Stundung: Fiskus hilft bei klammer Kasse

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Steuerbescheid

Schwere Krankheit oder Insolvenz eines Großkunden? Unternehmer kommen mitunter in die Situation, ihre Steuern an den Fiskus nicht fristgerecht zahlen zu können. Wann das Finanzamt Nachsicht zeigt.

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    „Erhebliche Außenstände oder zögerlicher Auftragseingang reichen nicht für die Stundung.“ Wiebke Girolstein, ­Landesamt für Steuern in Koblenz.
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    Es kann jeden treffen: Selbst kleinste Betriebe bleiben von hohen Nachzahlungen bei Betriebsprüfungen nicht verschont. Gut, wenn der Fiskus dann einen Zahlungsaufschub gewährt.
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    „Bei einer guten Begründung sind Minderungen der Vorauszahlungen unproblematisch.“ Thilo Söhngen, ­ Steuerberater im west­fälischen Wetter.
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    Mit Nachzahlungen macht der Staat Kasse –allein über 2,5 Mrd. Euro an Zinsen im Jahr 2014.
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    Im Erdboden müssen klamme Handwerker nicht gleich versinken, wenn der Fiskus ruft.

So viel ist klar: Der Fiskus ist gierig. Sein Geld will er pünktlich kassieren. Maximal drei Tage gewährt das Finanzamt Schonfrist für fällige Steuern. Die Zeit ist knapp. Wenn Unternehmer mit einer hohen Nachzahlung etwa in Folge einer Betriebsprüfung konfrontiert werden, kommen viele Firmenchefs ins Schwitzen. Denn die genaue Höhe und der Zahlungstermin lassen sich nicht planen. Im vergangenen Jahr veranschlagten die Finanzämter bei Mittelbetrieben fast 1,3 Milliarden Euro Nachzahlungen, bei Kleinbetrieben 718 Millionen Euro. Der größte Teil entfiel auf Körperschaft-, Einkommen- und Gewerbesteuer. Das Problem: Die meisten Firmenchefs bilden für solche Eventualitäten keine Steuerrücklage.

Silberstreif am Horizont: „Wenn Unternehmen zu wenig flüssige Mittel haben, um fristgerecht ihre Steuerschuld zu begleichen, können sie in bestimmten Fällen einen Antrag auf Stundung stellen“, erklärt Thilo Söhngen, Vizepräsident des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe und Steuerberater im westfälischen Wetter. Das hört sich gut an. Hat aber einen Haken: „Die Finanzbeamten müssen bei der Bewilligung strenge Maßstäbe anlegen. Schließlich geht es um das Geld der Steuerzahler“, kommentiert Söhngen. Das regelt Paragraf 222 der Abgabenordnung. Nichts ist peinlicher für die Sachbearbeiter, als einen maroden Betrieb zu unterstützen, der seine Steuern später doch nicht zahlen kann. Es hängt also für eine Stundung wesentlich davon ab, ob der Unternehmer seinen Antrag gut begründen kann.

Ein viel beachtetes Urteil

Dabei sind die Ermessensspielräume der Beamten recht eng. Je höher der Betrag, um den es geht, desto mehr Informationen erwartet das Finanzamt. Und desto besser sollte der Antrag vorbereitet werden. „Für eine Stundung ist es maßgebend, dass die Einziehung der Steuerzahlung zum Zeitpunkt der Fälligkeit für den Schuldner eine erhebliche Härte bedeutet“, erklärt Wiebke Girolstein vom Landesamt für Steuern in Koblenz. Die Finanzverwaltung prüft das kritisch. „Dafür ist es erforderlich, dass der Steuerpflichtige seinen Antrag ausführlich und glaubhaft begründet“, meint Girolstein.

Im Klartext heißt das: Der Handwerkschef weist nach, dass er nicht in der Lage ist, die finanziellen Mittel auf zumutbare Weise zu beschaffen. „Begründungen allgemeiner Art wie erhebliche Außenstände, angespannte finanzielle Situation, schleppender Auftragseingang, fehlende Zahlungsfähigkeit sind nicht ausreichend“, warnt Girolstein.

