Umsatzsteuer Sonderfälle richtig versteuern

Ausgelöst durch Bäckermeister Roland Ermer dürfen Betriebe nicht verkaufte Ware bald steuerfrei an Tafeln spenden. Wie Handwerker Abweichungen vom Alltagsgeschäft richtig versteuern.

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    Bäckermeister Roland Ermer aus Bernsdorf bei Dresden produziert weiterhin auch für sozial Bedürftige.
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    „Prüfen Sie Rechnungen direkt beim Eingang, und fordern Sie notwendige Korrekturen.“ Gert Klöttschen, Steuerberater der Kanzlei DHPG in Euskirchen.
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    Übergabe: Mehrmals in der Woche holen ehrenamtliche Mitarbeiter der Tafeln kostenlose Brötchen und andere Backwaren bei Roland Ermer ab.
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    Die Umsatzsteuer ist zweitwichtigste Steuerquelle des Bundes – Tendenz steigend.

Sonderfälle richtig versteuern

Der 20. Juli dieses Jahres wird Bäckermeister Roland Ermer in Bernsdorf bei Dresden noch lange in Erinnerung bleiben: „An dem Tag klingelte bei uns permanent das Telefon, bis abends um acht“, erinnert sich der Präsident des Sächsischen Handwerkstags. Denn im Internet war ein großer Bericht über Ermer zu lesen. Der Unternehmer wurde als Held gefeiert, weil er sich für eine Verbesserung im Umsatzsteuerrecht eingesetzt hatte - und das mit Erfolg.

Darum ging es: Bereits seit zehn Jahren spendet die Bäckerei Ermer, ein Unternehmen mit 28 Mitarbeitern, vier Filialen und fast einer Million Euro Jahresumsatz, Backwaren an Tafeln für Bedürftige. Dabei handelt es sich um Brötchen, Brot und Kuchen, deren Haltbarkeit begrenzt ist. „Nur zwei Prozent dieser Waren sind für uns noch verwendbar. Der Rest würde weggeworfen, wenn wir ihn nicht verschenken würden“, sagt Ermer.

Doch seit vier Jahren kommt den Unternehmer sein soziales Engagement teuer: „Wir hatten eine Betriebsprüfung und müssen seitdem Umsatzsteuer auf die Spenden abführen.“ Die Finanzbeamtin berechnete den vollen Verkaufspreis auf die gespendeten Waren. Für jedes Brötchen setzte sie 33 Cent an, Brot mit 2,30 Euro und Torten mit 20 Euro. Ermer wehrte sich. Am Ende lief der Streit auf einen Kompromiss, amtlich die „tatsächliche Verständigung“, hinaus. Ermer einigte sich mit dem Finanzamt darauf, dass die Umsatzsteuer auf die Hälfte des offiziellen Verkaufspreises berechnet wird. Denn wenn Bäckereien Waren vom Vortag verkaufen, gehen die Lebensmittel häufig als Sonderangebot über die Laden-theke. Der Unternehmer zahlte insgesamt 5000 Euro nach und führt auf die Spenden - bewertet mit dem halben Verkaufspreis - seitdem Umsatzsteuer ab. „Ich finde das dennoch ungerecht und habe versucht, die Vorgehensweise in der Presse bekannt zu machen“, so Ermer.

Viele Betriebe betroffen

Kein Einzelfall, bestätigt Matthias Lefarth. Der Leiter der Steuerabteilung des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) in Berlin kennt viele Bäckereien, die betroffen sind: „Verschiedene Finanzämter haben die Vorgehensweise in dieser strengen Form aufgegriffen“, so Lefarth (siehe auch Interview Seite 53).

Das Beispiel zeigt, welche Fallstricke die richtige Berechnung der Umsatzsteuer bietet. Das betrifft nicht nur Spezialfälle wie Spenden. Fehler passieren auch oft bei der Rechnungsstellung, aber genauso bei Entnahmen des Unternehmers oder wenn Mitarbeiter Ware mit Rabatt kaufen (Details unter „Privatentnahmen“, Seite 51, und „Korrekturen“, Seite 52)“.

