Ausbildungsbeginn Berufsanfänger: So gelingt der perfekte Start in die Ausbildung

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Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance: Laut BiBB kündigt ein Drittel der Berufsanfänger bereits in der Probezeit. Je schneller es gelingt, die Auszubildenden ins Team zu integrieren, desto höher die Erfolgschancen. Worauf es in den ersten Wochen besonders ankommt.

Gerd Zanker  mit Azubi Max Rehberg
Elektromeister Gerd Zanker (li) in Starnberg am firmeneigenen Kickertisch mit Azubi Max Rehberg. - © Tanja Kernweiss

Anfang September haben Andrea und Gerd Zanker gleich morgens um acht Uhr einen wichtigen Termin: das gemeinsame Frühstück mit den neuen Auszubildenden. Sechs Jugendliche konnte Elektro Saegmüller in Starnberg für eine Ausbildung im Handwerk gewinnen. Jeder davon hat in dem über 100 Mitarbeiter zählenden Betrieb zuvor ein Praktikum absolviert, bei dem beide Seiten testen konnten, ob es grundsätzlich passen könnte. „Wir schauen da schon sehr genau hin, schließlich sind unsere Teams täglich bei namhaften Kunden im Einsatz“, erklärt Firmenchef Gerd Zanker die Strategie. Seit 30 Jahren arbeitet er bereits im Traditionsbetrieb. Als der Vorbesitzer in der Familie keinen Nachfolger fand, hat Gerd Zanker seinem ehemaligen Chef den Betrieb abgekauft und die bestehenden Geschäftsfelder weiterentwickelt. Der Kundendienst untersteht Andrea Zanker, dort werden die klassischen Kleinaufträge abgewickelt. Im Projektgeschäft zählen heute der FC Bayern, Pro7/Sat1, Webasto und Mercedes zur prominenten Kundschaft, dazu betreut der Betrieb zahlreiche Villen-Eigentümer im Starnberger Raum. Erst vor zwei Jahren wurde Elektro Saegmüller als bester Ausbildungsbetrieb in der Region Starnberg/Ammersee mit dem Wirtschaftspreis Starnberg ausgezeichnet.

Erfolgsfaktor: Wertschätzung von Anfang an

„Natürlich ist es für die Jungs das Höchste, beim FC Bayern tätig sein zu dürfen“, freut sich der Firmenchef über einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber Arbeitgebern. Doch das ist längst nicht alles, was Saegmüller zu bieten hat. Nach dem Willkommen-Frühstück am ersten Tag erhalten die neuen Auszubildenden eine Einführung in die Spielregeln und Werte des Unternehmens, auf das Mittagessen folgen dann am Nachmittag weitere Programmpunkte, die der Einführung in das Unternehmen dienen.

Am zweiten Tag startet das dreiwöchige, fachbezogene Inhouse-Training, erst danach gehen die Jung-Azubis mit zu den Kunden. Um rechtzeitig festzustellen, ob es irgendwo nicht wie vorgesehen läuft, bewertet der Ausbilder nicht nur seinen Auszubildenden, sondern dieser darf auch regelmäßig über seinen Vorgesetzten urteilen. So entsteht nach Erfahrung von Firmenchef Zanker nicht nur ein positiver, interner Wettbewerb zwischen den Ausbildern, sondern der Jugendliche merkt auch, dass seine Meinung ernst genommen wird. Zu viel Aufwand für ein paar „Lehrlinge“? Gerd Zanker hat dazu eine klare Meinung: „Es gibt keine Lehrlinge mehr, die Auszubildenden verdienen von Beginn an Respekt und Wertschätzung.“

Andrea Greilinger, Wissenschaftlerin am Ludwig-Fröhler-Institut (LFI) in München , kann diese Einschätzung nur bestätigen. Weil im Handwerk jedes Jahr rund ein Drittel der Ausbildungsverträge während der Ausbildungszeit wieder gelöst wird, hat sie für ihre Studie zu den Ausbildungsabbrüchen Betriebe und ehemalige Handwerk-Azubis nach den Ursachen befragt. Wie immer, wenn sich zwei Seiten zum gleichen Thema äußern, sind die Antworten zum Teil widersprüchlich, da Betrieb und Auszubildende oft sehr unterschiedliche Erwartungen haben. Um diese besser in Einklang zu bringen, rät Greilinger den Betrieben, „am zwischenmenschlichen Umgang“ anzusetzen: „Die Jugendlichen fühlen sich oft nicht gut ins Team integriert, deshalb sind Maßnahmen zur Teambildung von Beginn an wichtig.“

Ursachen Warum Jugendliche ihre Ausbildung abbrechen

Mangelnde Akzeptanz, Teamkonflikte sowie unbefriedigende Arbeitsinhalte sind die Hauptgründe für einen Abbruch.