Am besten legt der Unternehmer seine gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse offen und macht den Finanzbeamten klar, dass die Steuerzahlung für ihn eine unbillige Härte bedeuten würde. Er erklärt, weshalb ihm die Überweisung nicht möglich ist und weshalb er seinen Liquiditätsengpass nicht voraussehen konnte. Ein viel beachtetes Urteil dazu kommt vom Sächsischen Finanzgericht (Az.: 8 K 1870/12). Danach liegt nicht erst dann eine erhebliche Härte vor, wenn bereits Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Das Finanzamt sollte bereits Stundung gewähren, wenn der Firmenchef sonst seine laufenden Rechnungen nicht mehr begleichen kann und womöglich kein Geld mehr für die private Lebensführung hat. Der Unternehmer muss also nicht schon völlig blank sein, bevor er um Stundung nachsucht.

Der Aufwand ist hoch

Er sollte aber Maßnahmen eingeleitet haben, um sein Problem zu beheben. Außerdem sollte er mit Zahlungseingängen in Kürze rechnen. Dazu präsentiert er dem Finanzamt eine Planung der Ertrags- und Liquiditätslage für die nächsten sechs Monate.

Dem Antrag sind alle Belege sowie möglichst noch ein Tilgungsplan beizulegen. Das Finanzamt verlangt in der Regel auch Sicherheiten wie jeder andere Gläubiger auch. Der Unternehmer sollte eine Bescheinigung der Bank in der Hand haben, dass diese nicht bereit ist, die Steuerzahlung vorzufinanzieren. Die Vorgabe ist ein wenig heikel: Das Institut bekundet damit indirekt Zweifel an der Sicherheit der Kredite. „Besteht zwischen den Parteien aber ein Vertrauensverhältnis, sollte das Schriftstück jedoch möglich sein, ohne bestehende Finanzierungen zu gefährden“, meint Söhngen aus Erfahrung.

Im Zweifel kann das Finanzamt die wirtschaftlichen Verhältnisse auch anhand eines Fragebogens ermitteln. „Der Steuerpflichtige hat darin Angaben über seine aktuelle und künftige Einkommens- und Vermögenssituation sowie über die Möglichkeit der Aufnahme eines Kredits zu machen und diese anhand von Belegen nachzuweisen“, sagt Girolstein.

Unterm Strich zeigt das alles, mit welchem hohen Aufwand der Stundungsantrag für beide Seiten verbunden ist. Um das Verfahren zu beschleunigen, setzen manche Oberfinanzdirektionen Liquiditätsprüfer ein. Auf Wunsch des Unternehmers oder zur Prüfung gestellter Anträge kommen die Beamten ins Haus. Sie machen sich ein Bild der Lage vor Ort. Ab einer Steuerschuld von rund 50 000 Euro kann es losgehen. Der Grundsatz der Gleichbehandlung verbietet es aber jedem Beamten, Firmen kurz vor der Insolvenz noch zu unterstützen. Experte Söhngen beobachtet hier eine härtere Gangart des Finanzamts in der Anwendung der Gesetze, zumindest in Nordrhein-Westfalen: „Firmen, die immer wieder ihre Steuern verspätet zahlen, nimmt die Finanzverwaltung derzeit verstärkt ins Visier.“ Die Beamten prüfen regelmäßig, ob die Firma eventuell schon Insolvenz anmelden sollte. „Nach unserer Erfahrung scheuen sich die Finanzämter nicht, als letztes Mittel auch einen Insolvenzantrag zu stellen“, warnt Söhngen vor den Konsequenzen.

Notorische Spätzahler im Nachteil

Noch schlimmer: Wenn Unternehmer mehrfach Steuern zu spät zahlen, kann dies den Anlass für ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren geben – wegen temporärer Steuerverkürzung oder -hinterziehung. „Wir beobachten dies in erster Linie im Zusammenhang mit Lohnsteuer- oder Umsatzsteuerzahlungen“, sagt Söhngen. Hintergrund: Bei der Lohnsteuer jongliert der Unternehmer mit dem Geld seiner Mitarbeiter. Deshalb kennt das Finanzamt hier kein Pardon. Die Umsatzsteuer stellt der Handwerksunternehmer nur für den Fiskus in Rechnung (siehe „Was der Fiskus genehmigt“).

