Marktanalyse So finden Handwerker die passende Berufsunfähigkeitsversicherung

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Berufsunfähigkeitsversicherung

Jeder vierte Arbeitnehmer scheidet aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus dem Arbeitsleben aus. Staatliche Hilfe gibt es kaum. Daher ist private Vorsorge unerlässlich. Doch für Risikojobs – dazu zählen fast alle Handwerksberufe – ist die Berufsunfähigkeitsversicherung extrem teuer geworden. Für Sie haben wir den Markt jetzt analysiert.

Berufsunfähigkeitsversicherung
Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten kann, fällt in Deutschland nicht in ein weiches soziales Netz. Der Staat bietet schon seit langem keinen Berufsschutz mehr. - © gilaxia/iStockphoto.com

Der Markt für Berufsunfähigkeitsversicherungen ist recht undurchsichtig und oft durchsetzt von teuren Angeboten. Neben zahlreichen bestehenden Tarifen hat nun auch der Versicherer Münchener Verein eine Alternative auf den Markt gebracht. handwerk magazin hat sich die Berufsunfähigkeitsversicherungen für angestellte Handwerker und das neue Produkt genau angesehen.

Hintergrund: Kein Berufsschutz vom Staat

Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten kann, fällt in Deutschland nicht in ein weiches soziales Netz. Der Staat bietet schon seit langem keinen Berufsschutz mehr. Betroffen sind alle Berufstätigen, die ab dem 2. Januar 1961 geboren, also heute jünger als 57 Jahre alt sind. Anspruch auf die gesetzliche Erwerbsminderungsrente hat man in dieser Gruppe nur dann, wenn man nicht mehr in der Lage ist, mindestens drei Stunden am Tag irgendeiner Beschäftigung nachzugehen. Dabei spielt der erlernte Beruf keine Rolle. Die halbe Rente erhalten diejenigen, die länger als drei Stunden, aber kürzer als sechs Stunden arbeiten können. Der Staat hinterlässt somit in allen Fällen eine schwere Versorgungslücke, die nur privat sinnvoll geschlossen werden kann.

"Der Vermögenswert Arbeitskraft wird viel zu oft vernachlässigt"

"Mich hat ein Unfall eines Malerkollegen in Teterow sensibilisiert. Der ist mitsamt seinem selbstaufgebauten Gerüst abgestürzt und hat sich schwer verletzt", so Theo Schottl* aus Schwerin. Es könne einfach immer etwas passieren. Das hat Schott nachdenklich gemacht, und er hat einen Termin bei einem Versicherungsmakler vereinbart, um eine Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen.

Wer nicht erst krank und dann arm sein will, muss privat vorsorgen. „Der größte Vermögenswert, die Arbeitskraft, wird viel zu oft vernachlässigt“, warnt Andreas Brunner von der Maklergenossenschaft Vema aus Karlsruhe. „Rund 1,4 Millionen Euro“, so rechnet Brunner vor, „verdient ein 35-jähriger Mann mit einem monatlichen Einkommen von 2.500 Euro, 13 Monatsgehältern und bei einer angenommenen Gehaltssteigerung von zwei Prozent pro Jahr in seinem Berufsleben. Das muss er absichern.

Berufsunfähigkeitsschutz (BU) ist damit noch wichtiger als eine private Rentenversicherung – die man ohnehin nicht mehr bezahlen kann, wenn man kein Geld mehr verdient. Die BU-Police zahlt, wenn man in seinem Beruf nicht mehr arbeiten kann, etwa wenn der Bäcker an einer Mehlstauballergie erkrankt. Doch für die, die eine solche Versicherung am dringendsten brauchen – wie etwa Dachdecker, Fliesenleger und andere körperlich hart arbeitende Menschen –, ist sie kaum bezahlbar. Denn die Versicherungsunternehmen suchen sich die „guten“ Risiken heraus.

