Spitzfindige Spielregeln

Versicherungsknigge | Vertragsabschluss, Schadenabwicklung, Kündigung: Für den Versicherer ist das Routine, für den Kunden ein Geduldsspiel. Was Sie über den Umgang mit den Anbietern wissen sollten.

Spitzfindige Spielregeln

Falsche Erwartungshaltungen sind bei deutschen Verbrauchern weit verbreitet, späterer Ärger ist damit oft vorprogrammiert. „Der Versicherer muss von Rechts wegen nicht darüber aufklären und beraten, was sein Kunde alles versichern kann und tatsächlich brauchen könnte. Das muss ihm der Kunde sagen“, stellt der unabhängige Versicherungsberater Werner Fütterer die Rechtslage hierzulande klar.

Im Zweifel wird ein guter Vermittler zwar sehen, was sein Klient braucht. Doch darauf verlassen sollte man sich besser nicht. „Es läuft ja häufig auf schnelle Abschlüsse mit hoher Provision hinaus“, meint der gerichtlich zugelassene Versicherungsberater aus Vienenburg (www.versicherungsberatung-wfuetterer.de). Nach neuem Recht, das ab Jahresmitte greift, wird hier künftig mehr Verantwortung auf den Versicherer abgewälzt. „Derzeit ist der Kunde allein dafür verantwortlich, dass er die richtige Police abschließt. Er hat damit immer noch den Schwarzen Peter“, so Fütterer.

Wenn man dann weiß, was man will, sollte man nicht nur einen Vermittler fragen, sondern mehrere Angebote von verschiedenen Versicherungen einholen. Und im Gespräch muss der Kunde deutlich erklären, warum es jetzt ausgerechnet diese eine bestimmte Police sein soll beziehungsweise sein muss.

„Wer mit offenen Karten spielt und seine Beweggründe nennt, hat eher die Chance, das richtige Produkt zu erhalten“, rät Fütterer. Maßgeschneiderte Angebote – wie in der Werbung vielfach angepriesen – kann man jedoch nicht erwarten. Für den normalen Verbraucher bis hin zum klassischen mittelständischen Gewerbebetrieb gibt es de facto nur Standardbedingungen. „Das sind mehr oder weniger festgefügte Versicherungskonzepte. Viel Eigenständiges lässt sich da nicht unterbringen“, erklärt Fütterer.

Das Kleingedruckte wird in der Regel erst nachgereicht, wenn der Vertrag schon unter Dach und Fach ist. Das ist eigentlich ein Unding. „Nur einzelne Vermittler beraten vorher ausführlich mit Bedingungsinhalten“, so der Versicherungsberater. Das Gros der Gesellschaften schickt dagegen die Vertragsbedingungen in der Regel erst zusammen mit dem Versicherungsschein (Policenmodell). Der Kunde ist gehalten, nachträglich die Konditionen zu über prüfen. Und kann gegebenenfalls dann immer noch einen Rückzieher machen.

„Dafür gibt es das Widerspruchsrecht. Das soll den Verbraucher schützen“, erläutert Fütterer. Innerhalb von 14 Tagen ab Kenntnisnahme der Versicherungsbedingungen kann der Kunde dem Vertrag dann noch widersprechen. Danach ist Widerspruch zwecklos.

„Lesen Sie das Kleingedruckte!“, empfehlen viele Ratgeber. Das ist aber im Grunde eine Zumutung für den juristischen Laien, der sich durch das Vertragswerk des Versicherers kämpfen soll. Kommen hier doch schnell 20 bis 30 Seiten zusammen. „Bei so einem Vertragstext ist es schon schwierig herauszufinden, was man nicht verstanden hat. Ganz offensichtlich unverständliche Passagen sind eigentlich selten. Von dem Rest glaubt man, man hätte ihn verstanden“, beschreibt Fütterer die Tücken für die ungeschulten Verbraucher.

Vorsicht bei der Haftpflicht

Vieles klingt einleuchtend – bis der Schadenfall eintritt. Kein Geld zahlt zum Beispiel der Haftpflichtversicherer für den Schaden, den der fünfjährige Sohn mit seinem Tretroller am Auto des Nachbarn verursacht hatte. „Da war der Versicherer nicht unfair. Da ist nichts unklar in den Bedingungen“, wie Fütterer den frustrierten Eltern klarmachen musste. Ein Fünfjähriger haftet dafür laut Gesetz nicht. Und die Haftpflichtversicherung kommt nun mal nur für Schäden auf, die aus gesetzlicher Haftpflicht resultieren.

Auch wenn man schon viele Jahre als treuer Kunde seine Prämien zahlt, sollte man sich auf keinen Fall auf die Kulanz seiner Versicherung verlassen. „Keine Gesellschaft behandelt einen Kunden besser als den anderen. Da machen sich trotzdem viele Leute falsche Hoffnungen”, meint Versicherungsberater Hans-Werner Lüschen (www.vers-berater.de) aus Berlin.