Folge der Umsatzsteuerfallen: Nach Sonderprüfungen kassiert der Fiskus jedes Jahr fast zwei Milliarden Euro. Häufig, weil Unternehmer die Vorgaben nicht beachten. „Die Hürden für die korrekte Anmeldung der Umsatzsteuer beim Finanzamt sind hoch“, warnt Gert Klöttschen, Steuerberater der Kanzlei DHPG in Euskirchen bei Bonn. Clevere Firmenchefs verschaffen sich deshalb frühzeitig einen Überblick.

Kentzler und Becker setzten sich ein

Dank Ermer zeigt sich zumindest für den Bereich der Spenden ein Silberstreif am Horizont: In gemeinsamer Aktion haben auf seine Initiative hin Otto Kentzler, Präsident des ZDH, sowie Peter Becker, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks, direkt mit dem Bundesfinanzministerium Kontakt aufgenommen und für eine gerechtere Lösung gekämpft. „Unsere kleine Bäckerei alleine hätte das nie geschafft“, weiß Ermer. Für ihn ist klar: „Das zeigt, wie wichtig eine Standesvertretung fürs Handwerk ist.“

Das Bundesfinanzministerium lenkte ein und setzt sich jetzt bei den Ländern dafür ein, dass Lebensmittelspenden an Tafeln nicht mehr der Umsatzsteuer unterliegen. Von der Neuregelung profitieren dann auch alle anderen Bäcker, Konditoren oder Metzger sowie weitere Branchen, die an Tafeln Waren verschenken.

Andere Betriebe müssen bei Spenden an soziale Einrichtungen allerdings weiter aufpassen und für ihre Leistungen Umsatzsteuer abführen. Klöttschen gibt ihnen einen Tipp. Er empfiehlt Unternehmern, die Zuwendungen nicht zu verschenken, sondern zu einem besonders niedrigen Preis zu verkaufen. „Dann wird die Umsatzsteuer auf Grundlage des Verkaufswerts angesetzt“, so der Experte. Ein Raumausstatter etwa kann Stoff-reste für wenige Euro sozialen Einrichtungen anbieten - mit 19 Prozent Umsatzsteuer.

Falsche Rechnungen zurückschicken

Stress kommt aber nicht nur bei Spenden auf, sondern auch, wenn Rechnungen nicht korrekt sind. Bei Kunden ist eine ordnungsgemäß ausgestellte Rechnung immer Voraussetzung für den Vorsteuerabzug. „Prinzipiell sollten Rechnungen deshalb schon beim Eingang geprüft und falls eine Korrektur notwendig ist, diese direkt vom Aussteller eingefordert werden“, rät Klöttschen. Liegt bei der nächsten Betriebsprüfung nämlich keine ordnungsgemäße Rechnung vor, kann das Finanzamt den Vorsteuerabzug streichen und nachträglich sechs Prozent Zinsen verlangen.

Wenn auch der Bundesfinanzhof die Regel in einem neuen Beschluss (Az. V-B-82/11) als „ernstlich zweifelhaft“ ansieht: So halten die obersten Finanzrichter es durchaus für möglich, dass eine Rechnung bei bestimmten falschen Angaben, etwa Unstimmigkeiten beim Lieferdatum, noch rückwirkend korrigiert werden kann.

Nur selten können Betriebe auf eine Berichtigung verzichten. Das ist etwa der Fall, wenn ein Kunde selbständig den vereinbarten Skonto abzieht und weniger überweist. Häufig ist es hingegen notwendig, die bisherige Rechnung zu ergänzen oder zu stornieren und eine neue auszustellen.

Bäckermeister Roland Ermer bleibt trotz der Fallen bei der Umsatzsteuer gelassen. „Ich hätte weiter Backwaren gespendet und auf den halben Verkaufspreis Umsatzsteuer abgeführt, wenn wir nicht erfolgreich gewesen wären“, betont der Firmenchef. Für ihn „gebietet es schon der christliche Anstand, Lebensmittel nicht wegzuwerfen, sondern Bedürftigen zu schenken“. ◇

harald.klein@handwerk-magazin.de

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