Handwerkskonjunktur So gut wie nie zuvor

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Mehr Umsatz, mehr Aufträge, mehr Mitarbeiter. Die konjunkturelle Lage des deutschen Handwerks ist auf einem Allzeithoch. Der Boom wird sich auch 2017 fortsetzen, wenn auch etwas schwächer als im Jahr 2016

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    © handwerk magazin, Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen
    Die Erfolgskurve im Handwerk. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks erwartet für 2016 ein Umsatzplus von 3,5 Prozent. 2017 bleibt die Wachstumsdynamik zwar grundsätzlich erhalten, allerdings werden die Topwerte von 2016 nicht mehr erreicht. Doch auch mit einem Plus von 2,5 Prozent steht das Handwerk besser da als die Gesamtwirtschaft.
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    © handwerk magazin, Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen
    Immer weniger Mitarbeiter erwirtschaften höhere Umsätze. Zwar legt das Handwerk 2016 um 15.000 zusätzliche Stellen zu, aber die Zeitreihe zeigt deutlich, dass der Fachkräftemangel nach wie vor ein großes Problem darstellt. Immerhin gelingt es den Betrieben wieder besser, Fachkräfte nach der Ausbildung im Handwerk zu halten.

Mit Superlativen wollte Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), nicht geizen, als er in Berlin den Konjunkturbericht des Handwerks präsentierte. „Die konjunkturelle Lage der Betriebe wurde noch nie so gut beurteilt, seit der ZDH nach der Wiedervereinigung die Konjunkturberichterstattung aufgenommen hat“, so Schwannecke.

Konkret bedeutet das: Der Gesamtumsatz steigt 2016 um satte dreieinhalb Prozent und liegt nun bei 563 Milliarden Euro, das gab es noch nie im Handwerk. Bei den Beschäftigten gibt es ein Plus von 15.000 Stellen, auch das hat es seit Jahren nicht mehr gegeben. Und auch die Auftragsreichweiten sind angewachsen, viele der rund 20.000 befragten Betriebe sind über Monate ausgelastet.

Die Show geht weiter

Erfreulich: Der Boom wird auch 2017 weitergehen, wenn auch leicht abgeschwächt. der ZDH rechnet mit einem Umsatzwachstum von 2,5 Prozent, die Beschäftigung dürfte ähnlich zulegen wie im Jahr 2016. Sogar bei den Azubis wird es nach 2015 und 2016 wohl auch 2017 ein Plus geben. Derzeit sind im Handwerk fast 400.000 Lehrlinge beschäftigt.

Das Handwerk entwickelt sich mehr und mehr zum Musterknaben der deutschen Wirtschaft. So musste Ingeborg Neumann, Vizepräsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, jüngst mitteilen, dass sich „die Stimmung im industriellen Mittelstand zunehmend verschlechtert“. Das war das zentrale Ergebnis des aktuellen BDI-Mittelstandspanels. Sahen 2016 noch fast die Hälfte (46 Prozent) der Unternehmen gute bis sehr gute Geschäftsbedingungen, schaut für 2017 nur noch ein Drittel (33 Prozent) aller befragten 14.000 Industrie-Mittelständler positiv in die Zukunft – ein Minus von 13 Prozentpunkten. Ein innovationsfeindliches Klima, steigende Energiekosten sowie der Fachkräftemangel seien für die düstere Prognose mitverantwortlich. Auch der ifo-Konjunkturtest vom November 2016 attestierte der Industrie ein weniger günstiges Geschäftsklima, vor allem, weil weniger neue Impulse aus dem Ausland erwartet werden.

Nimmt man die Konjunkturprognosen für das deutsche Bruttoinlandsprodukt, also den Gesamtwert aller Güter, die in Deutschland hergestellt werden, so zeigt sich ebenfalls die Spitzenstellung des Handwerks. Bundesregierung, die großen Wirtschaftsforschungsinstitute oder der Sachverständigenrat sagen für 2017 ein Wachstum zwischen 1,3 und 1,8 Prozent voraus (siehe Übersicht auf Seite 23). Zugegeben, man kann ein Umsatzplus von 2,5 Prozent im Handwerk nicht direkt mit einem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes gleichsetzen, aber als Stimmungsbarometer taugt der Vergleich allemal.

Die Branchen im Vergleich

Natürlich ist im Handwerk nicht alles Gold, was glänzt. Zum Beispiel zeigen sich die Handwerke für den gewerblichen Bedarf, die eng mit der Exportindustrie verbunden sind, verhaltener bei der Beurteilung ihrer aktuellen und künftigen Geschäftslage. Aber ansonsten herrscht eitel Sonnenschein. Die Geschäftslage in den wichtigen Handwerksbereichen:

Bau:
Der florierende Wohnungsbau trägt die Konjunktur im Bauhauptgewerbe. 58 Prozent der Betriebe melden gute Geschäfte, das sind sechs Prozent mehr als im Herbst 2015. Die Auftragsreichweite liegt bei 9,5 Wochen – eine Zunahme um 0,6 Wochen.

Ausbau: Der Neubau und die hohe Nachfrage nach Sanierungen kurbeln das Geschäft an. 63 Prozent der Betriebe sprechen von guter Geschäftslage, weitere 32 von zufriedenstellender. Die Betriebsauslastung ist hoch, ebenso die Einstellungsbereitschaft.

Gewerblicher Bedarf: Hier zeigt sich eine leichte Abschwächung auf hohem Niveau. Immerhin berichtet noch mehr als jeder zweite Betriebsinhaber von guten Geschäften. Die Betriebe wollen auch neue Mitarbeiter einstellen, da sie in den kommenden Monaten eine verbesserte oder stabile Geschäftslage erwarten.

