Nachfolgeplanung Nachfolge steuerfrei

Firmenchefs können den Betrieb steuerfrei auf ihre Kinder übertragen. Doch der Bundesfinanzhof will die Regelung abschaffen. Dringender Anlass für Handwerker, jetzt zu reagieren.

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    Andreas Lattka bekommt die Firma Schmidtsdorff Elektromotoren in Berlin per Schenkung übertragen.
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    Trotz hoher Freibeträge haben die Deutschen allein in 2011 über 4,2 Mrd. Euro Erbschaft- und Schenkungsteuer gezahlt.
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    Starthilfe: Andreas Lattka kann den Familienbetrieb voraussichtlich steuerfrei übernehmen.
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    Weniger als ein Drittel der Bundesbürger haben bereits ein Testament errichtet und ihre Vermögensübergabe geregelt.
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    „Jetzt besteht für viele Familienunternehmer Anlass, die Nachfolge zu planen.“ Albrecht Huber, Nachfolgeexperte und Steuerexperte in Kappelrodeck.

Steuerfreie Übergabe retten

Die Nachfolgeplanung des Traditionsbetriebs Schmidtsdorff Elektromotoren in Berlin läuft auf Hochtouren: „Wir haben uns bereits mit den Experten der Handwerkskammer und auch mit unserer Steuerberatungsgesellschaft zusammengesetzt“, erklärt Junior Andreas Lattka. Besprochen wurden in erster Linie betriebswirtschaftliche und steuerliche Fragen sowie Details zur Rechtsformwahl bei der Betriebsübergabe. Der Diplom-Ingenieur will das Handwerksunternehmen mit zwölf Mitarbeitern im nächsten Jahr von seinem Vater Siegfried Lattka übernehmen. Der Junior arbeitet seit fast zwanzig Jahren als Leiter des Familienbetriebs und unterstützt den Senior bei der Geschäftsführung.

Gutachten geplant

Jetzt haben die beiden im nächsten Schritt geplant, ein Wertgutachen bei der Handwerkskammer Berlin in Auftrag zu geben. „Mit der Expertise von einem unabhängigen Berater wollen wir uns bei der Nachfolge innerhalb der Familie absichern, auch falls Rückfragen vom Finanzamt kommen“, sagt Lattka. Die Übergabe soll im Wege einer Schenkung laufen. „Da die Freibeträge im Falle der Weiterführung sehr hoch sind, gehen wir davon aus, dass keine Schenkungsteuer dafür fällig wird“, so der Junior.

Kein Einzelfall: Viele Familienunternehmer übergeben den Betrieb frühzeitig an ihre Kinder - und wollen dabei Schenkungsteuer vermeiden. Die Chancen dafür stehen derzeit auch extrem gut. Denn es gelten hohe Freibeträge, wenn der Betrieb auf die Kinder übertragen wird. Und auch wer einem nahen Angehörigen Privatvermögen schenken will, kann mit der Großzügigkeit des Fiskus rechnen. Doch die derzeit generösen Regeln könnten bald gestrichen werden.

Nachfolge jetzt vorziehen

Der Bundesfinanzhof in München (Az. II R 9/11) hält in einem Beschluss die günstigen Bestimmungen gleich in mehreren Punkten für verfassungswidrig. Für die Richter in München geht die weitgehende Freistellung mittelständischer Betriebe von der Erbschaftsteuer deutlich zu weit. Sie haben die Bedenken dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt, das letztlich entscheidet .

„Das ist ein Anlass für viele Familienunternehmer, jetzt noch ihre Nachfolge zu planen“, erklärt Albrecht Huber, Steuerberater und Nachfolgeexperte in Kappelrodeck. „Es ist zu erwarten, dass das geltende Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht deutlich verschärft werden wird“, warnt Rüdiger Fromm, Fachanwalt für Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht in Koblenz. Clevere Seniorchefs klären also vorab, worauf es bei der steuerfreien Übertragung ankommt und welche individuellen Gestaltungsmöglichkeiten sich für sie dabei noch bieten (siehe auch Kasten Seite 51).

Immerhin gehen rund 22000 Firmen jedes Jahr auf einen Nachfolger über, so die aktuellen Zahlen des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn. Darüber hinaus haben rund 22 Prozent der Deutschen zwischen 100000 Euro und einer Million Euro privates Vermögen zu vergeben. Das ist Ergebnis einer aktuellen Studie des Marktforschungsinstituts Allensbach im Auftrag der Postbank. Die meisten Senioren wollen ihr Hab und Gut in die Hände ihrer Kinder (75 Prozent) und Enkelkinder (33 Prozent) legen. Immerhin 37 Prozent vermachen ihr Vermögen dem Ehepartner. Mehr als jeder Zweite plant allerdings, seine Werte nicht nur auf einen Glücklichen, sondern auf mehrere zu verteilen. Allerdings hat noch nicht einmal jeder Dritte bereits sein Testament gemacht, nur 41 Prozent haben wohl schon einmal daran gedacht (siehe Grafik links).

Testament machen

Der häufig fehlende letzte Wille ist ein Manko: „Denn wenn nichts geregelt wird, greift die gesetzliche Erbfolge“, warnt Berater Huber. Damit bildet sich häufig automatisch eine Erbengemeinschaft. Somit haben mehrere Köpfe über das Wohl und Wehe des Betriebs oder etwa Eigentum und Nutzung einer Immobilie im privaten Vermögen zu entscheiden. „Unternehmer stehen hier in der Verantwortung, frühzeitig Regelungen zu treffen, auch um den Fortbestand des Betriebes zu sichern“, so Albrecht Huber.

