Straftat Steuerhinterziehung: Von der Steueroase ins Gefängnis

Aufgekaufte CDs, Anzeigen und Kontrollmitteilungen vertreiben zehntausende Steuersünder, auch Handwerksunternehmer, aus den vermeintlichen Steueroasen. Strafen und Auswege im Überblick.

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    Ein Kavaliersdelikt ist die Steuerhinterziehung allenfalls bei vergleichsweise geringen Beträgen bis 1000 Euro, die Sünder dem Staat vorenthalten. Das Gericht stellt die Verfahren ein, die Täter sind nicht vorbestraft. Bei hohen Beträgen aber drohen saftige Geld- und Freiheitsstrafen ohne Bewährung.
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    Ex-Steuerparadies: Seitdem aus schweizer Banken CDs geschleust werden, sind die Anleger aufgeschreckt.
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    Uli Hoeneß, Präsident des FC Bayern München, hat reumütig Selbstanzeige erstattet.
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    Ergiebige Quelle: Immer stärker sprudeln die ­Einnahmen des Staates von Steuersündern.
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    „Die Finanz­ämter erhalten sukzessive mehr Möglichkeiten, Steuerbetrug auf­zudecken.“ Thomas Buschner, Rechtsanwalt in ­München.

Von der Oase ins Gefängnis

Uli Hoeneß liebt das Risiko: Der Wurstfabrikant und Präsident des sehr erfolgreichen FC Bayern München soll in den Jahren zwischen 2002 und 2006 an der Börse heftig gezockt haben. Die Spekulationen liefen über Konten in der Schweiz. Anscheinend realisierte er Gewinne, aber auch Verluste an der Steuer vorbei. Im Januar hat er sich, wegen Steuerhinterziehung selbst angezeigt. Wie die Sache für ihn ausgeht, ist offen. Denn die Behörden ermitteln, ob die Angaben in der Selbstanzeige vollständig und korrekt sind. Im schlimmsten Fall droht dem Spekulant eine Gefängnisstrafe. Im Optimalfall geht er straffrei aus. Die Causa Hoeneß hat eine Flut von Selbstanzeigen ausgelöst. Die Bild-Zeitung titelte Ende Mai wie gewohnt plakativ „Hoeneß-Effekt: Drei Mal mehr Selbstanzeigen beim Finanzamt.“

Steuersünder alarmiert

Danach gingen allein in Nordrhein-Westfalen mehr als 700 Selbstbezichtigungen ein, in Baden-Württemberg waren es rund 400 und in Rheinland-Pfalz etwa 200. Tendenz steigend. Denn viele Steuersünder sind alarmiert und werden nervös. Zu Recht, wie Thomas Buschner, Rechtsanwalt der Anwaltskanzlei Leipold in München, bestätigt: „Die Finanzämter erhalten sukzessive mehr Möglichkeiten, dem Steuerbetrug auf die Spur zu kommen.“ Gleichzeitig ziehen die Gerichte die Strafen deutlich an (siehe „Strafen für Sünder“, Seite 13). „Steuerhinterziehung wird längst nicht mehr als Kavaliersdelikt gesehen“, kommentiert Anton-R. Götzenberger, Steuerberater und Autor des Buches „Auslandsvermögen richtig legalisieren“ (siehe Aktion Seite 18 sowie Interview Seite 16). Deshalb geraten inzwischen zunehmend auch ehrliche Steuerzahler ins Visier des Finanzamts – sogar allein aufgrund kleiner Unstimmigkeiten in den Steuererklärungen. Anlass genug also für Handwerksunternehmer, Risikominimierung zu betreiben, um sich vor dem Zugriff der Steuerfahnder zu schützen.

  • Rat: Daten und Fakten prüfen
  • Steuerbetrüger sollten schnellstmöglich ein klärendes Gespräch mit ihrem Steuerberater führen, um das richtige Verhalten zu besprechen.
    Prüfen Sie die angegebenen Beträge exakt. Leis-ten Sie sich keine Nachlässigkeiten. Die ausländische Bank übermittelt Belege.

Automatischer Datentransfer

Das Netz der Kontrollmechanismen jedenfalls wird immer enger. „Aufdeckungsgefahren drohten Steuerhinterziehern zwar schon immer. Doch der neu entdeckte Datenhandel sprengt den bisherigen Rahmen“, kommentiert Götzenberger. Die EU hat einen automatischen Datenaustausch ausländischer Bankdaten beschlossen. Ab Ende des Jahres soll der Informationsfluss innerhalb Europas laufen. Bisher muss noch ein Verdacht vonseiten der Behörden vorliegen, um an die sensiblen Daten zu kommen.

Steuerbetrüger sollten also wachsam sein: „Damit werden automatisch alle Taten aufgedeckt“, erklärt Götzenberger. Selbst Luxemburg und Österreich ziehen vermutlich mit. Auch sind Abkommen mit Ländern wie Liechtenstein, Monaco, San Marino oder Andorra angesagt. Sogar die Schweiz, mit der im Winter eine Vereinbarung gescheitert ist, hat erneut Gesprächsbereitschaft signalisiert. „Die genauen Zeitpläne sind zwar noch offen. Doch das Ende des Bankgeheimnisses ist quasi schon besiegelt“, so Thomas Buschner.

Umstrittener Datenankauf

Damit dürfte dann auch der Ankauf teurer Daten-CDs der Vergangenheit angehören. Eine enorme Erleichterung für die Behörden: Denn zum einen ist der Ankauf politisch höchst umstritten. Zum anderen halten viele Experten diese Form der Datenbeschaffung für rechtlich grenzwertig, selbst wenn das Bundesverfassungsgericht dieses Verfahren grundsätzlich abgesegnet hat. Erst im April wurden nach dem Kauf einer Steuerdaten-CD durch Rheinland-Pfalz im gesamten Bundesgebiet mehr als 200 Wohnungen und Häuser durchsucht. Rund 40 000 Datensätze hatten die Behörden zuvor ausgewertet. Für die Informationen sollen sie 4,41 Millionen Euro bezahlt haben. Schätzungsweise 500 Millionen Euro Einnahmen sollen daraus generiert werden.

