Spezialisten gefragt

Winfried Fletschinger, Mitglied der Geschäftsleitung der K & U Bäckerei im badischen Neuenburg, kann über Nachwuchsprobleme nicht klagen. Das Unternehmen mit 800 Filialen bildet 400 Bäcker- und Konditormeister, Fachverkäufer oder Bürokräfte aus. „Unsere älteste Auszubildende ist 53 Jahre alt“, sagt Fletschinger.

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    Bäckereiunternehmer Winfried Fletschinger setzt bei Lehrlingen auch auf ältere Quereinsteiger.
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    Männerdominanz: Deutlich mehr Männer als Frauen beginnen eine Ausbildung im Handwerk.
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    „Unsere älteste Auszubildende ist 53 Jahre alt.“Winfried Fletschinger, K+U Bäckerei in Neuenburg.

Spezialisten gefragt

Winfried Fletschinger, Mitglied der Geschäftsleitung der K & U Bäckerei im badischen Neuenburg, kann über Nachwuchsprobleme nicht klagen. Das Unternehmen mit 800 Filialen bildet 400 Bäcker- und Konditormeister, Fachverkäufer oder Bürokräfte aus. „Unsere älteste Auszubildende ist 53 Jahre alt“, sagt Fletschinger. Seit gut anderthalb Jahren läuft im Betrieb ein spezielles Ausbildungsprojekt. „Wir wollen Quereinsteiger ansprechen, die schon in einem anderen Beruf tätig waren“, erklärt er. Rund 30 ältere Lehrlinge arbeiten derzeit in der Firma. „Wir planen aufgrund unserer guten Erfahrungen, die Quote noch zu steigern“, so der Vertriebs-chef. Die Mitarbeiter durchlaufen die Ausbildung in nur zwei statt drei Jahren. „Die meisten schließen trotzdem im Schnitt deutlich besser ab als die Junioren“, hat Fletschinger erfahren.

Die besondere Wertschätzung älterer Mitarbeiter bei der K & U Bäckerei dient der Fachkräftesicherung im Unternehmen. Kein Einzelfall: Wie Firmenchef Fletschinger entwickeln derzeit viele Handwerksbetriebe spezielle Maßnahmen und Programme, um qualifizierte Mitarbeiter langfristig ans Unternehmen zu binden. „Fachkräftesicherung ist als strategisches Thema im Mittelstand angekommen. Nur bei der Umsetzung gibt es Unterschiede“, erklärt dazu Patrick Großheim, Experte für Personalpolitik beim RKW Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft.

Stellen werden nicht besetzt

Aus gutem Grund: Bei einer Umfrage des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) klagten 2011 bereits 41 Prozent der Firmen über größere Schwierigkeiten bei der Suche nach neuen Mitarbeitern. Bei 26,8 Prozent der Teilnehmer konnten Stellen sogar nicht besetzt werden, vielfach weil keine Bewerbungen vorlagen oder die Interessenten nicht die gewünschte Qualifikation mitbrachten. Die Probleme nehmen künftig noch zu: Im Schnitt scheiden allein bis 2016 in jedem Handwerksbetrieb zwei Mitarbeiter in den Ruhestand aus. „Das erfordert verstärkte Aktivitäten, um den Fachkräftebedarf zu sichern“, zieht der ZDH als Fazit. Anlass genug also für clevere Handwerksunternehmer, innovative Methoden der Mitarbeiterfindung und -bindung im Unternehmen einzusetzen.

Welche Ansätze dafür in Frage kommen, zeigt der „Trendreport Fachkräftesicherung“, eine aktuelle Studie des RKW Kompetenzzentrums. Nach der Umfrage hat bereits jede fünfte Firma erste Maßnahmen zur Fachkräftesicherung umgesetzt. 45 Prozent gaben an, diese derzeit konkret zu planen (Details zur Umfrage siehe Grafiken).

