Beschäftigungsalternativen Minijobber und Teilzeitkraft: So gelingt Flexibilität

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Arbeitsrecht, Arbeitszeit und Arbeitszeitmodelle, Befristeter Arbeitsvertrag und New Work

Handwerksunternehmen stellen sich auf Engpässe häufig durch eine Vielfalt von Beschäftigungsverhältnissen ein. Die rechtlichen Vorgaben für den Einsatz von Minijobbern & Co. sollten sie allerdings einhalten. Sonst drohen Strafen.

Jan Spohler (Mitte), Personalchef der Konditorei Junge GmbH aus Lübeck mit Mitarbeitern.
Jan Spohler (Mitte), Personalchef der Konditorei Junge GmbH aus Lübeck mit Mitarbeitern. - © Jörg Brockstedt

Mit 200 eigenen Geschäften und rund 4.300 Mitarbeitern zählt das in Lübeck ansässige Unternehmen Konditorei Junge GmbH heute zu den größten Bäckereiketten Deutschlands. Gemeinsam mit seinem geschäftsführenden Mitgesellschafter Tobias Schulz führt Axel Junge (61) als geschäftsführender Gesellschafter das Familienunternehmen – und das bereits in vierter Generation. 1897 hatte Urgroßvater Johannes C.D. Junge mit der Gründung der Dampfbäckerei Hansa in Lübeck den Grundstein für das Unternehmen gelegt, das heute in ganz Norddeutschland und in der Hauptstadt Berlin seine vielfach ausgezeichneten Backwaren, Snacks und Kaffeespezialitäten vertreibt.

Doch nicht nur das Brot von Junge wurde schon vielfach prämiert – auch für ihre Rolle als Arbeitgeber erhielt die Großbäckerei immer wieder Bestnoten und Awards. Als veritabler und ständig wachsender Mittelständler mit mehreren Tausend Mitarbeitern ist ein professionelles Personalmanagement für Junge seit vielen Jahren unerlässlich. Die Aufgaben für die Personalabteilung sind komplex – nicht nur wegen der Größe des Unternehmens, sondern auch wegen der Vielfalt der Aufgaben: „Wir verstehen uns ja nicht nur als reiner Handwerksbetrieb, sondern sind zugleich auch Einzelhändler, Systemgastronomen und Bäckereicafébetreiber“, unterstreicht Junge-Personalchef Jan Spohler. Neben Bäckern und Konditoren sind bei Junge heute Köche, Fachverkäufer, Büromanager, IT-Spezialisten und viele weitere Berufe vertreten. Die passgenaue, flexible Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse gehört zu den Kernaufgaben der Junge-Personaler.

Individuelle Lösungen

So vielfältig die Aufgaben, so individuell die Lösungen. Wobei: Auch die klassische Vollzeitbeschäftigung spielt natürlich weiter eine große Rolle im Unternehmen. Für viele Arbeitnehmer bleibt diese Form der Beschäftigung weiter attraktiv, nicht zuletzt wegen der Bezahlung. „Wir haben einige Vollzeitkräfte mit mehr als 40-jähriger Betriebszugehörigkeit“, erzählt Spohler.

Flexibilität ist ansonsten Trumpf bei Junge. Das liegt auch an den vielen touristisch geprägten Standorten des Unternehmens an der deutschen Ostseeküste. „Dort sind wir natürlich extremen saisonalen Nachfrageschwankungen ausgesetzt“, sagt Spohler. Zu schaffen sei das nur mit einem großen Anteil an flexibel einzusetzenden Mitarbeitern. „Das sind dann in der Regel geringfügig Beschäftigte.“ Studenten und Schüler, aber auch berufliche Wiedereinsteiger füllen vielfach die sogenannten Minijobs aus. Befristete Arbeitsverhältnisse, ein weiteres Instrument, geben beiden Seiten die Chance, sich vor einer Festanstellung näher kennenzulernen. Gerade für Ein- und Umsteiger, die sich in ihrem Berufswunsch noch nicht sicher sind, sei das oft sinnvoll, so Spohler. Die Flexibilität kennt bei Junge aber auch Grenzen: „ Arbeit auf Abruf machen wir zum Beispiel nicht.

Arbeiten, wenn Arbeit anfällt

Das ist bei vielen kleinen Betrieben und Existenzgründern mit oft stark schwankendem Arbeitsanfall allerdings anders: Dort ist dieses Instrument „derzeit ein großes Thema“, hat Matthias Geilert beobachtet. Für solche Unternehmen, die mal sehr viel und dann auch mal wieder sehr wenig zu tun haben, sei die Arbeit auf Abruf, „eine gute und arbeitsrechtlich saubere Lösung“, unterstreicht der Hamburger Steuerberater und Rechtsanwalt.

