Zollrecht So vermeiden Sie Zoff mit dem Zoll

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Wenn Sie Waren im- oder exportieren, droht Ärger. Denn Zollbeamte nehmen mitunter höhere Abgaben als erwartet. Welche Produkte das betrifft und wie Sie sich wehren.

295 Milliarden Euro betrug laut statistischem Bundesamt der Wert an Waren, die allein zwischen Januar und März 2016 von Deutschland aus exportiert wurden. - © cometary/iStockphoto

Nigeria, Russland oder Saudi-Arabien – für den Stuttgarter Innenausbauer Kiess bietet die Globalisierung viele neue ­Absatzchancen. Das 1911 gegründete Unternehmen hat sich auf hochwertige Innenausbauten von Gewerbeobjekten, Privatresidenzen, Yachten, Aufzügen und die Anfertigung exklusiver Sonderobjekte spezialisiert. Doch mit dem Zoll will die Firma nach Möglichkeit nichts zu tun haben. „Bei Auslandsaufträgen versuchen wir, eine aktive Verzollung zu vermeiden, indem der Kunde den Transport übernimmt und wir die Materialien dann vor Ort einbauen“, erklärt Geschäftsführer Tilo Kiess.

Der Kunde aus Russland etwa stellt einen Container zur Verfügung, den die Firma Kiess befüllt und dem Kunden anschließend zusammen mit der Ladeliste übergibt. „Die Verzollung übernimmt dann der Kunde. Wir bauen die Waren später vor Ort ein“, beschreibt Kiess das Prozedere. Das ist klug verhandelt. Denn so lässt sich viel Ärger mit dem Zoll vermeiden. Denn der zeigt sich bisweilen kleinlich. Wir alle kennen sie: Klebestreifengeber, also jene Apparaturen, in die man eine Rolle Klebeband einsetzt, um kleine Streifen abtrennen zu können.

2,2 Prozent vs. 1,7 Prozent Importzoll

Weit verbreitete Produkte also, die auch für den deutschen Zoll nichts Neues sein dürften – selbst wenn sie etwas größer ausfallen und von Unternehmen im Warenversand eingesetzt werden, um Kartons mit Paketband zu verschließen.

Weit gefehlt: Um die Frage, ob professionelle Klebestreifengeber zollrechtlich als „Büroapparate“ oder als „Verpackungsmaschinen“ einzustufen sind, entbrannte jüngst ein Streit, der die Beteiligten bis zum Bundesfinanzhof (BFH) führte. Es ging – natürlich – ums Geld. Denn für Büroapparate kassiert der Fiskus 2,2 Prozent Importzoll, für Verpackungsmaschinen nur 1,7.

Der BFH schlug sich jüngst auf die Seite der Zöllner: Sie hätten die Klebestreifengeber zu Recht als Büroapparate klassifiziert (VII B 117/14). Dass die britische Zollbehörde sie als Verpackungsmaschinen einstufe, sei hierzulande unerheblich. Der Kläger – ein mittelständisches Unternehmen, das Klebestreifengeber fertigt, aber auch importiert – muss deshalb nun mehr Zoll zahlen. Der Fall zeigt: Wer Waren importiert, sieht sich bisweilen mit unerwartet hohen Kosten konfrontiert. Denn bei vielen Produkten ist umstritten, wie sie zollrechtlich zu klassifizieren sind – je nach dominierenden Bestandteilen, Eigenschaften oder Einsatzbereichen kommen oft verschiedene Kategorien infrage.

„Die Behörden neigen dazu, im Zweifel diejenige zu wählen, für die der höhere Zoll anfällt“, warnt Harald Hohmann, auf Außenwirtschafts- und Zollrecht spezialisierter Rechtsanwalt aus Büdingen bei Frankfurt. Das trifft auch zahlreiche Handwerker, denn im Zuge der Globalisierung ordern Betriebe immer öfter im Nicht-EU-Ausland. Aber was ist angesichts der Rechtsunsicherheit zu beachten? Und wie stehen die Chancen, sich zu wehren?