Bei notorischen Spätzahlern dürfte eine Steuerstundung also schwierig werden. „Es gibt aber genügend Situationen, in denen ein ansonsten ordentlich aufgestellter Unternehmer durch eine Verkettung unglücklicher Umstände in einen Zahlungsengpass kommt und sich selbst nicht mehr helfen kann“, weiß Söhngen. Dazu gehört zum Beispiel der Zahlungsausfall eines Großkunden (siehe „Mit guten Argumenten punkten“, Seite 65). Wenn der Handwerksunternehmer die Liquiditätsschwäche nicht selbst zu verantworten hat, ist seine Steuerschuld prinzipiell erst einmal stundungswürdig. Es darf sich aber nicht um einen saisonalen Umsatzeinbruch handeln. Denn darauf sollte sich der Firmenchef immer frühzeitig einstellen, werden die Finanzbeamten argumentieren.

Zinslast nicht unterschätzen

Wird die Stundung bewilligt, kostet das. Es fallen Zinsen an, berechnet nach der Dauer des Zahlungsaufschubs mit einem Zinssatz von 0,5 Prozent pro Monat. Zusätzlich kommen noch Säumniszinsen hinzu, falls der Unternehmer nicht rechtzeitig um Aufschub bittet. Das sollte möglichst einen Monat vor Fälligkeit passieren, um einen Zeitpuffer zu haben. Denn Säumniszinsen betragen ein Prozent pro Monat. In der Regel stundet der Fiskus die Abgaben bis zu drei, ausnahmsweise sechs Monaten. Unternehmer, die mehr Zeit brauchen, können ein wenig tricksen. Sie vereinbaren eine höhere Schlussrate, die sie gut begründen. Ist dann die Zahlung am Ende doch nicht möglich und sind alle bisherigen Raten termingerecht geflossen, wird einer Anschlussstundung wenig im Wege stehen. Dann erkennt das Finanzamt den guten Willen und gewährt normalerweise nochmals für weitere Monate Aufschub. Wer gleich mit der Tür ins Haus fällt und Stundung für ein Jahr beantragt, bringt damit eine Lawine der Kompetenzen ins Rollen. Dann geht die Sache mindestens zum Vorsteher des Finanzamtes oder direkt zur Oberfinanzdirektion.

Wird der Antrag abgelehnt, bleibt dem Firmenchef eine Hintertür offen (siehe „So sehen es die Richter“, rechte Spalte). Innerhalb von vier Wochen, nachdem der Stundungsantrag abgelehnt wurde, gewährt der Fiskus vorläufigen Vollstreckungsschutz. Wer innerhalb dieser Zeit Geld aufbringen kann, hat nichts zu befürchten. Nur die hohen Säumniszinsen fallen an. Auf Antrag kann die Hälfte der Zuschläge erlassen werden.

Mit guten Argumenten punkten

Verschiedene sachliche oder auch persönliche Gründe können für einen Zahlungsaufschub durch den Fiskus sprechen. Zum Beispiel:

  • Ein Kunde hat eine hohe Rechnung nicht pünktlich beglichen. Es läuft ein Mahnverfahren. Der Anspruch des Unternehmers ist berechtigt. Der Geldeingang ist innerhalb der nächsten Tage oder Wochen zu erwarten.
  • Der Unternehmer konnte mit einer Steuernachzahlung in dieser Höhe aufgrund einer Betriebsprüfung nicht rechnen. Er hatte keine Möglichkeit, das Geld frühzeitig zurückzulegen, und erhält jetzt von der Bank keinen Kredit.
  • Es kam im Betrieb zu einem dramatischen Umsatzeinbruch. Beispielsweise, weil der Firmenchef mehrere Monate krank war. Oder ein schwerer Sturm bzw. eine Überschwemmung (Stichwort Naturkatastrophen) zu einer Betriebsunterbrechung führten.