„Geht schon klar, das übernimmt meine Versicherung“, ist ein anderes Beispiel für falsche Kundenwahrnehmung. Damit greifen gerade Firmeninhaber bei guten Kunden dem Haftpflichtversicherer manchmal vor. „Das kann so krass laufen, dass dadurch sogar der Versicherungsschutz erlischt und man auf dem Schaden sitzen bleibt“, warnt Lüschen. Ohnehin ist bei drei Schäden im Jahr bei den meisten Versicherungen die Schmerzgrenze erreicht. „Dann kommt erfahrungsgemäß die Kündigung“, so der Berliner Versicherungsberater. „Das müssen dann nicht mal Schäden sein, die wirklich reguliert worden sind.“ Statistiken, wie die Gesellschaften Schäden abwickeln, fehlen zum Bedauern vieler Experten. Auflistungen von Amtsgerichten würden schon genügen, die zeigen, welche Versicherer dort immer wieder wegen grober Fahrlässigkeit klagen – als beliebtes Schild zur Abwehr von Schadenersatzansprüchen in Kasko und bei Sachversicherungen. „Das sind eben häufig die Anbieter, die mit den billigsten Prämien auf dem Markt unterwegs sind. Klar, dass sie im Schadenfall nicht so viel bezahlen können“, vermutet Versicherungsberater Fütterer.

Der freundliche Schadensregulierer, den die Versicherung schickt, ist für den Kunden oft nicht der erwartete Retter in der Not. „Man sollte unbedingt bei der Wahrheit bleiben und vorsichtig sein. Am besten jeden Satz auf die Goldwaage legen“, rät Lüschen und ergänzt: „Häufig kommt dieser Besuch nur, um irgendwas zu suchen, was zur Ablehnung führt.“ „Im Schadenfall wird oft versucht, Geld zu sparen und die Entschädigung hinauszuzögern“, stimmt auch Fütterer zu. Alltagsschäden würden zwar zügig abgewickelt, das sei aber fast gängige Praxis. Anders sähe es bei größeren komplexen Schäden aus, so der Versicherungsberater. Er weiß von einer ganzen Reihe von Betrieben, die nach einem Brand schlicht und einfach zwei bis drei Jahre auf eine Leistung des Versicherers gewartet haben – bis sie dann pleite waren. Der Kunde hat so gut wie keine Chance, die Gesellschaft zur Eile anzutreiben. Denn zu zahlen braucht sie erst, wenn alle notwendigen Ermittlungen abgeschlossen sind, die zur Feststellung ihrer Leistungspflicht führen.

Worauf Kunden im Umgang mit Versicherungsunternehmen künftig unbedingt achten sollten – von der Unterschrift unter den Vertrag bis hin zur Kündigung der Police – erklärt handwerk magazin im folgenden.

Vom Antrag zur Police

In der Regel bringt der Vermittler das Antragsformular mit. Man unterschreibt und hat damit faktisch erst mal einseitig den Vertrag besiegelt. Der Versicherer schickt nach entsprechender Prüfung den Versicherungsschein (Police) mit seiner Unterschrift zurück – erfahrungsgemäß nach zwei bis vier Wochen. Damit ist der Vertrag tatsächlich zustande gekommen. In den meisten Fällen kommen die Vertragsbedingungen dann erst nachträglich, zusammen mit der Police (Policenmodell). Nur wenige Anbieter geben sie dem Kunden schon vor Vertragsabschluss in die Hand (Antragsmodell). Der Versicherungsschutz greift ab Einzahlung der ersten Prämie. Die Rechnung sollte mit den Unterlagen aufbewahrt werden, die der Versicherer schickt. Sie kommt aber erfahrungsgemäß meist später, wenn die Widerspruchsfrist für den Verbraucher schon abgelaufen ist.

Tipps: Prüfen Sie, welche Risiken Ihre Firma hat beziehungsweise Sie selbst als Chef übernehmen müssen. Fordern Sie verschiedene Angebote von mehreren Gesellschaften zum Vergleich an. Erklären Sie dem Vermittler, was Sie sich vorstellen, was Sie brauchen und aus welchen Gründen Sie eine bestimmte Police favorisieren.

Alle Fragen müssen im Antrag vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet werden. Mogeleien zum Beispiel bei Gesundheitsfragen können auch noch Jahre später zum Verlust des Versicherungsschutzes führen. Geschönte Kilometerleistungen in der Kasko enden oft sogar vor dem Kadi. Unterschreiben Sie das Antragsformular niemals blanko – auch dann nicht, wenn der Vermittler ein guter Bekannter oder ein bewährter Geschäftspartner von Ihnen ist.

