensaufbau

Aktuell wird die Mitarbeiterkapitalbeteiligung als möglicher Zugang zu Sachkapital von Betrieben heiß diskutiert. Versucht man etwa so, unseren Betrieben die Gewährleistung für politische Fehlentscheidungen aufzubürden? Dieser Thematik nimmt sich unsere Kolumnistin Ruth Baumann, Präsidentin der Unternehmerfrauen im Handwerk (ufh) Baden-Württemberg, in einer neuen Folge von „Neues von der Werkbank“ einmal genauer an.

Ruth Baumann, Landesvorsitzende ufh Baden-Württemberg
Die studierte Politologin und Handwerksunternehmerin Ruth Baumann vertritt seit 2008 als Präsidentin die Unternehmerfrauen im Handwerk in Baden-Württemberg (ufh). - © Antoinette Steinmüller Fotostudio

Die Bereitschaft, einen Betrieb zu übernehmen oder gar ein neues Unternehmen zu gründen, um so die Sicherung bestehender oder die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu gewährleisten, ist in den letzten Jahren gesunken. Während viele Betriebe zur Übernahme bereitstehen und auf der Suche nach Nachfolgern sind, haben Neugründungen mitunter das Problem, dass Arbeitszeit und Entlohnung gerade in den ersten Jahren an die persönlichen finanziellen Grenzen stoßen. Die Politik scheint hierfür ein „neues“ Allheilmittel gefunden zu haben: Mitarbeiterbeteiligung. Ist dies der Generalschlüssel für breite Beglückung unternehmerischer Verantwortung?

Selbst in Garagen können Weltkonzerne entstehen...

Mitarbeiterbeteiligung kann keine Lohnzahlung ersetzen, im höchsten Fall diese ergänzen. Wer eine Firma gründen oder übernehmen will, merkt sehr schnell, dass Arbeitszeitvorgaben oder Lohnhöhen auf dem Papier fixiert sind, aber für den Inhaber selbst keine Realität darstellen. Tüftler und Denker brauchen kein Korsett, sondern die Freiheit, Ideen zur Realität werden zu lassen. Selbst in Garagen können Weltkonzerne entstehen, wenn die Politik die Vertragsfreiheit mündiger Bürger respektiert.

Statt Betriebe zu sozialisieren, besser für steuerliche Entlastungen sorgen

Angesichts steigender Lebenshaltungskosten, teuren Wohnraums, nicht kalkulierbarer Energiekosten können Beteiligungen am Sachvermögen von Betrieben, dem nur wenig entgegensetzen. Zumal, der Einschub sei mir gestattet, garantiert auch hierbei Steuern für die neuen „Mitunternehmer“ anfallen werden. Wer Vermögensaufbau für die breite Bevölkerung anstrebt, sollte nicht Betriebe sozialisieren. Sondern stattdessen die gesamte Gesellschaft steuerlich entlasten und den Aufbau von privatem Vermögen, z. B. in Form von Immobilien, wieder ermöglichen und nicht weiter strangulieren. Es würde auch der eigenen Absicherung im Alter dienen.

Hat ein Mitarbeiter, der an einem Unternehmen beteiligt ist, nur Rechte oder auch Pflichten und damit Einschränkungen? Und mit welchen Folgen sehen sich inhabergeführte Betriebe konfrontiert?

Der strenge Blick der Sozialversicherung

Ab welcher Beteiligungsquote hat der Mitarbeiter einen unternehmerähnlichen Status? Die Sozialversicherung hat hierauf einen besonders ‚strengen’ Blick. Oder ereilt ihn/sie Jahre später das gleiche Schicksal, wie wir es früher bei de m vertraglich sauber und schriftlich vereinbarten Ehegattenarbeitsverhältnis erlebt haben? Als es aufgrund der jahrelang geleisteten Einzahlung in die Rentenversicherung um die Zahlung einer Rente ging, wurde nachträglich alles angezweifelt und ihnen – i.d.R. den Ehefrauen – ein unternehmerähnliches Verhältnis mit der Folge, dass keine Rente bezahlt wird, unterstellt. Die geleisteten Beiträge waren – oft – leider (!) verjährt.

Mehr Verantwortung statt weniger Freizeit?