Dachdecker 4,7-mal so teuer

Das belegt auch unser aktueller Test für drei Handwerksberufe in Kooperationmit dem Analysehaus Morgen & Morgen aus Hofheim am Taunus. Untersucht wurden die aktuellen Prämien für eine Solo-BU-Versicherung für einen 30-jährigen Dachdecker, Schreiner und Werkzeugmechaniker, der mit 1.600 Euro rund 70 Prozent seines Nettogehaltes als notwendigen Arbeitskraftschutz absichert. Unterschieden wurde zudem noch zwischen Raucher und Nichtraucher. Wer nicht vom Glimmstängel lassen kann, muss in der Regel einen höheren Beitrag zahlen, denn er trägt nach Erkenntnissen der Versicherer ein höheres Risiko, etwa durch Lungenkrebs berufsunfähig zu werden. Nichtrauchen hilft aber nur wenig. Denn auch die Nichtrauchertarife für Handwerker sind im Vergleich zu den Angeboten für nicht körperlich Tätige extrem teuer .


Vergleicht man den rauchenden Bürokaufmann mit dem rauchenden Handwerker, so bezahlt der Bürokaufmann im günstigsten Fall bei der Interrisk Versicherung 54 Euro pro Monat für eine BU-Rente von 1.600 Euro. Für rauchende Werkzeugmechaniker verlangt hingegen der günstigste Anbieter, der Münchener Verein, rund 100 Euro pro Monat. Fast das Doppelte. Der Dachdecker zahlt bei der Hannoverschen Versicherung sogar 254 Euro. Das entspricht dem 4,7-fachen Beitrag des Bürokaufmanns.

„Wir stellen fest, dass viele Verbraucher mit Risikoausschlüssen oder Verringerungen der BU-Rente oder Kürzung des gewünschten Endalters zu kämpfen haben“, heißt es beim Bund der Versicherten (BdV). Letzteres bestätigen ebenfalls die Analysen von ÖKO-TEST: Denn bestimmte Berufe sind bei einigen Versicherern nur bis zum 55. oder 62. Lebensjahr versicherbar. Doch gerade im höheren Alter steigt das Risiko der Berufsunfähigkeit deutlich an.

Problemkunden sollen nach Meinung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) auf private Alternativprodukte ausweichen. Doch die sind schlicht unbrauchbar oder gaukeln Vorteile vor, die es gar nicht gibt. So leisten private Erwerbsunfähigkeitsversicherungen häufig nur dann, wenn der Versicherte täglich keine drei Stunden mehr irgendeinen Job ausüben kann. Sie sind damit kaum mehr als ein Notnagel. Noch problematischer sind Schwerekrankheiten-, Grundfähigkeits- oder Multi-Risk-Policen. Sie decken nämlich immer nur einen Teil des Risikos ab, vor dem die BU-Police voll schützt. Psychische Erkrankungen, heute BU-Risiko Nummer eins, sind meist nicht abgesichert .

Der neue Tarif des MV

Das gilt hingegen nicht für ein neues Angebot, das der Münchener Verein auf den Markt gebracht hat. Der Tarif „ Deutsche Handwerker BU Aktiv“ leistet bei jeder Krankheit und bei jedem Unfall wie ein Vollschutz. Doch die Leistung ist eingeschränkt, wenn die Berufsunfähigkeit nicht durch einen Unfall oder einer „Erkrankung oder Verletzung der Gelenke, Bänder, Sehnen und Muskeln oder der Wirbelsäule und der sie umgebenden Strukturen“ ausgelöst wird. In allen übrigen Fällen der Berufsunfähigkeit zahlt der Versicherer nur 50 Prozent der versicherten Rente – im Musterfall also nur 800 Euro. Nach Einschätzung von Martin Zsohar, Chef der Lebensversicherung beim Münchener Verein, wird mit diesem Angebot der BU-Schutz für Handwerker „bezahlbarer“ . Je nach Beruf gibt der Versicherer für den Tarif einen Nachlass von 14,6 bis 23,1 Prozent. Natürlich ist das Angebot im Vergleich zum Vollschutz am Markt immer das günstigste. Die Beratung sollte nach Vorschlag des Münchener Vereins immermit dem Top-Schutz starten. „Falls sich der Kunde diesen Schutz nicht leisten kann oder will, kann als Alternative die Aktiv-Variante angeboten werden“, so der Münchener Verein. Natürlich muss der Kunde darauf hingewiesen werden, dass in einigen Fällen nicht die volle BU-Rente gezahlt wird.

