Steuerfahndung: Überraschung im Morgengrauen

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Wenn die Steuerpolizei früh morgens anrückt, ist der Betrieb erst einmal lahmgelegt. Das macht so manchen Handwerker ­nervös und in der Folge aggressiv. Doch Gefühlsausbrüche schaden nur.

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    Stress pur: Wenn die Staatsmacht anrückt, sollten Handwerker kühlen Kopf bewahren.
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    „Handwerksbetriebe sollten sich für den Notfall wappnen.“ Ulrike Grube, ­Rechtsanwältin bei Rödl & Partner, Nürnberg.

Als Firmenchef Hubert K. morgens gegen 7 Uhr auf das Betriebsgelände fährt, traut er seinen Augen nicht. Mehrere Polizeiwagen stehen vor der aufgebrochenen Eingangstür. Zuerst denkt er an einen Einbruch. Doch als er das Büro betritt, zeigen ihm die Einsatzleiter der Staatsanwaltschaft und der Steuerfahndung ihre Dienstmarken und halten ihm gleich den von einem Amtsrichter unterschriebenen Durchsuchungsbeschluss unter die Nase. Hubert K. steht unter Schock.

Wie sich später herausstellt, hegten die Beamten die Befürchtung, dass der Firmeninhaber oder einer seiner Mitarbeiter über ein iPhone oder einen externen Rechner die Betriebsdaten hätten löschen können. Deshalb beschlossen sie, den Betrieb bereits um 5 Uhr morgens aufzusuchen, die Eingangstür aufzubrechen und sich einen ersten Überblick zu verschaffen.

18 Milliarden Mehreinnahmen

Auch wenn der Name des Betroffenen geheim gehalten wird – der Fall hat sich so kürzlich in Hamburg zugetragen. Durchsuchungsmaßnahmen der Steuerfahndung kommen häufiger vor, als man denkt. Zwischen 2003 und 2012 wurden laut Statistischem Bundesamt über 350 000 Fälle abgeschlossen. Allein im Jahr 2012 waren es mehr als 31 655 Fälle. Das brachte dem Staat Mehreinnahmen in Höhe von 18 Milliarden Euro ein. Steuerfahndungsmaßnahmen leitet der Staat auch gern im Anschluss an Selbstanzeigen ein, wenn diese nicht hieb- und stichfest sind. Die dann einsetzenden Durchsuchungsmaßnahmen erstrecken sich meist auf Firmengebäude, Lagerhallen, auswärtige Niederlassungen, die Privatwohnung und die Kreditinstitute, wo die Fahnder die Kreditakten der Unternehmer suchen. Steuerberaterin Bettina M. Rau-Franz rät den von der Fahndung betroffenen Steuerpflichtigen, „bei derartigen Maßnahmen – auch wenn es schwerfällt – ruhig zu bleiben und in einem normalen Umgangston mit den Fahndungsbeamten umzugehen und keine Aggressionen an den Tag zu legen“.

Emotional besonders belastend ist die Tatsache, dass die Fahnder plötzlich und ohne jede Vorankündigung vor der Tür stehen. Genau auf diesen Überraschungseffekt setzt die gewiefte Steuerpolizei. „Für Betroffene ist es eine absolute Ausnahmesituation”, weiß Rechtsanwältin Ulrike Grube von Rödl & Partner. Unternehmern rät sie, sich weit im Vorfeld auf diese Stresssituation vorzubereiten. Dazu gehört auch, die Telefonnummer des Steuerberaters oder Anwalts im Notfall parat zu haben.

Good guy – bad guy

Eine im Rahmen der Durchsuchung „beliebte Taktik” ist die good guy/bad guy-Rollenaufteilung zwischen den Ermittlern. „Der Gefährlichere ist derjenige, der versucht, vertrauens- und verständnisvoll zu erscheinen“, warnt Grube. „Manchmal begleitet dieser einen Mitarbeiter sogar bis auf die Toilette, um etwas von ihm zu erfahren und ihn vom herbeigerufenen Anwalt räumlich zu trennen.“ Der erfahrene Anwalt wird genau diese Situation zu verhindern wissen. „Notfalls muss er gegenüber den Beamten auf Konfrontation gehen. Wollen die Fahnder Mitarbeiter vernehmen, gilt es, genau das zu unterbinden“, sagt Grube. Denn unbedachte Aussagen bekommt man später nicht mehr aus den Akten. Vor allem können sie den Steuerhinterziehungsverdacht erst begründen, wenn die beschlagnahmten Unterlagen selbst nichts hergeben. „Oft drohen die Beamten damit, die schweigenden Mitarbeiter zu einem späteren Zeitpunkt staatsanwaltschaftlich vorzuladen und mit Polizeiwagen abzuholen. Doch diese Drohung wird kaum umgesetzt“, sagt Grube.

Geschulte Augen und Ohren wittern Aktionen der Fahnder schon Tage im Voraus, weiß Strafrechtsexpertin Grube: „Läuft zum Beispiel in einer Firma gerade eine Betriebsprüfung und kündigt der Betriebsprüfer an, am nächsten Tag wegen Urlaubs oder eines Seminars nicht zu kommen, kann man einigermaßen sicher sein, dass die Steuerfahnder anrücken.“

In das Visier der Steuerfahnder können Handwerksbetriebe auch als unbeteiligte Dritte geraten. Wird etwa gegen einen Bauunternehmer wegen Steuerhinterziehung ermittelt, können die Fahnder auch bei unverdächtigen Subunternehmern Unterlagen beschlagnahmen.