Kraftfahrzeuge: 2016 sind die Pkw-Absätze gestiegen, das Servicegeschäft ist gut ausgelastet. 89 Prozent der Inhaber sehen die Lage gut oder zufriedenstellend.

Lebensmittel: Die Geschäftslage erreicht ein Spitzenniveau. 92 Prozent der Betriebe beurteilen die Lage als gut oder zufriedenstellend an. Und es soll noch besser weitergehen, sagen Bäcker, Brauer, Fleischer und Konditoren. Viele suchen nach neuen Mitarbeitern.

Gesundheit: Die Betriebe melden konstant gute Geschäfte, steigende Beschäftigung und positive Erwartungen für 2017.

Persönliche Dienstleistungen: Die Zahl der Betriebe mit besserer Geschäftslage steigt von 35 Prozent (Herbst 2015) auf 39 Prozent. Insgesamt erreichen Betriebsauslastung und Erwartungen das Niveau des Vorjahres.

Die Gründe für den Erfolg

Klar ist, dass das Handwerk weiter von der guten Binnenkonjunktur getragen wird. Wachsende Beschäftigtenzahlen, steigende Reallöhne und eine noch immer geringe Teuerungsrate sorgen dafür, dass bei den Verbrauchern das Geld locker sitzt. Niedrige Zinsen und der starke Zuzug in den Ballungszentren treiben vor allem den Wohnungsbau an. „Der Konsum der privaten Haushalte umfasste im Durchschnitt der vergangenen 15 Jahre rund 56 Prozent der Wirtschaftsleistung“, erklärt Robert Lehmann, Konjunkturexperte des Münchner ifo-Instituts. Lehmann ist sicher, dass der Konsum weiter wachsen wird.

Doch es sind nicht nur von außen auf das Handwerk einwirkende Faktoren, die den wirtschaftlichen Erfolg ausmachen. „Die Betriebe ziehen bei der technologischen Entwicklung mit“, stellt ZDH-Generalsekretär Schwannecke fest. Zehntausende Handwerksbetriebe seien inzwischen sogar Treiber der Digitalisierung, da sie national und international im starken Wettbewerb stehen.

Mögliche Risiken

2017 wird eine neue Bundesregierung gewählt. Pläne, die den Faktor Arbeit verteuern, zum Beispiel höhere Sozialabgaben, wären für beschäftigungsintensive Handwerksbetriebe schädlich. Genauso wie Steuererhöhungen. Höhere Zinsen könnten die Investitionen der Betriebe ausbremsen, aber auch den derzeitigen Bauboom stoppen. Die unsichere Zukunft der Europäischen Union nach dem Brexit könnte sich als langfristige Wachstumsbremse erweisen.

Ein Dauerproblem bleibt der Fachkräftemangel. Immerhin ist es dem Handwerk gelungen, dank groß angelegter Nachwuchskampagnen den Negativtrend zu durchbrechen und 2015 und 2016 wieder ein Plus bei den Ausbildungsverträgen zu erreichen. Doch den akuten Fachkräftemangel können die neuen Azubis nicht auffangen. In den letzten zehn Jahren ist die Beschäftigtenzahl im Handwerk um rund 170.000 geschrumpft.

Branchentrends

Augenoptiker
Bei den kleineren Betrieben gehen die Stückzahlen zurück, Preiserhöhungen können das nur zum Teil kompensieren. Gewinner sind die großen Filialisten.

Bäcker
Die Premiumstrategie und das Besinnen auf Qualität, Regionalität, Transparenz und Tradition bieten den Bäckereibetrieben beste Möglichkeiten am Markt. Umsatzbringer bleibt auch der „Außer-Haus-Verzehr“.

Baugewerbe
Der Wohnungsbau vor allem in Ballungszentren boomt bereits im fünften Jahr. Im Bundeshaushalt ist 2017 eine Milliarde Euro mehr für den Straßenbau eingeplant, das bringt Aufträge. Auch im Wirtschaftsbau sind Zuwächse zu erwarten.

Elektro- und Informationstechnische Handwerke
Den größten Umsatz erwirtschaften die Betriebe im Bereich Energie- und Gebäudetechnik. Es folgen Informations- und Telekommunikationstechnik sowie Automatisierungstechnik. Trends 2017 sind Lichttechnik (LED), Smart Home, Elektromobilität sowie Einbruchschutz.

Fleischer
Das Grillgeschäft bleibt ein Renner, genauso Take-away- und andere gastronomische Angebote. Premiumfleisch wird auch künftig stärker nachgefragt, zunehmend aber auch vegetarische und sogar vegane Produkte.

Kraftfahrzeuggewerbe
Am besten entwickelt sich derzeit das Werkstattgeschäft mit Steigerungen um fünf Prozent. Steigende Zulassungen von Elektrofahrzeugen in den nächsten Jahren werden nach Aussage des Verbandes kaum Auswirkungen auf den Service-Umsatz haben.

Metallhandwerk
Marktpotenzial gibt es bei Renovierungen im Metallbau, auch über Wartungsverträge sowie im Bereich 3D-Druck, wo immer mehr Metallpulverarten zum Einsatz kommen

S anitär Heizung Klima
Die Sanierungen von Bädern und Heizungen sowie das Kundendienstgeschäft wirken sich weiterhin positiv auf die Geschäftsentwicklung aus. Die verstärkte Geldanlage in die eigenen vier Wände wird das Sanierungsgeschäft stabil halten. Neue Techniken wie die Brennstoffzellenheizung versprechen Marktpotenzial für die Zukunft.