Die Baumann-Kolumne "Neues von der Werkbank" Kommentar: Versprechen in Sachen Solidaritätsbeitrag haben kein Verfallsdatum

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Neues von der Werkbank – Kolumne von Ruth Baumann

Ursprünglich sollte er nur vorübergehend eingeführt werden, inzwischen sind es durchgehend 24 Jahre: Der Solidaritätsbeitrag hält sich hartnäckig. Kolumnistin Ruth Baumann, Präsidentin der Unternehmerfrauen im Handwerk (ufh) Baden Württemberg, findet: Nicht nur in Betrieben dürfen Versprechen kein Verfallsdatum haben.

Ruth Baumann, Landesvorsitzende ufh Baden-Württemberg
Die studierte Politologin und Handwerksunternehmerin Ruth Baumann vertritt seit 2008 als Präsidentin die Unternehmerfrauen im Handwerk in Baden-Württemberg (ufh). - © Antoinette Steinmüller Fotostudio

Unter Kaiser Wilhelm II. wurde 1902 die Schaumweinsteuer zur Finanzierung seiner hochtrabenden Flottenpläne eingeführt. Er war der Meinung, dass die Trinkfreude seiner Untertanen ein probates Mittel wäre, um Deutschland eine schlagkräftige Marine zu verschaffen. Auch für die Nicht-Historiker unter Ihnen: die Zeiten der Monarchie sind passé, die kaiserliche Armee ist durch die Bundeswehr ersetzt worden – aber die Schaumweinsteuer besteht immer noch .

Solidaritätszuschlag: eingeführt und nicht mehr abgeschafft

Ähnliches gibt es von dem Solidaritätszuschlag zu berichten. Erstmalig 1991 für ein Jahr zur Finanzierung des Golfkrieges unter Bundeskanzler Helmut Kohl eingeführt, begleitet er uns seit 1995 ununterbrochen. Ursprünglich wurde dem Wähler und Steuerzahler seitens der Politik erzählt, es handele sich hierbei um eine kurzfristige Abgabe, um so den Aufbau Ost zu finanzieren. Erst für ein Jahr, dann verlängert bis 1999. Beschlossen und in geplanter Höhe erhoben. Keine langsame, stufenweise Anhebung bis zum vollen Betrag. Wer zu dieser Zeit bereits Parallelen zu der Schaumweinsteuer des Kaisers gezogen hatte, wurde als unsolidarisch und misstrauisch bezeichnet.

Wirtschaft boomt, der Soli bleibt

Zum heutigen Zeitpunkt würde ich sagen, es waren eigentlich Propheten, denn die aktuelle Situation zeigt, wie sehr es sich die Politik mit diesem Geld bereits komfortabel gemacht hat. Wie man sich immer wieder um die Entscheidung der Abschaffung drückt, erinnert an eine Geburt mit Steißlage. Immer wieder heißt es, die Kassenlage gäbe es nicht her. Bescheidene Frage: Wenn nicht jetzt, wann dann? Die Steuereinnahmen sprudeln, die Wirtschaft boomt und es kann dennoch nicht auf die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag verzichtet werden? Der Aufbau Ost ist eigentlich beendet, die Infrastruktur West zeigt dies auch. Was spricht also dagegen, sich an das dem Wähler gemachte Versprechen zu erinnern?

Auch die Hilfskonstruktion, wer in welcher Höhe bei einem Wegfall des Soli entlastet werden würde, dient eher einer angezettelten Neiddebatte denn der Glaubwürdigkeit. Die Ausflüchte in mikroskopischen Kleinstschritten bei der Reduzierung der bestehenden Höhe beleidigen die Intelligenz der denkenden Mitbürger. Wer in einem Schritt den Soli einführen kann, sollte auch den Charakter haben, ihn in einem Schritt abzuschaffen.

Vertrauen in der Politik und im Betrieb: Versprechen haben kein Verfallsdatum

Politik muss auch für Werte stehen. Verlässlichkeit und Vertrauen darauf sind in einer Demokratie unverzichtbare Bausteine. Es darf nicht sein, dass man sich auf Parteitagen mit der Abschaffung des Soli schmückt, um diesen dann im parlamentarischen Prozess wieder einzufangen. „Wer drei Mal lügt, dem glaubt man nicht, auch wenn er tausend Mal die Wahrheit spricht….“ Bedarf es dieses Kinderreims, um den verschiedenen Funktionsträgern die Auswirkungen ihres Handelns vor Augen zu führen?

Als Betriebsinhaberin weiß ich, dass Aussagen und Versprechungen kein Verfallsdatum haben. Wer heute Lohnerhöhungen verspricht, muss sie nicht nur nächste Woche, nächsten Monat, sondern auch in der nächsten Generation umsetzen. Nur so kann Verlässlichkeit und Vertrauen entstehen.

Wer diese Fundamente gesellschaftlichen Zusammenlebens mit Füßen tritt, darf sich weder über das Erinnerungsvermögen von Steuerzahlern wundern, noch Politik- und Parteiverdrossenheit beklagen. Die Politik kann Zusagen und Versprechen vergessen, der Wähler nicht.

Die Unternehmerfrauen im Handwerk (ufh) Baden-Württemberg

Die Unternehmerfrauen im Handwerk (ufh) Baden-Württemberg verstehen sich als Berater-, Informations- und Serviceorganisation für ihre Mitglieder und als berufsübergreifende Interessenvertretung. Organisiert sind darin aktive Frauen im Handwerk. Darunter Ehefrauen, Lebensgefährtinnen, Töchter oder Schwiegertöchter von Betriebsinhabern/Handwerksmeister, aber auch selbständige Handwerksmeisterinnen bzw. Unternehmerinnen im Handwerk.

In Baden-Württemberg gibt es 32 Arbeitskreise mit 1.681 Mitgliedern. Die Aktivitäten finanzieren sich hauptsächlich durch Mitgliedsbeiträge.   Die Unternehmerfrauen im Handwerk stehen im Dialog mit den Handwerksorganisationen und arbeiten an innovativen Projekten mit, die dazu beitragen, die Zukunft des Handwerks zu sichern. Seit 1996 sind sie stimmberechtigtes Mitglied im Baden-Württembergischen-Handwerkstag.

Die Unternehmerfrauen im Handwerk setzen sich für die soziale Absicherung und generelle Unterstützung von Frauen im Handwerk ein, fordern die gesetzliche Anerkennung der enormen Leistungen, die Frauen im Handwerk vollbringen. Sie wollen erreichen, daß es für Frauen im Handwerk leichter wird, ihre umfassenden beruflichen und familiären Verpflichtungen zu erfüllen. Eines der wichtigsten Ziele ist, sich beruflich weiterzubilden, um den vielschichtigen Aufgaben und Anforderungen gerecht zu werden.

Kontakt: 
Ruth Baumann

Tullastrasse 47
79108 Freiburg
Telefon: 0761 / 509819
Telefax: 0761 / 509816
Email: praesidentin@ufh-bw.de
 
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