„Sonst hätten wir das Geld nicht bekommen”

Bürgschaften | Wenn im Betrieb Investitionen notwendig sind, bürgt oft die Ehefrau für die notwendigen Kredite. Die Folgen können trotz verbesserter Rechtslage katastrophal sein.

„Sonst hätten wir das Geld nicht bekommen”

Christiane Brehme hat selbst gebürgt. Sie weiß, wovon sie redet. Anders als viele ihrer Leidensgenossen hat sich die Münchnerin nach ihrem persönlichen Gau, der 1997 eintrat, allerdings nicht schamvoll versteckt, sondern tritt heute auch öffentlich auf, um ihre Geschlechts-genossinnen zu warnen. „Keine Minute“, erzählt sie, habe sie damals gezögert, die Geschäftsidee ihres Mannes abzusichern. Gemeinsam mit zwei Kollegen, aber ohne viel Geld, hatte der Steinmetz sich selbstständig gemacht. Seine Ehefrau beteiligte sich zwar nicht am Geschäft, aber sie bürgte. Anfangs lief alles bestens, ber schon nach ein paar Monaten traten die ersten Probleme auf, die Auftragslage wurde immer schwieriger und der finanzielle Druck immer größer. Dass die Beziehung das nicht ausgehalten hat, wundert Brehme heute nicht mehr, die Naivität, mit der sie sich damals auf die Aussagen ihres Mannes verließ, aber schon. „Rückblickend betrachtet, war es einfach falsch zu bürgen.“

Die Geschichte ist ein klassisches Beispiel, wie es in vielen Unternehmerfamilien passieren könnte. „Nach wie vor“, bestätigt Klaus Hofmeister, Mitglied des Vorstandes der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatungen, „gehören überschuldete Ehefrauen von ehemals Selbständigen zum Alltag in den Schuldnerberatungen.“ Ihr Problem: Durch eine Bürgschaft haben sie sich verpflichtet, für die Schulden ihres Mannes einzustehen. Der möglichen Folgen, weiß Hofmeister, „waren sie sich dabei in der Regel gar nicht bewusst“.

Zwar haben zwei Grundsatzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu Anfang der 90er-Jahre klargestellt, dass solche Garantien in bestimmten Fällen unwirksam sein können. Und nach Hofmeisters Beobachtung sind viele Banken daraufhin vor allem im privaten Bereich vorsichtig geworden, im geschäftlichen Bereich ist die Situation aber oftmals unverändert. „Wenn ich nicht gebürgt hätte“, erzählt Elke Mosmann (Name von der Redaktion geändert), angestellte Ehefrau eines Schreinermeisters, „hätten wir das Geld eben nicht bekommen“.
Und so wie ihr, weiß auch Ursula Jachnik, Vorsitzende des Bundesverbandes der Unternehmerfrauen im Handwerk (UFH) geht es Vielen. „Das ist der Normalfall im Alltag von Unternehmerfrauen.“ 200000 Euro waren notwendig, um die Werkstatt von Mosmanns Ehemann zu erweitern und mit neuen Geräten auszustatten. Und obwohl die Maschinen als Sicherheit zu Verfügung standen und der Ehemann sogar weitere Absicherungen bieten konnte, bestand die Hausbank auf einer Bürgschaft der Ehefrau. Zuerst hat sie sich gewehrt und noch bei weiteren Kreditinstituten angefragt. Doch die Aussage war überall dieselbe: Ohne Bürgschaft keinen Kredit. „Und ohne Kredit“, wusste Mosmann, „hätten wir über kurz oder lang nicht mehr mithalten können.“
Die meisten Bürgschaften, bestätigt auch Wilhelm Bremhorst, Kreditexperte bei Hauck & Aufhäuser Privatbankiers in München, gibt es heute im geschäftlichen Bereich bei kleinen und mittelständischen Unternehmen. „Da sind die Banken nicht bereit, die beschränkte Haftung hinzunehmen und verlangen für Kredite Bürgschaften der geschäftlich Verantwortlichen.“ Zumeist sind es dann Gesellschafter oder Geschäftsführer, die mit ihrem Vermögen haften. „Immer wieder aber auch“, weiß Schuldnerberater Hofmeister, „die Ehefrauen, die die Geschäfte ihres Mannes absichern“.
Dabei legt Hofmeister, der auch die Schuldner- und Insolvenzberatung der Stadt München leitet, Wert auf die Feststellung, dass sich gerade Schuldnerberater nicht grundsätzlich gegen Bürgschaften aussprechen. Avalbürgschaften von Banken, mit denen beispielsweise Mietverträge abgesichert werden, hält er durchaus für sinnvoll. Grundsätzlich, so der Experte, böten Bürgschaften gerade in angespannten finanziellen Situationen gute Möglichkeiten, jemandem größere Probleme zu ersparen. „Entscheidend ist, dass sich der Bürge, des Risikos bewusst ist, das er eingeht.“
Genau das aber ist in der Regel nicht der Fall, weiß auch Markus Lietz, bei der Verbraucherzentrale Stuttgart Berater für Banken und Immobilien. Viele Bürgen – und das gilt besonders für Ehefrauen – machten sich schlicht keine Gedanken darüber, was der Ernstfall für sie persönlich bedeuten würde. Oftmals überprüfen sie nicht einmal, ob das geliehene Geld vielleicht auch anders zu besichern wäre oder ob sich zumindest der Vertrag anders ausgestalten ließe. Bürgschaft ist keineswegs gleich Bürgschaft. Je nach Form ist das Risiko für den Garanten höher oder geringer (siehe Kasten). Schuldnerberater Hofmeister sieht durchaus die Zwangslage, in der sich die Unternehmerfrauen befinden, wenn von ihrer Unterschrift die gemeinsame Existenz abhängt. Dennoch, so der Experte weiter, entbinde sie das nicht, auch selbst einen Blick auf das Zahlenwerk und die Erfolgsaussichten zu werfen – im Zweifel unabhängige Experten heranzuziehen und selbst mit der Bank zu verhandeln.

