Steuerbescheid: Schlamperei beim Fiskus

Zugehörige Themenseiten:
Dienstwagen und Steuerstrategien

Überlastete Finanzbeamte produzieren Fehler. Die Fol­ge: Jeder dritte Steuerbescheid ist falsch. Die gute Nachricht: Mit dem Einspruch können Handwerker oft mehrere tausend Euro retten.

  • Bild 1 von 4
    © Illustration: Thomas Di Paolo
    Wer innerhalb von einem Monat Einspruch einlegt, kommt damit beim Fiskus häufig durch.
  • Bild 2 von 4
    © Schneider
    „Der Einspruch zwingt das ­Finanzamt, sich mit dem Bescheid intensiv zu befassen.“ Hans-Peter Schneider, Steuerberater in Lüneburg/Niedersachsen.
  • Bild 3 von 4
    © Ruß
    „Der Einspruch sollte immer begründet werden, denn sonst winken die Beamten gleich ab.“ Franz Ruß, Steuerberater in Hallstadt bei Bamberg.
  • Bild 4 von 4
    © Chart: handwerk magazin
    Wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Fast zwei Drittel aller Einsprüche gegen Steuerbescheide sind erfolgreich..

Wenn Steuerberater Hans-Peter Schneider in Lüneburg den Bescheid eines Handwerksmandanten bekommt, reagiert er von vornherein skeptisch. Weil er aus Erfahrung weiß: „Irgendetwas ist an der Sache meistens falsch.“ Da unterstellen etwa Finanzbeamte Unternehmern falsche Angaben über ihre Krankenversicherungsbeiträge, legen die Liste anhängiger Verfahren engstirnig aus oder besteuern den Dienstwagen zu hoch. „Im Zweifel sollten sie daher erst einmal Einspruch einlegen“, rät Schneider. „Der ist kostenlos und zwingt das Finanzamt, sich mit dem strittigen Punkt genauer zu befassen – so können Selbständige viel Steuern sparen.“ Clevere Handwerker prüfen daher ihren Steuerbescheid.

So wie etwa ein Unternehmersohn in Düsseldorf. Er war Mitarbeiter der mittelständischen Firma und bereits als Nachfolger seines Vaters vorgesehen. Dienstlich fuhr er einen Audi A 6, privat einen Porsche 911 Carrera. Privatfahrten mit dem Audi schloss der Arbeitsvertrag aus. Doch das Finanzamt misstraute dem Papier. Der Lohnsteuerprüfer bemängelte, dass „das Nutzungsverbot nicht überwacht und ein Fahrtenbuch nicht geführt wurde“. Auch die Initialen des Sohnes auf dem Nummernschild des Firmenwagens machten den Fiskus misstrauisch. Über 8 000 Euro musste der Junior nachversteuern. Dagegen wehrte er sich mit dem Einspruch. Nachdem das Finanzamt unbeeindruckt blieb, klagte er bis zum Bundesfinanzhof (Az: VI R 25/13) – und bekam recht.

Anruf genügt oft schon

Der Fall zeigt, der Einspruch führt häufig zum Erfolg. Unbedingt sollte der Unternehmer feststellen, in welchen Punkten die Beamten von den Angaben in der Einkommensteuererklärung abgewichen sind. Um diese zu ermitteln, gleichen Unternehmer die elektronische Steuererklärung mit dem Steuerbescheid ab oder beauftragen einen Experten. Bei kleineren Rechenfehlern oder Zahlendrehern genügt oft ein freundlicher Anruf beim Sachbearbeiter. Der Finanzbeamte sichert die Korrektur innerhalb der Einspruchsfrist von einem Monat zu.

Deutlich aufwendiger wird es, falls der Beamte Aufwendungen nicht anerkannt hat. In diesem Fall kommt es darauf an, schriftlich innerhalb von einem Monat nach Erhalt des Steuerbescheides Einspruch einzulegen. Das geht unter Angabe des Namens, des Datums und der Steuernummer postalisch oder per Fax. Prinzipiell legt derjenige Einspruch ein, den der Bescheid betrifft. Die Crux dabei: Der Einspruch sollte gut begründet werden. „Sonst winken die Beamten gleich ab“, warnt Steuerberater Franz Ruß in Hallstadt bei Bamberg. Wer ohnehin einen Steuerberater für die Firma hat, beauftragt am besten gleich den Experten. „Falls es zeitlich eng wird, sollten der Unternehmer oder sein Steuerberater den knapp verfassten Einspruch innerhalb der Monatsfrist an das Finanzamt senden und um eine zusätzliche Frist für die Begründung bitten“, so Steuerberater Hans-Peter Schneider (siehe „Häufige Fehler“, Seite 66).

