Unternehmensbewertung So erzielen Sie einen fairen Preis

Wer einen Betrieb kaufen will, muss sich mit dem Eigentümer auf einen Preis einigen. Auch die Hausbank ist vom Können des Nachfolgers zu überzeugen.

Lebenstraum

Ein schleichender Prozess sei das mit dem Wunsch nach der eigenen Selbständigkeit gewesen, so Michael Böhm. „Irgendwann war klar, dass ich nicht für immer als Angestellter arbeiten wollte, sondern meine eigenen Ideen umsetzen möchte.“ Der Maschinenbauingenieur prüfte dabei mehrere Optionen. Zur Auswahl stand die Gründung eines eigenen Betriebs oder die Übernahme eines bestehenden Unternehmens. Schließlich erfüllte sich mit der Hugo Reckerth GmbH in Kornwestheim – spezialisiert auf Spindelbau für Elektromotoren – sein Lebenstraum. „Der Betrieb war in einem tadellosen Zustand“, sagt der heute 37-Jährige, was ihm die Entscheidung enorm erleichterte, zum 1. Januar 2004 dort die Nachfolge anzutreten.

Begleitet wurde der Verkauf der Hugo Reckerth GmbH auf Käufer- wie auch Verkäuferseite von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern. „Ohne gute Berater ist so was undenkbar“, sagt Michael Böhm, „doch egal, wie ein Betrieb bewertet wird, am wichtigsten ist das gegenseitige Vertrauen“, sagt er.

Seine Standardformel, die er Fachbüchern für eine schnelle Ermittlung des Unternehmenswertes (UW) entnommen hat, lautet: den Mittelwert der Betriebsergebnisse (BE) der letzten drei Jahre, multipliziert mit einem Faktor (F), der bei inhabergeführten Unternehmen zwischen vier und sieben liegt.


UW = ((BE1 + BE2 + BE3) : 3) x F

Ob es zunehmend mehr externe Nachfolgen gibt und wie es generell um das Thema Unternehmensnachfolge bestellt ist, erhebt das Institut für Mittelstandsforschung in Bonn (Ifm) seit 1995. Dazu fragen die Bonner Forscher übergabebereite Familienunternehmen nach ihren Plänen. 1999 gaben 42,3 Prozent der Seniorunternehmer an, dass sie ihren Betrieb innerhalb der Familie weitergeben wollen. 2004 waren es 43,8 Prozent. „Diese Abweichung ist noch nicht einmal eine Tendenz“, widerspricht Professor Frank Wallau vom Ifm all denjenigen, die daraus einen Trend in Richtung externe Nachfolgeregelung ablesen wollen. Außerdem sei es immer noch ein Unterschied, was jemand plant und was er dann tatsächlich macht.

Größere in Familienhand

Im Vergleich zu früheren Untersuchungen ist der Anteil der familieninternen Nachfolge unverändert geblieben, bestätigen auch seine Ifm-Kollegen. Er verteile sich aber stärker zugunsten größerer Unternehmenseinheiten. Bei Unternehmen mit einem Jahresumsatz von unter 250000 Euro sei er etwas zurückgegangen. Hauptgrund für diese Entwicklung: Söhne und Töchter wollen heute nicht unbedingt in die Fußstapfen ihrer Väter treten. Übertragungen an Externe, das berichten zumindest Berater, die solche Prozesse begleiten, sind schon allein deshalb problematisch, weil der Verkäufer einen hohen, der Käufer einen möglichst niedrigen Preis erzielen will.

Doch nicht alle externen Unternehmensnachfolgen laufen so unproblematisch ab wie die von Hugo Reckerth und Michael Böhm. Denn in der Praxis gibt es häufig Streit um den Kaufpreis. Und gängige Verfahren wie das Stuttgarter Verfahren (Substanzwertverfahren) sind nur eingeschränkt praxistauglich. Denn dieses wird vor allem dann angewandt, wenn das Vermögen eines Betriebs aus Anlagen und Immobilien besteht oder der Ertrag des Unternehmens klein oder sogar negativ ist. Der Substanzwert ergibt sich damit lediglich aus der Summe der Zeitwerte aller zu übertragenden Vermögensgegenstände.

