Mitarbeitersuche So halten und finden Sie qualifizierte Kräfte

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Fachkräftemangel

Eine Studie vom IW-Köln belegt erstmals den Mangel an qualifizierten Fachkräften in vielen Meister-Berufen. handwerk magazin hat nachgefragt, wie Betriebe mit der Situation umgehen, und was Personalexperten im Handwerk raten.

Carmen Heim, Inhaberin des Stuckateurbetriebs Egon Müller in Neckartenzlingen (bei Stuttgart), setzt auf faire Löhne, ein klasse Betriebsklima und ab und an eine Weiterbildung: "So hält das Team zusammen." - © Christian Mader

Den gut bezahlten Job in der Industrie aufgeben und für ein Drittel weniger Gehalt ins Handwerk wechseln? Carmen Heim, Inhaberin des Stuckateurbetriebs Egon Müller in Neckartenzlingen, hat vor sechs Jahren ihre Führungsposition beim Großkonzern IBM gegen die Leitung des Familienbetriebs im Neckartal eingetauscht. „Ich wollte endlich wirklich eigenverantwortlich entscheiden, das ist in einer Konzernhierarchie einfach nicht möglich“, erklärt Carmen Heim. Obwohl selbst der eigene Vater von diesem Schritt abriet, übernahm sie gemeinsam mit ihrem Bruder die Geschäfte mit all den typischen Problemen, die ein kleiner Familienbetrieb täglich bewältigen muss.

Mehr Spielraum bei den Löhnen

Beim Thema Mitarbeiter erkannte die ehemalige Managerin schnell das Dilemma, das auch viele andere Handwerkskollegen plagt: Weil die Margen durch den härter werdenden Preiskampf im klassischen Ausschreibungsgeschäft immer weiter sinken, fehlt den Betrieben einfach der dringend notwendige Spielraum bei den Löhnen. Mit der Folge, dass die guten Fachkräfte in besser bezahlte Jobs abwandern. Um das zu verhindern, beschloss Carmen Heim, künftig nicht mehr bei den üblichen großen Ausschreibungen mitzubieten, sondern sich vor allem auf die lukrativeren Aufträge von Privatkunden zu konzentrieren.

Der Plan ging auf: Heute arbeitet der Betrieb zu 95 Prozent für Privatkunden, und kann immer noch auf dasselbe Team zurückgreifen wie 2011. „Durch die besseren Margen haben wir jetzt deutlich mehr Spielraum bei den Löhnen als früher, das Geld ist nun mal für die Mitarbeiter ein sehr wichtiger Faktor“, fasst die Unternehmerin ihre Erfahrungen zusammen. In Kombination mit dem traditionell sehr guten und familiären Betriebsklima sowie regelmäßiger Weiterbildung ist sie zuversichtlich, ihr aus vier Deutschen, vier Kosovo-Albanern und einem Türken bestehendes Team auch künftig zusammenzuhalten. Gerne würde sie auch einen weiteren Mitarbeiter einstellen, doch Stuckateure sind in der Region praktisch nicht zu finden. „Die guten Leute“, so Carmen Heim, „sind in den Betrieben verwurzelt, und aktiv Fachkräfte bei den Kollegen abzuwerben kommt für mich nicht infrage.“

Meister und Techniker fehlen

Unglücklicher Einzelfall oder echter strategischer Fachkräfteengpass? Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hat erstmals die Fachkräftesituation speziell in den Berufen mit Aufstiegsfortbildung – im Handwerk sind dies Meister und Techniker – untersucht.

Da nach Erfahrung der Bundesagentur für Arbeit nur jede zweite offene Stelle wirklich gemeldet wird, liegt laut Definition der Wissenschaftler erst dann ein echter Engpass vor, wenn für eine gemeldete freie Stelle weniger als zwei Arbeitslose zur Verfügung stehen. In Baden-Württemberg, wo der Stuckateurbetrieb Müller seinen Firmensitz hat, haben die IW-Experten nun die größten Fachkräfteengpässe ausgemacht: Dort kommen auf 100 gemeldete freie Stellen in den Berufen mit Aufstiegsfortbildung nur 130 Arbeitslose, so wenig wie in keinem anderen Bundesland.

Fachkräftemangel wissenschaftlich bestätigt

Die Wahrnehmung eines praktisch leer gefegten Arbeitsmarkts, die Carmen Heim und viele ihrer Kollegen haben, ist nicht nur wissenschaftlich bestätigt, sondern die Studie zeigt auch die neue Dimension des seit Jahren vom Handwerk beklagten Fachkräftemangels.