Experten bleiben skeptisch: Die Aussage, eine alternative Absicherung ist besser als gar keine, sei nur statistisch richtig. „Es nützt den Betroffenen herzlich wenig, die eine falsche Krankheit erleiden“, sagt der Versicherungsmakler Gerd Kemnitz aus Stollberg. Solche „falschen“ Krankheiten wären beim Aktiv-Tarif des Münchener Vereins dann Krebs, Herzerkrankungen, Schlaganfall oder jede Art von psychischer Erkrankung. Immerhin würden die Betroffenen auch dann noch eine halbe Rente bekommen – deutlich mehr als gar nichts. Kritiker sehen trotz solcher neuen Angebote ein Versagen der privaten Assekuranzen.

Bezahlen oder Abspecken

„Die Praxis zeigt, dass die sinnvollste Absicherung oft nicht bezahlt werden kann“, kritisiert beispielsweise Frank Golfels, Versicherungs- und Rentenberater aus Greven, „deshalb sollte die Berufsunfähigkeitsversicherung wieder in die gesetzliche Rentenversicherung integriert werden. In der Sozialversicherung als Pflichtversicherung fällt das individuelle Risiko weg. Letztlich zahlen so alle, ob jung oder alt, krank oder gesund, Dachdecker oder Geschäftsführer, denselben Beitrag für dieselbe Leistung.“ Mit solchen Forderungen ist der Berater nicht allein. Doch von staatlicher Seite gibt es dazu bisher keinerlei Signale. Handwerker müssen daher entweder tief in die Tasche greifen oder ihren Schutz abspecken. Eine weitere Alternative ist es, mit einer geringeren Versicherungssumme zu starten. Später ist bei diversen Ereignissen, wie Heirat, Hauskauf oder Geburt eines Kindes, eine Erhöhung ohne Gesundheitsprüfung möglich.

Alternativ kann man die finanziellen Folgen einer Berufsunfähigkeit nicht nur privat, sondern auch über den Betrieb absichern. Dazu schließt der Chef im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung eine Direktversicherung ab und leitet die Beiträge an die Versicherung weiter. Meist sind die Zahlungen steuer- und sozialversicherungsfrei. Damit erscheint der betriebliche Schutz auf den ersten Blick sehr attraktiv. Doch das muss nicht zutreffen: Wer berufsunfähig wird und seinen Schutz über den Betrieb organisiert hat, der muss ihn im Ernstfall versteuern. Daher muss eigentlich eine höhere Rente versichert werden, um die gleichen Nettoleistungen zu erhalten. Über den Betrieb können aber mit einer vereinfachten Gesundheitsprüfung auch Mitarbeiter Schutz erhalten, die privat einen Zuschlag zahlen müssten oder sogar abgelehnt worden wären. handwerk magazin wird auch die Angebote für den betrieblichen Berufsschutz für Handwerker unter die Lupe nehmen.