Im Unterschied zur Politik wissen bereits heute viele Mitarbeiter, besonders in klein- und mittelständischen Betrieben, die enge Verbundenheit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber als Team zu schätzen. Das „Wir“ gründet auf gegenseitigem Vertrauen, Verlässlichkeit, Einsatz, faire und leistungsgerechte Entlohnung und bedarf nicht der dokumentierten Teilhabe am Betriebsvermögen. Verantwortung, Haftung, der Kampf mit Statistik, Bürokratie und Vorschriften, erscheinen als Freizeitbeschäftigung und für das Wochenende nur wenig erstrebenswert. Darin mag auch für viele die Entscheidung begründet sein, nicht selbst ein Geschäft zu leiten. Einbringen und Mitgestalten im betrieblichen Alltag ist dennoch möglich und gewünscht, im Mittelstand schon lange gelebte Praxis, bedarf aber nicht einer angestrebten „staatlichen Zwangsbeglückung“ durch den Gesetzgeber.

Fragen über Fragen

In dem politischen Gedankenspiel fehlen auch Aussagen, zu den Pflichten oder Änderungen, die gegebenenfalls auf den Mitarbeiter mit einer Betriebsbeteiligung zukommen könnten:

  • Ist mit den Rechten der Gestaltung im Unternehmen, auch eine Übernahme von Pflichten fällig?
  • Wie und in welchem Umfang müssen hierdurch Arbeitnehmer mit einer Haftung rechnen? In welchem Umfang? Womöglich auch unbeschränkt und mit Allem, was wir je erarbeitet haben, wie bei uns Unternehmern?
  • Gibt es Auswirkungen bei der Sozialversicherung? Bleiben die Ansprüche auf Arbeitslosengeld, Kurzarbeitergeld, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Versicherung in der Berufsgenossenschaft durch Beteiligung am Betrieb und somit „Mitunternehmertum“ noch bestehen? Wenn ja, in welcher Höhe?
  • Und, und, und, …

Auf der anderen Seite sei auch noch die Frage erlaubt, wie man sich die Auswirkungen von Mitarbeiterbeteiligungen auf die Bonität und das Ranking des Unternehmens vorstellt! Hier sind Regelungen unbedingt vorher erforderlich. Diese von den Politikern zu erwarten, dürfte vergebliches Hoffen sein! Vielleicht wären sie auch einfach nur überfordert.

Ein neuer Markt für Investoren?

Die Pandemie wird viele Betriebe zu Bankgesprächen, Darlehensanfragen und strategischer Neuausrichtung zwingen. Es bleibt dann abzuwarten, wie Betriebsvermögen, das in Form von Mitarbeiterbeteiligungen existiert, behandelt werden wird. Ist es von der Haftung freigestellt, hat es überhaupt Eigenkapital- oder sogar Fremdgeldcharakter, etc. Vielleicht entsteht aber auch ein neuer Markt für Investoren, ein politisch gewolltes Einfallstor, um so, quasi durch die Hintertür, Unternehmen zu übernehmen und ins Ausland zu transferieren. Das würde einer gezielten politischen kalten Enteignung des/der inländischen Unternehmen gleichkommen.

Wer ernsthaft eine breite Teilhabe der Bevölkerung am Vermögensaufbau anstrebt, sollte zunächst einmal „seine ureigensten Hausaufgaben“ machen. Steuerlasten, sei es bei Arbeitnehmern oder Arbeitgebern, sind zu senken, die Staatsquote muss reduziert werden, damit auch im eigenen Tun die Basis zur ureigensten und selbstverantwortlichen Absicherung bestehen kann. Die Aufgabe des Staates besteht nicht darin, Kosten so nach oben zu treiben, bis sie ohne Eingriffe in das Recht auf Eigentum nicht mehr finanzierbar sind.

Besser zurück zu mehr Vertrauen in die Politik

Mitarbeiterbeteiligung wird nicht die Lebenshaltungskosten abmildern oder die Altersarmut abfedern können. Ganz im Gegenteil: Eine gerechtere Steuerpolitik, endlich die Berücksichtigung von Arbeitgeberbeiträgen in der Rentenberechnung für den jeweiligen Arbeitnehmer, für den der Arbeitgeber die Beiträge bezahlt hat, und die selbstgewollte eigene Vermögensbildung , z. B. durch die eigengenutzte Immobilie, zu unterstützen, könnten dies dagegen schon. Als Lohn könnten bzw. dürften die Politiker auf eine Umkehr des Vertrauensschwundes in die Politik hoffen.