So diagnostizierten die Wissenschaftler für 35 Berufe mit Aufstiegsfortbildung einen Fachkräfteengpass, damit ist jeder dritte Beruf betroffen. Unter den Top-Ten- Berufen mit den größten Engpässen sind aktuell fünf Handwerksberufe (siehe unten), im Berufsfeld „Bau und Gebäudetechnik“ ist der Mangel an Bewerbern mit gleich sechs Handwerksbe rufen aktuell am größten. Um gegenzusteuern empfehlen die IW-Experten den betroffenen Chefs, die Qualifizierung der Mitarbeiter zu unterstützen, Digitalisierungspotenziale zu nutzen sowie die Rekrutierungswege auszuweiten.

Nutzen Sie gezielt Netzwerke

Doch was können die Unternehmen außerhalb der klassischen Stellenanzeigen in Zeitungen, Online-Portalen und auf der eigenen Website tun? Die von handwerk magazin befragten Personalexperten aus der Handwerksorganisation empfehlen vor allem, die Möglichkeiten der vorhandenen Netzwerke auszuschöpfen. Während der Chef bei Kunden, Lieferanten und Geschäftspartnern regelmäßig für seinen Betrieb als attraktiver Arbeitgeber werben sollte, können die (zufriedenen) Mitarbeiter im Freundes- und Bekanntenkreis gezielt nach neuen Kollegen suchen. Eine Alternative, die zumindest bei den gut aufgestellten Betrieben im Handwerk funktioniert, wie die Manufactum-Handwerksstudie von Würth bestätigt: Danach sind Weiterempfehlungen für die Top-Ten-Betriebe der wichtigste Weg zur Fachkräftegewinnung.

Beim Netzwerken kommen nach Einschätzung der handwerklichen Personalexperten gleich mehrere Komponenten ins Spiel, die gerade bei der jüngeren Generation hoch im Kurs stehen: das Wir-Gefühl und die Emotionen. Jörg Thomä, Fachkräfteexperte am „Volkswirtschaftlichen Institut für Mittelstand und Handwerk“ der Uni Göttingen (ifh), räumt den Handwerksbetrieben im Wettbewerb um Fachkräfte gute Chancen ein, wenn sie sich um eine emotionale Ansprache bemühen: „Der Chef sollte sich nicht nur als Arbeitgeber, sondern auch als Mensch präsentieren, der auf die Stärke des Teams setzt.“ Monika Krömer, Projekt­koordinatorin und Beraterin für Fachkräftesicherung bei der Handwerks- kammer Reutlingen, rät zudem explizit dazu, Eltern und Großeltern „als Vermittler-Zielgruppe nicht zu vernachlässigen“. Denn gerade in jungen Jahren sei der Einfluss der Familie auf die Berufswahl keineswegs zu unterschätzen.

Der Lohn als Schmerzensgeld

Natürlich ist auch der Lohn nach Aussage des ifh-Experten Jürgen Thomä ein wichtiges Thema, doch gerade bei den begehrten jüngeren Fachkräften zwischen 20 und 40 Jahren spiele etwa auch die Vereinbarkeit von Job und Familie eine wichtige Rolle. Dass es sich gerade in den Berufen mit großen Personalengpässen lohnen kann, aktiv am Image als attraktiver Arbeitgeber zu feilen, zeigt laut Thomä das Beispiel der Hörgeräteakustiker. Die Branche, die 2015 noch die Hitliste der Engpassberufe anführte, hat bewusst in das Image investiert und ist nicht mehr in den Top Ten vertreten.

Erfolgsfaktor Wertschätzung

Als hätten sich die Experten abgesprochen, taucht die fehlende Wertschätzung bei den typischen Fehlern der Mitarbeiterführung auch in zwei weiteren Statements auf. Während Franz Falk, Geschäftsführer der Handwerkskammer Stuttgart, zudem bemängelt, dass die Unternehmer zu wenig Zeit in die aktive Personalarbeit investieren, haben die Mitarbeiter nach Einschätzung von Adriane Nebel (Handwerkskammer Berlin) oft keine Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln und Verantwortung zu übernehmen. Monika Krömer (Handwerkskammer Reutlingen) beklagt zudem den oftmals noch sehr rustikalen Umgangston im Handwerk, der das tradierte Image in der Wahrnehmung potenzieller Bewerber verfestigt.

Carmen Heim, die die Vorzüge der Arbeitsplätze in Industrie und Handwerk aus eigener Erfahrung kennt, versucht in ihrem Stuckateurbetrieb, das Beste aus beiden Welten zu kombinieren. Und sie akzeptiert dabei, dass nicht alle Mitarbeiter nach der großen Karriere streben und die angebotenen Weiterbildungsmaßnahmen voller Begeisterung annehmen. Ihr Fazit nach fünf Jahren Führungserfahrung im Handwerksbetrieb: „Wir brauchen in der Gesellschaft nicht nur Leithammel, sondern auch Mitarbeiter, die morgens um sieben in der Kälte stehen und eine Fassade fachgerecht verputzen.“