Die Steuerfahnder sind bei Steuerbetrug schnell bei der Hand (siehe „Razzia im Betrieb“, Seite 17). „Die Beamten stehen fast immer unangemeldet vor der Tür und durchsuchen gnadenlos die privaten oder auch die betrieblichen Räumlichkeiten“, sagt Steuerexperte Götzenberger. Nach der Auswertung der Daten-CDs oder – auch das kommt häufig vor – etwa anonymen Hinweisen sowie Kontrollmitteilungen anderer Finanzämter erfolgt im Regelfall im ersten Schritt ein Abgleich mit Steuerunterlagen. Stellen die Finanzbeamten Unregelmäßigkeiten fest, geht es los. Stoßen die Fahnder bei der Razzia dann auf steuerrelevante Unterlagen, die den Verdacht der Steuerhinterziehung bestätigen, drohen den Betroffenen im absoluten Extremfall einige Jahre hinter Gittern.

Horrende Strafen

„Die Hürden dafür sind in den vergangenen Jahren deutlich herabgesetzt worden“, warnt Anton R. Götzenberger. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs drohen Haftstrafen ohne Bewährung bereits, wenn mehr als eine Million Euro Steuern hinterzogen wurden. Ab 100000 Euro kommt es zu Freiheitsstrafen mit Bewährung (siehe „Bankgeheimnis“, Seite 14).

Ein Risiko, das Werner Brachmann (Name geändert). Handwerksmeister mit eigenem Unternehmen in Nordrhein-Westfalen, nicht eingehen will. Der Firmenchef führt einen Schrei-nerbetrieb mit rund 30 Mitarbeitern, speziali siert auf dicke Lackbeschichtungen von Tischen und Tresen. Der Betriebswirt entwickelte einen Speziallack, den er günstig herstellt – gegenüber dem Finanzamt aber über Jahrzehnte teurer deklariert hat. Der Differenzbetrag ist in eine schweizerische Scheinfirma geflossen. Brachmanns schwarzes Vermögen beläuft sich auf rund drei Millionen Euro. Der unehrliche Handwerksunternehmer plant, in diesen Wochen mit dem Fiskus reinen Tisch zu machen – auch um seine Familie nicht zu belasten.

Kein Unrechtsbewusstsein

Dabei sieht sich der Firmenchef nicht einmal als Betrüger. Schließlich, so seine Argumenta-tion, hat er in seinem Leben bereits viel zu viel Steuern gezahlt. „Damit begründen viele Handwerksunternehmer eine Steuerhinterziehung“, weiß Hans-Kaspar von Schönfels, Chefredakteur des Magazins Elite Report in München. Ihnen fehlt jegliches Unrechtsbewusstsein: „Für sie verdient der Staat sowieso genug und greift mit seiner Bürokratie immer tiefer in das Vermögen der Betriebe“, erklärt von Schönfels.

So denkt Unternehmer Leopold Huber (Name ebenfalls geändert). Der Zimmermeister führt in einem kleinen Ort in Bayern einen Betrieb mit zehn Mitarbeitern. Der Firmenchef hat in seinen Steuererklärungen über viele Jahre nur einen Bruchteil der Umsätze angegeben. Das Schwarzgeld liegt in der Schweiz auf der hohen Kante – inzwischen eine stattliche Summe von rund 15 Millionen Euro. An eine Selbstanzeige denkt der Firmenchef aber nicht.

Genauso wie bei Schlossermeister Eugen Schmelzle, der seinen richtigen Namen ebenfalls nicht nennen will. In Baden-Württemberg führt er eine Firma mit neun Mitarbeitern. Rund eine Million Euro hat er am Finanzamt vorbei verdient. Ganz einfach: Der clevere Unternehmer entwickelte vor vielen Jahren ein Spezialverfahren für verschleißfreie Kugellager. Dafür vergibt er bis heute am Fiskus vorbei Lizenzen, die ihm eine stattliche Summe einbringen. Die Einnahmen liegen in der Schweiz. Der 65-Jährige will seine schwarzen Kassen keinesfalls offenlegen. Für seine geniale Idee will er eine gerechte Vergütung.

Selbstanzeige als Ausweg

Huber und Schmelzle verfolgen eine unmoralische wie gefährliche Einstellung: Schließlich ist das Risiko der Entdeckung immer da. Eine saubere Lösung kann nur die Selbstanzeige sein. „Sie allein bietet die Möglichkeit, bei Steuerhinterziehung eine Chance auf Strafbefreiung oder zumindest Strafmilderung zu haben“, erklärt Buschner. Wer seine Sünden bekennen will, muss aber bereit sein, „Tabula rasa“ zu machen – über alle Jahre und alle Steuerarten hinweg sind die hinterzogenen Beträge nachzuversteuern. „Es kann schwierig werden, die exakten Beträge zu ermitteln“, so Buschner.

Die Selbstanzeige wird teuer: Um straffrei zu bleiben, zahlt der Firmenchef zügig seine Steuern plus sechs Prozent Zinsen nach, außerdem ab 50000 Euro noch zusätzlich fünf Prozent Zuschlag auf die hinterzogenen Steuern.

Auch Hoeneß soll mit der Selbstanzeige bereits eine Abschlagszahlung von fast sechs Millionen Euro gezahlt haben. Ein Anfang.