Es geht um viel Geld

Dass es keineswegs um Kleckerbeträge geht, zeigt der Fall eines mittelständischen Unternehmens, das Elektromaschinen aus China importierte: Der Zoll stufte die „Anlagen zur unterbrechungsfreien Stromversorgung“ (USV) als „Generatoren“ ein (2,7 Prozent Zoll), obwohl sie nur für maximal zehn Minuten Strom aus Diesel herstellen können.

Der Importeur hielt dagegen: Die Hauptfunktion der Anlage sei es, „Oberspannungen“ herauszufiltern, damit der Empfänger Strom mit gleicher Spannung erhält. Es handele sich deshalb um zollfreie „Stromrichter“. Diese Argumentation überzeugte das Finanzgericht Hamburg (4 K 138/12). Der Importeur spare seither pro Anlage rund 3.000 Euro, sagt Hohmann, der das Urteil erstritten hat.

Das Problem: Immer mehr Produkte mit mehreren Funktionen

Gerade Unternehmen aus den Bereichen Elektronik, Kfz und Anlagenbau berichten oft von Problemen mit dem Hauptzollamt Hannover, das in Deutschland zentral für die – kostenlosen – verbindlichen Zolltarifauskünfte zuständig ist. Denn bei technischen Bauteilen, Geräten und Maschinen tauchen besonders oft Zweifelsfälle auf; immer wieder folgen die Beamten den Antragstellern nicht und stufen Produkte in eine andere, oft teurere Kategorie ein.

„Ich habe das Gefühl, dass die Zahl zollrechtlicher Streitigkeiten seit einigen Jahren deutlich zunimmt“, sagt Hohmann, der seit 2010 in knapp 20 Fällen um die korrekte „Einreihung“ gestritten hat. Dabei gehören große Handelsfirmen genauso zu seinen Mandanten wie Handwerksbetriebe.

Die wachsende Zahl der Konflikte sei auch darauf zurückzuführen, dass es immer mehr Produkte mit mehreren Funktionen gibt, sagt Hohmann. Und nicht immer liegt – wie bei den USV-Anlagen – klar auf der Hand, welche die Hauptfunktion ist. Neben steigenden Importvolumina trägt also auch der technische Fortschritt dazu bei, dass es immer öfter Zoff mit dem Zoll gibt.

Unternehmer sollten nicht sofort klein beigeben, wenn das Hauptzollamt Hannover ihren „Einreihungsvorschlag“ ablehnt. „Oft stehen die Chancen vor Gericht gut“, sagt Hohmann. Wichtig sei aber, dass Prozesskosten und angestrebte Zollersparnis in einer „angemessenen Relation“ stünden. Für Einsparungen im vier- oder niedrigen fünfstelligen Bereich lohne sich ein Prozess meist nicht.

Zoll fahndet mit Spezialsoftware

Langwierige Konflikte um die „Eintarifierung“ nehmen mitunter skurrile Ausmaße an. So war bei nachgebildeten menschlichen Schädeln – beliebte Accessoires unter Anhängern der „Gothic“-Szene – strittig, ob es „Ziergegenstände aus Kunststoff“ (6,5 Prozent Zoll) oder „Waren aus Kunststein“ sind (1,7). Der BFH entschied: Obwohl 60 Prozent des Gewichts auf „Kunststein“ entfielen, präge der „Kunststoff“ das Erscheinungsbild (VII R 32/12). Ergo: 6,5 Prozent Zoll.

Und Güter bei der Onlineanmeldung des Importgeschäfts kurzerhand wie gewünscht einzustufen ist gefährlich: Der Zoll durchforstet Anmeldungen mit einer Spezialsoftware und schickt bei umstrittenen Produkten schnell Kontrolleure los. Dann droht nicht nur eine Nachzahlung, sondern auch eine Anklage wegen Steuerhinterziehung.