Steueroasen: Erst Europa, dann die Welt

Nicht nur in Europa ist das Bankgeheimnis ein Auslaufmodell: Steueroasen aus aller Welt liefern künftig Daten – und das nicht nur über Kapitalerträge. Doch einige Schlupflöcher bleiben. Ein Überblick.

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    © Illustration: Thomas Di Paolo
    Immer mehr Staaten stopfen ihre Steuerschlupflöcher und geben das Bankgeheimnis auf.
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    „Kapital­erträge werden in Zukunft ­nahezu vollständig erfasst und gemeldet.“ Björn Demuth, ­Steuerberater bei CMS Hasche Sigle in Stuttgart.
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    © imago/Sommer
    Deutsche Staatsbürger, die Auslandsimmobilien unter der Hand vermieten, müssen künftig mit Entdeckung rechnen.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) rief vor wenigen Wochen auf der Weltsteuer-Konferenz in Berlin eine neue Ära aus: „Das Bankgeheimnis in seiner alten Form hat ausgedient. Steuerhinterziehung wird sich nicht mehr lohnen.“

Keine sicheren Gefilde für Steuerhinterziehung

Tatsächlich markiert der 29. Oktober einen Wendepunkt: 51 Länder und Territorien verpflichteten sich zu einem umfassenden automatischen Informationsaustausch – darunter beliebte Steueroasen wie Luxemburg, Liechtenstein und die Kanalinsel Jersey .

Ein großer Erfolg für Schäuble, der das Abkommen gemeinsam mit seinem britischen Amtskollegen George Osborne vorangetrieben hatte. Das Bankgeheimnis fällt damit grenzen- und lückenloser als von vielen erwartet – zumal weitere, einst verschwiegene Finanzplätze wie die Schweiz und Singapur bereits angekündigt haben, nachzuziehen. Außerdem werden nicht nur Informationen über Zinsen und Dividenden fließen, sondern über zahlreiche weitere Einnahmen, etwa Versicherungserträge und in vielen Fällen sogar Mieten. Zahlreiche deutsche Mittelständler, Erben und Topverdiener, die ihr Geld in vermeintliche sichere Gefilde verlagert oder in diskrete Vermögenswerte umgeschichtet haben, müssen deshalb nun wieder zittern.

Welche Länder liefern welche Steuerdaten?

Unmittelbar bevor steht das Inkrafttreten der neuen EU-Amtshilferichtlinie. Sie verpflichtet sämtliche Mitgliedstaaten – inklusive Luxemburg und Österreich –, ab 2015 andere EU-Länder ungefragt über M ieteinnahmen, Lebensversicherungserträge, Arbeitseinkünfte, Pensionen und Aufsichtsratsvergütungen zu informieren, die deren Einwohner vor Ort einstreichen.

Damit wird es beispielsweise ungemütlich für Anleger, die dortiges Schwarzgeld in Lebensversicherungen umgeschichtet haben. Dies war in den letzten Jahren eine beliebte Strategie, da Policen erst am Laufzeitende Erträge liefern – und dann ist die Hinterziehung meist verjährt (handwerk magazin 9/2014, Seite 64).

„Die Amtshilferichtlinie zielt unter anderem auf solche Gestaltungen ab“, sagt Marcus Hornig, Leiter Private Clients bei WTS in Düsseldorf. Auch Eigentümer von spanischen Fincas oder französischen Chalets, die schwarz an Feriengäste vermieten, dürften ins Visier des Fiskus geraten – schließlich werden auch Mieteinnahmen gemeldet. Und für Last-minute-Rettungsaktionen ist es in den meisten Fällen zu spät: Die Mitgliedstaaten liefern im Laufe des nächsten Jahres Daten über Einnahmen, die im Jahr 2014 erzielt wurden.

Ab wann werden die Daten geliefert?

Wann genau, steht noch nicht fest. „Zudem bleibt abzuwarten, ob tatsächlich alle Länder Mieteinnahmen und andere Erträge von EU-Ausländern erfasst haben“, meint Hornig. Darauf ankommen lassen sollte es aber niemand, rät er. Im Zweifel sollten Betroffene so schnell wie möglich eine Selbstanzeige abgeben .

Schon bald zündet die nächste Stufe der EU-Amtshilferichtlinie: Von 2017 an melden EU-Staaten erstmals Dividenden, Spekulationsgewinne und weitere Kapitalerträge, die Anlegern aus anderen EU-Ländern gutgeschrieben werden. Das haben die Finanzminister der Mitgliedstaaten Mitte Oktober beschlossen. Bisher wurden in der EU nur Zinsen gemeldet – außer von Banken in Luxemburg und Österreich, die stattdessen eine anonyme Quellensteuer von 35 Prozent abzogen. Doch auch die beiden einstigen Bastionen ziehen nun mit: Luxemburg meldet bereits ab 2015 Zinsen und dann ab 2017 sämtliche Kapitalerträge ausländischer Anleger.

Österreich und Luxemburg knicken ein

Bisher wurden in der EU nur Zinsen gemeldet – außer von Banken in Luxemburg und Österreich, die stattdessen eine anonyme Quellensteuer von 35 Prozent abzogen. Doch auch die beiden einstigen Bastionen ziehen nun mit: Luxemburg meldet bereits ab 2015 Zinsen und dann ab 2017 sämtliche Kapitalerträge ausländischer Anleger.

Österreich will zwar erst ab 2018 liefern – dann aber alles. Die Alpenrepublik hat zudem an anderer Stelle bereits große Zugeständnisse gemacht und liefert ausländischen Steuerfahndern auf Anfrage Kontodaten ab 2011 .