Wenn der Vermittler den Antrag ausfüllt, lesen Sie unbedingt noch einmal alles gründlich durch, bevor Sie unterschreiben. Verlangen Sie außerdem immer eine Kopie des Antrags, falls der Vermittler das vergessen sollte. Normalerweise gibt es immer drei Bögen – ein Original und zwei Kopien jeweils für Vermittler und Versicherten. Prüfen Sie die Vertragsunterlagen sofort nach Erhalt auf Abweichungen von den ursprünglich abgesprochenen Vereinbarungen – zum Beispiel, ob Selbstbehalte und eingetragene Summen stimmen. Änderungen müssen deutlich kenntlich sein (fett, rot, Sternchen). Und der Versicherer muss eine deutlich gekennzeichnete Widerspruchsbelehrung erteilen. Fehlt diese, gilt der Antrag!

Widerspruch kann der Kunde nur innerhalb von einem Monat einlegen. Sobald die Rechnung kommt, müssen die Prämien unverzüglich gezahlt werden, sonst entfällt der Versicherungsschutz. Vereinbaren Sie auf jeden Fall eine vorläufige Deckung, wenn zwischen der Antragstellung und dem beabsichtigtem Versicherungsbeginn ein zu kurzer Zeitraum liegt. Damit hat man vorläufigen Schutz, bis sämtliche Formalitäten erledigt sind. (Bei der Kfz-Versicherung gibt es sofort Versicherungsschutz – über die Doppelkarte; sie gilt gleichzeitig als vorläufige Deckungszusage.)

Das Kleingedruckte

Vom Versicherer erhält man ein umfangreiches Paket. Das erste Blatt ist in der Regel der Versicherungsschein mit den technischen Daten wie Versicherungsbeginn und Ablauf. Dann folgen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen. „Die sind bei den meisten Gesellschaften identisch beziehungsweise ähneln sich sehr stark“, sagt Versicherungsberater Lüschen. Ganz am Schluss folgen dann die so genannten „Besonderen Bedingungen”. Dort ist geregelt, wo der Risikoschutz von den allgemeinen Bedingungen abweicht. „Das kann mal besser, mal schlechter für den Versicherungsnehmer ausgehen“, sagt Fütterer. „Aber so weit kommen viele erst gar nicht“, meint Lüschen und erklärt: „Mancher überfliegt nur die allgemeinen Bedingungen und hat dann das Gefühl, lückenlos versichert zu sein. Genau das können aber die besonderen Bedingungen weiter hinten gegebenenfalls wieder einschränken.“

Der Schadenfall

In der Regel wird man beim Versicherer anrufen, um den Schaden zu melden. Das Unternehmen schickt dann ein Schadenformular. Der Kunde muss es vollständig und wahrheitsgemäß ausgefüllt an seine Versicherung zurückschicken. Sie meldet sich dann schriftlich und sagt, was zu tun ist – zum Beispiel Zeugen benennen. Mit der Zahlung kann sich der Versicherer Zeit lassen, bis alle Umstände für seine Eintrittspflicht festgestellt sind. Das kann schnell gehen oder Monate, im schlimmsten Fall sogar Jahre dauern – wie bei Brandstiftung.

Steht seine Leistungspflicht fest, muss er innerhalb eines Monats zahlen. Schadenersatz ist in der Haftpflichtversicherung immer auch bei grober Fahrlässigkeit festgelegt – in anderen Versicherungssparten dagegen nicht (seltene Ausnahmen gelten in der Kfz-Kasko). Die Schadenersatzhöhe ist in der Haftpflichtversicherung dagegen immer nur der Zeitwert, in den Sachversicherungen auch der Neuwert.

Tipps: Der Kunde muss seinen Versicherer unverzüglich informieren – das heißt unmittelbar nach dem Schaden. Außerdem sollte er Schadensminderungspflichten beachten wie Notreparaturen durchführen (etwa ein undichtes Dach mit Folie abdecken). Wenn erforderlich, müssen Sie die Polizei hinzuziehen – bei Einbruchdiebstahl oder Personenschäden (Aktenzeichen notieren). Ansonsten die Weisungen des Versicherers abwarten. Verbraucher sollten aber keinesfalls Haftungsansprüche, egal ob privat, gewerblich oder Kfz anerkennen. Bei Sachschäden müssen Sie auf jeden Fall Belege beifügen oder beschaffen: über das Alter und den Wert der gestohlenen oder beschädigten Gegenstände. Zieht sich die Schadensregulierung hin, sollten Sie gegebenenfalls um Abschlagszahlung bitten (60 Prozent sind dabei üblich) und auf Kulanz Ihres Versicherers hoffen. Verpflichtet ist die Gesellschaft dazu allerdings nicht.

Carla Fritz

cornelia.hefer@handwerk-magazin.de