Und er hat noch einen weiteren Tipp parat: Wenn ein Handwerksbetrieb einen neuen Kollegen vor Festanstellung erst einmal kennenlernen möchte, biete sich das sogenannte Einfühlungsverhältnis an. „Das kann für einen jungen Menschen, der sich noch gar nicht sicher ist, ob ein Job zu ihm passt, oder nicht weiß, wie es in einem Handwerksbetrieb oder auf einer Baustelle zugeht, eine gute Möglichkeit sein, das zu testen, ohne sich gleich zu binden“, so Geilert. Der potenzielle neue Mitarbeiter darf dann bis zu maximal einer Woche in den Betrieb hineinschnuppern. Geld erhält er dafür keins. Eine Pflicht zur Arbeitsleistung besteht andererseits auch nicht. Ein weiterer Vorteil: Der „Papierkram“ ist deutlich reduziert, ein einfacher Vertrag reicht. Der sollte allerdings unbedingt geschlossen werden, um Missverständnisse zu vermeiden, sollte etwa der Zoll anklopfen. Geilert: „Mit einem kleinen Vertrag ist der Betrieb abgesichert, vor allem gegen den Vorwurf der Schwarzarbeit.“

Geben und Nehmen

Zurück zu Großbäcker Junge. Dort ist Flexibilität gelebte Realität, dabei aber keineswegs eine Einbahnstraße. Im Gegenteil: Auch die Personalverantwortlichen lassen sich viel einfallen und kommen ihren Beschäftigten so entgegen. Besonders stolz ist man im Unternehmen auf die selbst entwickelte sogenannte Junge-Mutterschicht. Die Wünsche und Bedürfnisse der jungen Mütter, die sich neben dem Job auch noch um den eigenen Nachwuchs kümmern müssen, stehen hierbei im Vordergrund, die Schichten werden drum herum geplant. Das verlangt zwar etwas Organisationstalent und Kompromissbereitschaft seitens der Führungskräfte, wird aber auch mit besonderer Loyalität belohnt. „Solche zufriedenen Mitarbeiter gehen uns nicht so schnell verloren, sie kehren auch nach einer Auszeit gern wieder zu uns zurück“, sagt Spohler.

Wie Junge setzen heute viele Unternehmen auf flexiblere Beschäftigungsmodelle . Auch der Zentralverband des Handwerks (ZDH) lobt den Minijob. Für Arbeitnehmer sei dieser attraktiv, weil sie nur geringe oder gar keine Abgaben zahlen müssten. Für Arbeitgeber würden mit Minijobbern in vielen Gewerken erst besondere Öffnungszeiten etwa in den Abendstunden oder an Sonntagen möglich. Und auch gegen den zunehmenden Fachkräftemangel soll der Minijob ein Mittel sein: „Gerade in Zeiten zunehmender Probleme bei der Fachkräftesuche können Beschäftigte, die in Rente gehen, im Rahmen von Minijobs noch eine Weile weiter im Betrieb tätig sein. Ihre Arbeitserfahrung und ihr Fachwissen bleiben dem Betrieb so erhalten“, betont ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke.

Minijob in Gefahr

Die Betriebe stünden allerdings bei jeder Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns (aktuell liegt er bei 9,60 Euro, steigt ab Januar 2022 auf 9,82 Euro und ab Juli 2022 auf 10,45 Euro) oder von Tariflöhnen vor dem Problem, dass die Arbeitszeit von Minijobbern an der 450-Euro-Grenze gekürzt werden müsse (ab 1. Oktober 2022 wird die Grenze auf 520 Euro angehoben), da für die Beschäftigten eine sozialversicherungs- (und gegebenenfalls steuer-)pflichtige Tätigkeit oberhalb von 450 Euro finanziell unattraktiv sei. „Daher fordern wir eine Anhebung der Minijob-Grenze auf 500 Euro, um die Attraktivität der Minijobs zu erhalten“, unterstreicht Schwannecke und warnt zugleich vor einer völligen Abschaffung der Abgaben- und Steuerfreiheit von Minijobs, wie sie mitunter auch gefordert werde. „Das würde viele Minijobber gänzlich von einer Erwerbstätigkeit abhalten“, ahnt der ZDH-Generalsekretär.

Die Risiken kennen!

Wer als Unternehmer auf Minijob und Co. setzt, muss allerdings aufpassen und alle, teilweise durchaus komplexen Regeln äußerst penibel einhalten. Von einem „Pulverfass“ sprechen sogar manche Insider und mahnen zu Genauigkeit. Denn Betriebsprüfer und Fahnder des Zolls kontrollieren regelmäßig, ob Arbeitgeber beispielsweise den korrekten Mindestlohn von derzeit 9,35 Euro pro Stunde zahlen und sich an die entsprechenden Aufzeichnungsvorschriften halten.