GründeProzent
Betriebliche Gründe
Konflikte mit Kollegen39 %
Vorwiegend Routinetätigketein39 %
Nicht ausreichende Kommunikation37 %
Zeit-/Leistungsdruck32 %
Vertragliche Gründe
Ausbildungsfremde Tätigkeiten35 %
Fachliche Inhalte nicht ausreichend vermittlet31 %
Häufig geleistete/unbezahlte Überstunden30 %
Nichteinhaltung des Jugensarbeitsschutzgesetzes19 %
Probleme mit Urlaubsregelung19 %
Persönliche Gründe
Andere Ausbildungsstelle gefunden30 %
Kein Wunschberuf21 %

Quelle: LFI Studie von Andrea Greilinger

Teambuilding an erster Stelle

Andrea und Gerd Zanker wissen sehr gut, was die Expertin meint. „Wir versuchen immer, zeitnah nach dem Ausbildungsstart einen Azubi-Ausflug oder Ähnliches zu organisieren“, erklärt der Elektromeister. Um Unternehmenswerte und Visionen intensiver zu vermitteln, engagiert der Betrieb für das zweite Ausbildungsjahr auch ab und an einen Teamentwickler, der gezielt zu dem Thema mit den Jugendlichen arbeitet. Ein, wie Andrea Zanker weiß, wichtiges Thema für die Generation Z, die eben komplett anders tickt als frühere Generationen: „Die Jugendlichen beschäftigen sich schon während der Ausbildung sehr intensiv mit dem Sinn ihrer Arbeit, darauf müssen wir als Arbeitgeber reagieren.“

Wie entscheidend es ist, gerade beim Start in die Ausbildung die weichen Faktoren im Auge zu behalten, zeigt auch das Projekt „Erfolgreich ausgebildet – Ausbildungsqualität sichern“ in Baden-Württemberg, bei dem die Erfahrungen der, bei der Handwerkskammer angesiedelten, Ausbildungsbegleitung detaillierter untersucht werden. „Oftmals ist es ein erstes Ziel, zu vermitteln, wie wichtig es ist, ehrlich und respektvoll miteinander zu kommunizieren und eine vertrauensvolle Basis für ein Miteinander zu schaffen“, fasst Projektleiterin Karin Pöhler die ersten Erkenntnisse zusammen. Darüber hinaus wäre es nach ihrer Einschätzung wünschenswert, wenn Betriebe und Auszubildende nicht erst dann bei der Ausbildungsbegleitung vorsprechen würden, wenn die Situation eskaliert ist.

Damit es erst gar nicht so weit kommen kann, rät LFI-Expertin Andrea Greilinger, neben den weichen Faktoren auch die Arbeitsbedingungen sowie die Ausbildungsqualität zu überwachen. Schließlich klagen 35 Prozent der 560 befragten Ausbildungsabbrecher in ihrer Studie über ausbildungsfremde Tätigkeiten, 30 Prozent bemängeln häufige und oft sogar unbezahlte Überstunden. „Die Vergütung“, so Greilinger, „zählt zwar nicht zu den top drei Abwanderungs- oder Bleibegründen, muss aber ebenso stimmen wie die Ausbildungsinhalte.“

Iphone und Leistungsprämien

Im Starnberger Elektrobetrieb Saegmüller gibt es neben der branchenüblichen Ausbildungsvergütung nach der Probezeit für jeden Auszubildenden ein iPhone inklusive Diensthandyvertrag, das auch privat genutzt werden kann. Wird Teil 1 der Gesellenprüfung mit einem Notenschnitt zwischen 1,0 und 2,0 abgelegt, erhöht sich die jeweilige Ausbildungsvergütung pro Monat um 30 Prozent, liegt die Note zwischen 2,1 und 3,0 gibt es 15 Prozent mehr. Darüber hinaus können alle Mitarbeiter von einer Gewinnbeteiligung profitieren, wenn die Teams ihre gemeinsam mit der Geschäftsleitung festgelegten Umsatzziele übertroffen haben. „Den Überschuss hätten wir ohne den Einsatz der Mitarbeiter nicht erwirtschaftet, deshalb zahlen wir 40 Prozent davon an die Mitarbeiter aus, dazu gehören natürlich auch die Auszubildenden“, erklärt Gerd Zanker. Bei derart viel Engagement für die Mitarbeiter scheint die Frage nach Ausbildungsabbrechern fast überflüssig zu sein. In der Tat kann sich der Starnberger Unternehmer nur an einen Jugendlichen erinnern, der wegen der auf Dauer zu langen Anfahrt zu einem Elektrokollegen in der Region Fürstenfeldbruck gewechselt ist. Alle anderen sind geblieben, wenn auch nicht zwingend für immer. „Seit es keine Pflicht-Gesellenjahre mehr gibt gehen einige nach der Ausbildung gleich zur Meisterschule und suchen sich dann Jobs außerhalb des Handwerks“, bedauert der Firmenchef die seiner Meinung nach wenig sinnvolle Neuregelung. Doch das sei wohl eine andere Geschichte.