„Es lässt sich feststellen, dass die Mehrheit der Betriebe über den Standard der klassischen Maßnahmen des Personalmarketings wie Stellenangebote hinausgehen will“, sagt Personalexperte Großheim (siehe Tipps auf Seite 22).

Praktika anbieten

So spielen systematische Angebote von Praktika oder Ferienjobs eine besondere Rolle bei der Suche nach qualifizierten Nachwuchskräften. Denn zum einen wollen viele gut betreute Aushilfen auch später in dem Unternehmen arbeiten. „Zum anderen erhält der Betrieb einen wesentlich besseren Eindruck vom potenziellen Mitarbeiter, als es etwa Schulnoten ermöglichen“, sagt Großheim. Zwar arbeiten bereits in jedem zweiten Unternehmen gelegentlich Praktikanten oder Schüler (siehe Grafik). Doch werden diese nicht gezielt angeworben, sondern die Interessenten wenden sich von sich aus an den Betrieb. „Erst 14 Prozent der Unternehmen nutzen solche vorübergehenden Tätigkeiten systematisch als Maßnahme zur Nachwuchsförderung“, so Großheim. Der Experte empfiehlt, kontinuierlich Beschäftigungen von über einer Woche anzubieten und Kontakt zu Schulen in der Region aufzunehmen.

Optimal können Praktika ablaufen, wenn die jungen Interessenten im Team mit langjährigen Mitarbeitern zusammenarbeiten. „Der Erfahrungsaustausch untereinander, die Weitergabe von Wissen wie auch kurze und transparente Informationswege fördern die Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen“, weiß Experte Großheim.

Erfahrungsaustausch fördern

Diese Erfahrung kann Dagmar Fritz-Kramer, Geschäftsführerin der Firma Baufritz mit 250 Mitarbeitern, bestätigen. Das Handwerksunternehmen in Erkheim hat sich auf den Bau von Öko- und Biohäusern spezialisiert. „Je nach den Stärken und den Erfahrungen des Einzelnen stellen wir altersgemischte Teams für die verschiedenen Aufgaben zusammen“, so Fritz-Kramer. Das bringt mehrere Vorteile: Mitarbeiter der Generation 50plus können bei schweren Tätigkeiten durch die Nachwuchskräfte entlastet werden. Andererseits profitieren die jungen Beschäftigten von deren Fachkompetenz.

Baufritz unternimmt allerdings noch weit mehr, um die Fachkräfte im Betrieb zu halten. Zum Beispiel Job-Sharing, bei dem sich zwei Mitarbeiter einen Arbeitsplatz teilen. „Wir geben älteren Arbeitnehmern damit die Chance, ihre Stundenzahl zu reduzieren“, so Fritz-Kramer. Mitarbeiter mit Verwaltungs- und Bürotätigkeiten können ihren Job von zu Hause aus erledigen.

Mit Gesundheitsprogramm punkten

Maßnahmen zur Gesundheitsförderung sind ebenfalls ein wichtiger Baustein zur Fachkräftesicherung. Nach der Studie haben bereits 12 Prozent der Befragten ein professionelles Gesundheitsmanagement und 35 Prozent immerhin einzelne Maßnahmen eingeführt. Auch Baufritz: „Wir achten die Gesundheit unserer Mitarbeiter als hohes Gut und bieten deshalb ein vielfältiges Förderprogramm“, sagt Fritz-Kramer. Die Angebotspalette reicht von Sportmöglichkeiten wie Lauftreffs über Rückenschulungen bis hin zur ergonomischen Gestaltung der Arbeitsplätze.

Insgesamt zeigte die RKW-Untersuchung, dass die befragten Klein- und Mittelunternehmen vielfach besser sind als ihr Ruf. Zum Beispiel bei der Entlohnung: Gerade einmal jedes vierte befragte Unternehmen bezahlt weniger Gehalt als der Durchschnitt.

reinhold.mulatz@handwerk-magazin.de

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Fachkräftestudie