Aus der Praxis weiß Stefan Haban , Rechtsanwalt bei Ecovis in Regensburg, dass auch 450-Euro-Jobber genau unter die Lupe genommen werden: „Vorsicht ist geboten, wenn bei Minijobbern die Grenze von 450 Euro pro Monat (ab 1. Oktober 2022 sind es 520 Euro) mehr als dreimal pro Jahr überschritten wird oder aufgrund eines vorhersehbaren Ereignisses das Jahresbrutto über 5.400 Euro liegt.“ Dann werde seitens der Behörden regelmäßig ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis angenommen. „Dies kann erhebliche strafrechtliche Folgen haben und hohe Bußgelder nach sich ziehen. In solchen Fällen steht der Vorwurf einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung im Raum“, warnt Haban. „Unterstützung durch Steuer- und Rechtsprofis bewahrt vor Schaden.“

Beschäftigung im Handwerk

Knapp 14 Prozent der Beschäftigten im Handwerk werden laut Statistischem Bundesamt geringfügig entlohnt. Laut Minijob-Zentrale ist der Minijob vor allem bei Rentnern über 65 beliebt.

Beschäftigung im Handwerk
Beschäftigung im Handwerk - © Chart: handwerk magazin, Quelle: Statistisches Bundesamt/ Handwerkszählung 2017

Checkliste: Steuerlicher und rechtlicher Rahmen

Aushilfen, Studenten oder Rentner leisten in vielen Betrieben einen wichtigen Beitrag. Wer sie beschäftigt, muss allerdings die jeweiligen rechtlichen und steuerlichen Regelungen beachten. Detaillierte Informationen zur weitverbreiteten geringfügigen Beschäftigung bietet u.a. die Minijob-Zentrale an.

Die wichtigsten Eckpunkte

450-Euro-Minijob

  • Der Verdienst darf 450 Euro brutto im Monat regelmäßig nicht übersteigen
  • Der Verdienst darf 5.400 Euro brutto im Jahr nicht übersteigen
  • Steuerpflichtig, aber pauschale Steuer von 2 % möglich
  • Rentenversicherung: Arbeitgeberpauschalbeitrag (15 %) plus Eigenanteil Arbeitnehmer (3,6 %)
  • Krankenversicherung: Arbeitgeberpauschal-beitrag 13 %
  • Vollrentner zahlen keinen Rentenversicherungseigenanteil
  • Arbeitszeitkonten grundsätzlich möglich
  • Anspruch auf Mindestlohn
  • Stundenaufzeichnung ist Pflicht

Kurzfristige Minijobs

  • Maximal drei Monate oder 70 Tage
  • Keine Einkommenshöchstgrenze
  • Keine berufsmäßige Ausübung der Tätigkeit
  • Steuerpflichtig, unter bestimmten Voraussetzungen Pauschalierung möglich
  • Keine Sozialversicherungsbeiträge, dafür Umlagen
  • Anspruch auf Mindestlohn
  • Stundenaufzeichnung ist Pflicht

Midijob

  • Monatlicher Verdienst zwischen 450,01 und 1.300 Euro brutto
  • Voll sozialversicherungspflichtig, der Midijobber zahlt aber reduzierten Beitrag
  • Steuerpflichtig

Flexible Teilzeit: Arbeit auf Abruf

  • Keine festen Arbeitszeiten, sondern Abruf entsprechend Arbeitsanfall
  • Mindestarbeitszeit: drei Stunden am Stück
  • Es muss ein wöchentliches und tägliches Mindestarbeitszeitvolumen vereinbart werden
  • Ansonsten gelten 20 Wochenstunden als vereinbart
  • Zusatzarbeit begrenzt möglich
  • Der Chef muss eine Ankündigungsfrist von vier Tagen einhalten

Arbeitszeitkonten

  • Gleitzeit- oder Jahreskonto
  • Arbeitnehmer erhält gleichbleibendes Monatsentgelt
  • Arbeitszeit nach betrieblichem Bedarf
  • Bis zu drei Monate Freistellung möglich (unter Fortzahlung des monatlichen Entgelts)
  • Auch bei Minijobbern möglich

Werkstudenten

  • Reduzierte Sozialabgaben (in der Regel nur Rentenversicherungsbeiträge)
  • Maximal 20 Wochenstunden (Semesterferien 40)
  • Anspruch auf Mindestlohn Alternative: Studenten als Minijobber beschäftigen

Praktikanten

  • Erwerb von Fähigkeiten und Kenntnissen steht im Vordergrund
  • Pflichtpraktikanten (z. B. Schüler, Studenten) haben keinen Anspruch auf Vergütung
  • Angemessene freiwillige Aufwandsentschädigung möglich
  • Dürfen nicht wie normale Arbeitnehmer eingesetzt werden
  • Freiwillige Praktikanten (z. B. Hochschulabsolventen) gelten steuerlich und rechtlich als Arbeitnehmer (außer Schnupper-Praktika)
  • Freiwillige Praktikanten haben Anspruch auf angemessene Vergütung