Vielfach laufen die Gestaltungen darauf hinaus, dass alle Firmenanteile dem Sohn oder der Tochter übertragen werden: „Mindestens ein halbes Jahr Planungsphase sollte der Unternehmer für eine solche vorweggenommene Erbfolge ansetzen“, sagt Rechtsanwalt Fromm.

Das 5-Jahres-Modell

Dabei hat ein Familienbetrieb die Wahl zwischen zwei begünstigten Modellen. Die Übergabe kann steuerfrei erfolgen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt werden. Beim sogenannten 5-Jahres-Modell ist der Junior verpflichtet, das Unternehmen mindestens fünf Jahre lang weiterzuführen. Er darf in dieser Zeit keine Mitarbeiter entlassen. Konkret muss die Lohnsumme zu 80 Prozent beibehalten werden. Ausgangspunkt ist der durchschnittliche Lohnaufwand der letzten fünf Jahre. Firmen mit weniger als 20 Mitarbeitern sind von der Regel ausgenommen. Das ist einer der Hauptkritikpunkte des BFH-Beschlusses, weil über 90 Prozent der Betriebe darunter fallen.

Auch darf das Verwaltungsvermögen - etwa Grundstücke und Immobilien - bei der Schenkung nicht mehr als 50 Prozent betragen. Der Jungunternehmer darf innerhalb der Fünf-Jahres-Frist maximal 150000 Euro privat entnehmen. „Rund 75 Prozent der Handwerksbetriebe können im Rahmen dieses Modells steuerfrei übertragen werden“, schätzt Experte Huber. Die Betriebsschenkung bleibt steuerfrei, wenn der Wert der Firma maximal rund 2,8 Millionen Euro beträgt. Das Finanzamt rechnet nach einem komplizierten Verfahren, das so funktioniert: Grundsätzlich unterliegen 85 Prozent des Verkehrswerts der Firma nicht der Schenkungsteuer. Die übrigen 15 Prozent sind steuerpflichtig. Es greift ein Abzugsbetrag von 150000 Euro. Liegt der Wert darüber, wird dieser abgeschmolzen (Details siehe Kasten Seite 49).

Alternative 7-Jahres-Modell

Bei einem sehr hohen Unternehmenswert kann der Beschenkte alternativ das sogenannte 7-Jahres-Modell wählen. Die Übertragung bleibt dann auf jeden Fall komplett steuerfrei, wenn das Verwaltungsvermögen nicht mehr als zehn Prozent beträgt. Die Firma muss statt fünf volle sieben Jahre weitergeführt werden, und die Lohnsumme bleibt zumindest gleich.

Innerhalb dieser Lösungen bieten sich noch verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten an. So hat der Seniorchef des Handwerksbetriebs zum Beispiel die Wahl, ob er an mehrere Kinder etwa einen Teilbetrieb überträgt. „Wichtig ist in diesem Fall, das Unternehmen eindeutig in verschiedene Sparten zu trennen. So sollten zum Beispiel einzelne Mitarbeiter später nicht für beide Chefs gleichzeitig arbeiten“, empfiehlt Huber. Zudem sollten Betriebsmittel dem jeweiligen Firmenteil klar zugeordnet werden können.

Auch kann es sich anbieten, frühzeitig private Vermögenswerte in Betriebsvermögen umzuwandeln. Und zwar bei verschiedenen Konstellationen: Angenommen, das Verwaltungsvermögen der Firma beträgt über 50 oder zehn Prozent - je nach dem gewählten Steuermodell für die Nachfolge. Die Betriebsübertragung wäre automatisch steuerpflichtig. Dann kann der Senior eine private Einlage zum Beispiel in Form von Bargeld leisten, um den Anteil des Verwaltungsvermögens insgesamt zu senken. Auch solche Möglichkeiten kritisiert der Bundesfinanzhof.

Eine Privateinlage kann sich zudem empfehlen, falls der Senior zu viel Vermögen hat, um es mit der Nachfolge steuerfrei auf seine Kinder zu übertragen. Konkret gilt das ab einem Hab und Gut von über 400000 Euro pro Elternteil aus dessen jeweiligem Vermögen (siehe Kasten Seite 50). Das Finanzamt wird den geschickten Schachzug in der Praxis aber nur akzeptieren, wenn zwischen der Einlage und der Betriebsübergabe mindestens zwei Jahre Zeit vergangen sind.

Bei Andreas Lattka werden solche Gestaltungen wohl nicht notwendig sein, um die Steuervorteile voll auszuschöpfen. Denn er und sein Vater können aufgrund der hohen Freibeträge noch enorme Spielräume bei der Vermögensübertragung nutzen. Das gilt für die privaten Werte und für das Vermögen der Firma. Für sie steht deshalb fest: „Mein Vater wird mir vermutlich alle Anteile am Betrieb auf einen Schlag übergeben“, so Lattka. Und der Junior hat sich zum Ziel gesetzt, die Firma noch weit länger als die steuerlich vorgeschriebenen fünf Jahre weiterzuführen. ◇

harald.klein@handwerk-magazin.de

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Eine Checkliste zur optimalen Nachfolgeplanung und den Schenkungsteuerrechner finden Sie hier: handwerk-magazin.de/11_2012

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