So machen Sie einen guten Abschluss

Wenn Sie diese acht Tipps berücksichtigen, haben Sie die größten Chancen die besten Konditionen für Ihre private Berufsunfähigkeitsversicherung zu bekommen und das meiste herauszuholen.
  1. Gesund einsteigen.
    Eigentlich muss jeder eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen, um den Verlust seiner Arbeitskraft zu schützen. Da die Versicherer vor jedem Vertragsabschluss den Gesundheitszustand des Kunden untersuchen, ist ein Abschluss in jungen Jahren – wenn man noch weitgehend gesund ist – sehr sinnvoll. Andernfalls muss man mit Zuschlägen oder sogar Ausschlüssen rechnen.
  2. Basis in der Schulzeit legen.
    Wer frühzeitig weiß, dass er handwerklich arbeiten will, kann sich schon als Schüler absichern. Versicherungsmakler Gerd Kemnitz aus Stollberg: „Möglich ist hier beispielsweise ein Rentenschutz von monatlich 500 Euro.“ Natürlich sei das auf Dauer viel zu wenig. Aber wer bei der Tarifauswahl auf eine sogenannte Nachversicherungsgarantie ohne erneute Gesundheitsprüfung und auch ohne erneute Prüfung des ausgeübten Berufs achtet, kann die BU-Rente später erhöhen – ohne dann einen Risikozuschlag befürchten zu müssen. So kann der gute Gesundheitszustand als auch die günstige Berufsgruppeneinstufung „eingefroren“ werden. „Eltern sollten sich zum Wohl ihrer Kinder frühzeitig beraten lassen“, rät Kemnitz.
  3. Vorsicht Kombi-Schutz.
    Niemals sollte man aber seinen Arbeitskraftschutz mit einer teuren Rentenpolice koppeln. Sonst kann es passieren, dass der Beitrag insgesamt zu teuer wird und man den Vertrag nicht mehr bezahlen kann.
  4. Vorteil Risikoleben.
    Berufsunfähigkeitspolicen können auch mit einer „kleinen“ Risikolebensversicherung kombiniert werden. Das kann unter Umständen sogar günstiger als eine Solo-Police sein.
  5. Hochwertige Tarife.
    Gute Tarife, die eine hohe Bewertung von Ratingagenturen haben (bei Morgen & Morgen bis zu „fünf Sterne“ und bei Franke & Bornberg bis zu drei „F“), erlauben es, später bei bestimmten Ereignissen, wie Heirat, Geburt eines Kindes oder Hauskauf, die BU-Rente ohne Gesundheitsprüfung zu erhöhen.
  6. Absicherung bis zur Rente.
    Grundsätzlich sollte die vereinbarte Rente das Nettoeinkommen weitgehend abdecken. Zudem ist eine Laufzeit bis zum Rentenalter – also heutzutage bis zum 67. Lebensjahr – sinnvoll. Denn gerade in den letzten Berufsjahren steigt das Risiko berufsunfähig zu werden extrem an.
  7. Fachberatung unerlässlich.
    Versicherungsberater und Versicherungsmakler können bei den Assekuranzen eine anonyme Voranfrage stellen, um zu prüfen, welche Anbieter
    wenig oder keinen Gesundheitszuschlag verlangen. Wer ohne Beratung tätig wird, läuft Gefahr, dass die Ablehnung eines Versicherers in der Antibetrugsdatei vermerkt wird. Dann wird der Abschluss deutlich schwerer und teurer.
  8. Lebensstandard sichern.
    Die Höhe der monatlichen Rente sollte sich am Nettoeinkommen orientieren. Im Falle der Berufsunfähigkeit sollten der Lebensstandard weitgehend aufrechterhalten und die Altersvorsorge weiterbezahlt werden können.
  9. Rauchen aufgeben.
    Ein echter Spartipp: Stellen Sie das Rauchen ein. Wer ein Jahr nicht mehr geraucht hat, gilt bei den meisten Assekuranzen als Nichtraucher und erhält einen etwas günstigeren Tarif. Über die Jahre macht sich das doppelt bezahlt – mehr Gesundheit, weniger Prämie.


Dieser Beitrag wurde recherchiert in Kooperation mit Morgen & Morgen

Seit 1989 untersucht das Analysehaus Morgen & Morgen Versicherungsprodukte und schafft Klarheit und Übersicht im Datendschungel der unterschiedlichsten Tarife. Die Analysen sind absolut neutral und beruhen stets auf aktuellen Daten.