Ablaufplan So gelingen die ersten Azubi-Tage

Für Sie als Unternehmer ist es Routine, für die Auszubildenden startet gleich ein neuer Lebensabschnitt. Damit die Wellenlänge vom Start weg passt, sollten Sie den ersten Arbeitstag sorgfältig planen. Die wichtigsten Schritte dazu sind:

  • Den ersten Tag ankündigen Um dem neuen Auszubildenden einen Einblick zu geben, was ihn im Betrieb erwartet, sollten Sie ihm bereits wenige Tage vor dem Start per Mail über den Ablauf des ersten Tages informieren. Wo soll er wann sein? Bei wem soll er sich melden? Was muss er mitbringen? Viele Betriebe erarbeiten zusammen mit den Auszubildenden eine Einführungsmappe, die den Neuen den Betrieb aus Sicht der Azubi-Kollegen vorstellt.

  • Die Begrüßung organisieren Ein herzliches „Willkommen“, bei dem sich Chef, Führungskräfte und der vorgesehene Ausbildungsverantwortliche – in Kleinstbetrieben auch gerne das gesamte Team – Zeit für den Auszubildenden nehmen, ist eine wichtige Form der Wertschätzung. Ein kleines Frühstück dient dem gegenseitigen Kennenlernen und ist eine gute Chance, dem Nachwuchs einen ersten Eindruck in die Firmenkultur und gelebten Werte zu geben. Denn im Gegensatz zu Vorgängerjahrgängen hinterfragt die Generation Z gleich zum Start ins Berufsleben den Sinn einer Tätigkeit. Abrunden lässt sich das Einführungsgespräch mit einem Betriebsrundgang.

  • Die Spielregeln klären Vom Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten bis hin zur Handynutzung während der Arbeitszeit gibt es in jedem Betrieb zahlreiche Vorgaben und Verhaltensweisen. Es ist Aufgabe des Chefs oder Ausbildungsverantwortlichen, diese dem neuen Auszubildenden gleich zu Beginn zu erläutern und auch später deren Einhaltung zu überwachen. Wichtig: Lassen Sie Rückfragen zu und erklären Sie den Sinn einer Regelung. Ergänzend dazu kann ein geeigneter Azubi-Kollege aus dem zweiten oder dritten Lehrjahr den Neuzugang noch in den für die Jugendlichen besonders wichtigen Themen briefen.

  • Einweisung am Arbeitsplatz Passende Berufs- oder Schutzkleidung sowie die notwendigen Arbeitsmittel sollten bereitliegen, auch wenn sie am ersten Arbeitstag noch nicht unbedingt benötigt werden. Neben der fachlichen Einweisung müssen die Auszubildenden natürlich auch über die jeweiligen Gefahren nach Arbeitsschutzgesetz aufgeklärt werden.

  • Ziele und Ausbildungsplan Wie geht es in den nächsten Tagen und Wochen weiter? Was sollte der Auszubildende am Ende der ersten Woche erreicht haben? Ein strukturierter Ausbildungsplan gibt dem neuen Azubi nicht nur Sicherheit, sondern auch die Chance, sich auf die kommenden Herausforderungen einzustellen. Konkrete fachliche Nahziele motivieren in kleinen Schritten auf dem Weg zum ganz großen Ziel, dem Ablegen der Gesellenprüfung.

  • Feedback: das 5-Minuten-Gespräch Chef oder Ausbildungsverantwortliche sollte sich gerade in den ersten Wochen jeden Tag fünf Minuten Zeit für ein Feedbackgespräch mit dem Auszubildenden nehmen. Erkundigen Sie sich, wie der Tag aus Sicht des Auszubildenden verlaufen ist, ob es Probleme gibt und was vielleicht noch benötigt wird. Durch die regelmäßige Kommunikation haben Sie die Chance, etwaige Fehlentwicklungen rechtzeitig zu erkennen.