Mit einem Einspruch gehen Steuerzahler kein Risiko ein. Das Finanzamt berechnet keine Gebühren“, so Ruß. Und es fällt auch nicht negativ auf, wenn er kurze Zeit später kurz und schmerzlos wieder zurückgenommen werden sollte. Ein Fax genügt mit dem Hinweis: „Hiermit nehme ich den Einspruch zurück“.

Bleibt es jedoch dabei, geht das Verfahren so weiter: Im einfachen Fall ändert der Sachbearbeiter den Steuerbescheid und sendet einen neuen zu Gunsten des Steuerzahlers. Ist eine gründlichere Prüfung notwendig, kann es einige Monate bis zur Entscheidung der Behörde dauern. Stimmt der Fiskus wie in zwei Drittel aller Fälle zu (siehe Grafik Seite 66), ist das Ziel erreicht. Lehnt die Behörde ab, bleibt der Weg zum Finanzgericht.

Profitieren von Musterverfahren

„Das gilt auch, wenn sich Unternehmer mit ihrem Einspruch auf laufende Musterverfahren beim Bundefinanzhof oder beim Bundesverfassungsgericht beziehen und dann vom positiven Ausgang der Verfahren profitieren“, so Constanze Grüning vom Bund der Steuerzahler in Berlin. In diesen Fällen muss das Finanzamt mit der Entscheidung warten, bis das Musterverfahren abgeschlossen ist. Vorausgesetzt, der Unternehmer hat auch das Ruhen des Verfahrens beantragt. In einer Reihe weiterer Punkte, halten die Finanzämter Steuerbescheide von sich aus offen. Dazu veröffentlicht das Bundesfinanzministeriums regelmäßig eine Liste (siehe „Vermerke und Verfahren“, Seite 67).

Doch der Einspruch, der Hinweis auf ein Musterverfahren oder der von der Verwaltung offen gehaltene Bescheid, schützen zunächst nicht davor, die Steuern erstmal zahlen zu müssen. Im Normalfall sind sie fristgerecht zu überweisen. Es sei denn, der Selbständige beantragt erfolgreich die Aussetzung der Vollziehung, wie es amtlich heißt. Das birgt allerdings ein gewisses Risiko: Denn möglicherweise müssen die Steuern dann bei einem für die Steuerzahler negativen Urteil später mit sechs Prozent Zins aufs Jahr gerechnet nachgezahlt werden. „Bei der momentanen Niedrigzinsphase von praktisch null Prozent rate ich davon ab“, warnt Hans-Peter Schneider. „Unternehmer sollten sich viel eher darüber freuen, wenn ihnen das Finanzamt auf die Steuererstattung noch sechs Prozent Zins drauflegen muss, falls die Behörde später zu ihren Gunsten entscheidet.“

Nachträgliche Korrekturen möglich

Das gilt auch, wenn der Fiskus nur zum Teil über den Einspruch entscheidet. Dabei bleibt der Steuerbescheid ausschließlich in einzelnen Punkten offen. Wann die Beamten so verfahren, entscheiden sie im Einzelfall. „Solche Teileinspruchsentscheidungen beschneiden die Betroffenen in ihrem Handlungsspielraum“, erklärt Schneider. Empfehlung: Falls der Steuerbescheid per Einspruch komplett offen gehalten wird, können Steuerzahler auch noch nachträglich Aufwendungen einreichen. Das Finanzamt darf diese Teileinspruchsentscheidungen aber erlassen, wie der Bundesfinanzhof (Az. X R 50 / 9) entschieden hat. Dagegen hilft im Zweifel nur eine Klage.

Bleibt der Steuerbescheid komplett offen, profitieren die Unternehmer, falls sie bestimmte Kosten in ihrer Erklärung vergessen haben. Oder falls sie neue Urteile ausnutzen möchten, die erst nach Erhalt des Bescheides veröffentlicht wurden. Nachteil: Das Finanzamt kann bei einem komplett offenen Steuerbescheid den Fall auch selbst wieder aufrollen. „Das kommt durchaus vor“, sagt Schneider. Wie etwa bei einem Steuerzahler mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Er schloss mit einem Angehörigen einen Mietvertrag ab, den das Finanzamt zunächst jahrelang kommentarlos akzeptierte. Plötzlich beriefen sich die Beamten auf den offenen Steuerbescheid und erkannten nachträglich die Verträge nicht mehr an. Bei einer Teileinspruchsentscheidung besteht dieses Risiko eben nur, soweit sich die Aufwendungen genau auf die jeweilige strittige Frage im Steuerbescheid bezieht. Deshalb rät Schneider prinzipiell jede Entscheidung der Fiskaldiener mit einem Experten zu besprechen.