OECD-Standard verpflichtet 51 Länder und Territorien

Nicht ganz so weit wie die erweiterte EU-Amtshilfe ab 2017 geht der „OECD-Standard“, zu dem sich auf der Weltsteuer-Konferenz 51 Länder und Territorien verpflichtet haben.

Hier bleiben etwa Mieten und Pensionen außen vor“, sagt Björn Demuth, Partner bei CMS Hasche Sigle in Stuttgart. Allerdings werden Kapitalerträge ebenso umfassend gemeldet wie innerhalb der EU. Denn der Standard gilt nicht nur für Zinsen und Dividenden, sondern auch für „Erlöse aus der Veräußerung von Finanzvermögen“ und für Erträge aus Lebens- und Rentenversicherungen. Zudem müssen Banken je den Kontostand am Jahresanfang und -ende melden, sodass ungeklärte Zuwächse auffallen. „In solchen Fällen können die deutschen Finanzbehörden bei den Betroffenen nachhaken oder gleich einen gerichtlichen Durchsuchungsbeschluss beantragen“, warnt Demuth.

Zu den „Early Adopters“, die Erträge ab 2016 erfassen und im September 2017 erstmals liefern wollen, gehören etliche Steueroasen – darunter die bei Superreichen beliebten Britischen Jungferninseln und die Cayman Islands in der Karibik. Aber auch Finanzplätze, die „normale“ Schwarzgeld-Anleger lockten, etwa die Kanalinseln Guernsey und Jersey .

Schweiz und Singapur ziehen nach

Die Schweizer Regierung hat im Oktober angekündigt, von 2018 an Daten zu liefern – ein formelles Bekenntnis auf der Weltsteuerkonferenz sei aber nicht möglich, weil der Gesetzgebungsprozess noch laufe.

Dasselbe gilt für den Stadtstaat Singapur , der sich bereits im Mai zum OECD-Standard bekannt hat. Das dürfte bei zahlreichen deutschen Hinterziehern für Unruhe sorgen, die ihr Schwarzgeld in den letzten Jahren aus dem zunehmend transparenten Europa nach Fernost verlagert haben – vorzugsweise zur dortigen Niederlassung ihrer Schweizer Bank. „Dazu haben etliche Banker geraten“, berichtet ein Steuerfahnder. Kunden hätten dazu nicht mal persönlich erscheinen müssen, Konten seien „virtuell verlagert“ worden.

Welche Steueroasen bleiben übrig?

Steht das Bankgeheimnis also global vor dem Aus? Nicht ganz, etliche Länder haben sich bislang nicht zum OECD-Standard bekannt. Die meisten davon – etwa der Libanon, Liberia oder Brunei – dürften jedoch kaum Schwarzgeld anlocken. Ganz anders Panama: Das mittelamerikanische Land ist ein Rechtsstaat mit stabilem Finanzsektor – und könnte deshalb zur neuen Fluchtburg werden, fürchten Steuerfahnder.

Der Trick mit dem Zweitpass

Trotz aller legislatorischer Initiativen: Es bleiben einige Schlupflöcher erhalten. Manchem Schwarzgeld-Anleger könnte es etwa gelingen, die Bank im Ausland davon zu überzeugen, dass er vor Ort lebt und steuerpflichtig ist – und somit nicht unter die Meldepflicht fällt. „Dafür könnte es schon reichen, wenn er eine kleine Wohnung mietet“, sagt ein Steuerfahnder.

Um Zweifel der Banker zu zerstreuen, so die Befürchtung, könnte mancher sich zudem eine gefälschte „Ansässigkeitsbescheinigung“ oder sogar einen Pass besorgen. „Schon jetzt stoßen wir immer öfter auf Fälle, in denen Steuerhinterzieher ihr Konto mit einem zweiten Pass eröffnet haben“, berichtet ein Fahnder. Zwar verpflichtet der OECD-Standard Finanzinstitute, genau zu überprüfen, wo Kunden leben und steuerpflichtig sind. Allerdings sind die Vorgaben für „Bestandskonten“, die am Stichtag 1. Januar 2016 bereits existieren, weniger streng. Und gegen gute Fälschungen ist sowieso kein Kraut gewachsen. „ Die Kontrollmöglichkeiten der Banken haben Grenzen“, sagt Demuth.

Unternehmen, Stiftungen und Trusts

Bei Konten, die Unternehmen, Stiftungen oder Trusts gehören, müssen Banken künftig genau prüfen, wer der wahre Eigentümer ist – davon ausgenommen sind nur „Bestandskonten“ mit weniger als 250 000 Dollar, für die kein Steuerhinterzieher eigens eine Gesellschaft gründet. Doch auch hier sind die Kontrollmöglichkeiten der Banken begrenzt. Denn gerade bei diskreten Vehikeln wie Stiftungen und Trusts behauptet bisweilen ein Strohmann aus dem jeweiligen Land, der Eigentümer zu sein – obwohl er das Vermögen nur verwaltet. Banken können dies wegen des hohen Rechercheaufwands in aller Regel nicht überprüfen.

Damit bleiben Schlupflöcher – aber man braucht schon eine gehörige Portion kriminelle Energie und die nötigen finanziellen Reserven, um durchzuschlüpfen. Für normale Steuerhinterzieher aus dem Mittelstand besteht die größte Chance in der deutschen Bürokratie. Denn dass die Behörden es schaffen, die bevorstehende Datenflut zeitnah zu verarbeiten, muss angesichts zahlreicher Verzögerungen bei bisherigen IT-Projekten bezweifelt werden.