Was der Fiskus genehmigt

Gute Vorbereitung ist das A und O. Nur wer seine Lage detailliert erläutert, setzt sich gegen das Finanzamt durch. Die wichtigsten Details:
  1. Welche Steuern? Tabu ist die Lohnsteuer. Denn dabei handelt es sich um fremdes Geld, eben um jenes der Mitarbeiter. Schwierig wird es auch bei der Umsatzsteuer. Weil der Unternehmer sie selbst in Rechnung stellt, sehen die Beamten ihn damit nicht wirtschaftlich belastet. Realistische Chancen auf Stundung bestehen bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer sowie der Gewerbesteuer.
  2. Welche Unterlagen? Einzureichen sind umfangreiche Belege über den Vermögens- und Liquiditätsstatus (Ertrags- und Finanzplan) sowie ein Tilgungsplan. Das Finanzamt will wissen, welche Maßnahmen eingeleitet wurden, um den Liquiditätsengpass zu beenden. Überdies will der Fiskus wissen, wann der Firmenchef mit welchen Zahlungseingängen rechnen kann. Oft ist auch nachzuweisen, dass die Bank keinen Kredit mehr gibt. Lediglich bei Anträgen bis 5000 Euro und einer Stundungslaufzeit von längstens vier Monaten können die Nachweis- und Vorlagepflichten deutlich geringer sein. Dann genügt vielleicht schon eine kurze Erklärung mit Angaben dazu, wann mit der Überweisung zu rechnen ist. Der Antragsteller muss seinen steuerlichen Verpflichtungen ansonsten aber immer zuverlässig nachgekommen sein.
  3. Welche Kosten? Mit der letzten Rate fallen Zinsen an. Berechnet nach der Dauer des Zahlungsaufschubs (maximal sechs Monate) mit einem Zins von 0,5 Prozent pro Monat. Möglicherweise kommen Säumniszinsen von einem Prozent monatlich hinzu, falls der Antrag zu spät eingereicht wird.

Urteile: So sehen es die Richter

In den vergangenen Jahren hatten die Gerichte immer wieder über spezielle Fragen rund um Stundung und Säumniszuschläge zu entscheiden.

Aussetzung der Vollziehung. Das Finanzamt kann prinzipiell eine Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung gewähren (Finanzgericht Hamburg, Az.: 3 V 16/13). Das gilt, falls sicher erscheint, dass der Steuerpflichtige seine fiskalischen Schulden später begleichen kann. Der Firmenchef legt dar, warum Sicherheiten nicht notwendig sind.

Stundung der Erbschaftsteuer. Die Freibeträge unter Familienangehörigen sind zwar relativ hoch – versterben die Eltern, haben die Kinder immerhin 400 000 Euro offen. Anders sieht es aber aus, falls entfernte Verwandte oder Freunde begünstigt werden. Dann ist der Fiskus schnell mit hohen Erbschaftsteuerforderungen dabei. Das Finanzgericht Köln (Az.: 9 V 1481/12) stellte in einem Fall klar, dass Zahlungspflichten gegenüber anderen Erben kein Stundungsgrund sind. Danach scheidet ein Zahlungsaufschub aus, ­solange der Steuerzahler das Geld aus seinem ererbten Vermögen auf­bringen kann. Der Erbe muss notfalls einen Kredit aufnehmen, um seine Steuern zu bezahlen.

Weniger Säumniszuschläge. Die obersten Finanzrichter (BFH, Az.: V R 2/04) haben entschieden, dass Säumniszuschläge als Druckmittel für Steuerzahler dienen. Sie sind zu erlassen, wenn sie diese Funktion verloren haben. Der Steuerzahler soll damit nur angehalten werden, pünktlich seine Abgaben zu leisten. Säumniszuschläge sind allerdings auch dazu da, die erhöhten Verwaltungskosten zu decken, die mit einer verspäteten Zahlung verbunden sind.