Warnsignale prüfen

Wobei letzteres besonders wichtig ist, wie auch der Bremer Rechtsanwalt Eberhard Ahr betont. „Fragen Sie unbedingt nach, warum überhaupt eine Bürgschaft verlangt wird.“ Besteht die Bank hartnäckig darauf, obwohl wie im Fall Mosmann durchaus andere Sicherheiten vorhanden sind, kann das auch ein Warnsignal sein. Vielleicht geht das Kreditinstitut von vornherein davon aus, dass der eigentliche Schuldner nicht zahlen kann. Besonders problematisch wird die Situation für den Bürgen dann, wenn er tatsächlich wie Christiane Brehme über eigenes Vermögen verfügt. Brehme hatte nach eigener Aussage „eine nicht unerhebliche Summe“ von ihren Eltern geerbt, dafür ein Haus gekauft und mit diesem dann die Bürgschaft abgesichert. Damit verlor sie nicht nur Firma und Ehemann, sondern auch die Wohnung. Nur weil sie später mit Hilfe einer Schuldnerberatung Privatinsolvenz anmeldete, ist sie heute wieder schuldenfrei. Das von ihren Eltern erarbeitete Geld ist aber weg.
Mehr Glück kann dagegen haben, wer überhaupt kein Vermögen hat. Denn inzwischen geht die Rechtsprechung davon aus, dass eine Bürgschaft auch sittenwidrig sein kann – und damit nichtig. Grundsätzlich gelten Bürgschaften immer dann als sittenwidrig, wenn erstens der Bürge bei seiner Unterschrift unter emotionalem Druck gestanden hat, was die Rechtssprechung bei Bürgschaften von nahen Familienangehörigen fast immer annimmt. Und wenn zweitens die finanziellen Möglichkeiten des Bürgen nicht ausreichen, um der übernommenen Verpflichtung nachkommen zu können.
Häufig richten sich die Richter in solchen Fällen nach der 25-Prozent-Grenze. Demnach gilt jemand als zahlungsunfähig, wenn sein verpfändbares Einkommen nicht ausreicht, um innerhalb von fünf Jahren ein Viertel der Bürgschaftssumme zurückzahlen zu können. Entscheidend ist die finanzielle Situation zum Zeitpunkt der Bürgschaft. Hat das Einkommen zu diesem Zeitpunkt ausgereicht, spielt eine spätere Verschlechterungen der Situation durch Arbeitslosigkeit keine Rolle.

Sittenwidrige Umstände

Grundsätzlich gilt eine Bürgschaft nicht als sittenwidrig, wenn der Bürge vom Kredit ebenfalls profitiert. Inwieweit das der Fall ist, wenn bei einer Existenzgründung auch die Existenz der bürgenden Ehefrau gesichert wird, ist strittig. „In letzter Zeit allerdings“, weiß Rechtsanwalt Ahr, tendiere die Rechtssprechung auch in diesen Fällen dazu, hier keinen Vorteil zu sehen, wenn das Geschäft eindeutig nur dem Mann gehört.
Sollte die Bürgschaft aber unter sittenwidrigen Umständen abgegeben worden sein, so Schuldnerberater Hofmeister, müssen betroffene Frauen unbedingt Hilfe suchen. „Die Chancen, sich gegen die Banken durchzusetzen, sind gar nicht schlecht.“

Sabine Hildebrandt-Woeckelcornelia.hefer@handwerk-magazin.de