Um ein Bewertungsschema zu haben, das auch zu inhabergeführten Handwerksbetrieben passt, haben Betriebsberater Bernd Juhl und seine Kollegen im Arbeitskreis Wertermittlung Handwerk einen neuen Standard geschaffen, der auf dem Ertragswertverfahren beruht. Bei diesem Verfahren wird der Kauf eines Unternehmens als eine ertragbringende Geldanlage angesehen. Der Käufer oder Investor vergleicht den Kaufpreis und die zu erwartende Rendite mit einer Investition, die vergleichbare Risiken wie ein Unternehmen birgt.

Der Unterschied zum Substanzwertverfahren

Das Ertragswertverfahren ermittelt, was sich künftig mit einem Unternehmen erwirtschaften lässt. Zwei Faktoren sind dafür maßgeblich:

1) das zu erwartende betriebswirtschaftliche Ergebnis pro Jahr und

2) der Kapitalisierungszinssatz. Vorgehensweise:

  • Die Gewinne der letzten vier Geschäftsjahre werden ermittelt.
  • Sie werden um außerordentliche Erträge und Aufwendungen sowie kalkulatorische Werte (zum Beispiel kalkulatorischer Unternehmerlohn) bereinigt.
  • Die einzelnen Geschäftsjahre werden gewichtet. Aktuelle Werte wiegen mehr als weiter zurückliegende Jahre.
  • Es werden Risikozuschläge ermittelt.
  • Der Kapitalisierungszinssatz wird berechnet. Seine Basis ist die Umlaufrendite, die momentan bei 4,36 Prozent (Stand 11. August 2007) liegt. Dieser Kapitalisierungszins erhöht sich um Faktoren wie schlechter Standort, veralteter Maschinenpark oder ungünstige Kundenstruktur. Ist ein Betrieb extrem vom Inhaber abhängig, kann der Kapitalisierungszinssatz auf 20 bis 30 Prozent wachsen.

„Das neue Verfahren objektiviert die überzogenen Preisvorstellungen der Altinhaber“, sagt Betriebsberater und AWH-Mitglied Bernd Juhl. Denn zu große Inhaberabhängigkeit oder zu wenig Investitionen in neue Technik oder Marketing ergeben beim Verkaufspreis einen Abschlag. Ziel des neuen Verfahrens: Verkaufsverhandlungen sollen nicht länger an unterschiedlichen Preisvorstellungen scheitern.

Gegen berechtigte Zweifel an einem zu hohen Preis können potenzielle Nachfolger den AWH-Standard mit seinen Abschlägen ins Feld führen und mit Fingerspitzengefühl Schwachstellen gegenüber dem Verkäufer ansprechen.

Michael Böhm ist froh, dass er dazu erst gar keinen Anlass hatte. „Der Preis war fair, und ich bin froh, dass mich Hausbank und Bürgschaftsbank bei der Finanzierung unterstützen.“ Doch nicht allein die finanzielle Basis ist ihm wichtig. „Nur ein gutes Team bringt ein tolles Ergebnis“, lobt er seine Belegschaft. Besonders wichtig war ihm direkt nach der Übernahme, dass er seinen Mitarbeitern bei all dem Wirbel durch den Verkauf Sicherheit bieten konnte.

Nutzen Sie die richtige Verhandlungsstrategie

Die Verhandlungen zwischen Käufer und Verkäufer sind nicht immer einfach. Vertrauen vorausgesetzt, rät Betriebsberater Bernd Juhl von der Handwerkskammer Ulm zu Fingerspitzengefühl, wenn Sie nach Prüfung der folgenden Punkte einen niedrigeren Kaufpreis anstreben.

1. Analyse

Nehmen Sie Betrieb und Bilanz genau unter die Lupe. Arbeiten Sie einige Zeit im Unternehmen mit. So erhalten Sie Einblick in die betrieblichen Abläufe und erfahren, ob Produkte, Leistungen und Ausstattung auf dem neuesten Stand sind, wie motiviert und qualifiziert die Mitarbeiter sind und wie das Verhältnis zu den Kunden ist.

2. Wert

Lassen Sie sich nicht von Bewertungen blenden, die Ihnen der Vorgänger vorlegt. Hinterfragen Sie jede Betriebsbewertung und lassen Sie die Bewertung durch einen Berater der Handwerkskammer prüfen.

3. Kunden

Der vorhandene Kundenstamm ist meist der wichtigste Grund für die Betriebsübernahme. Häufig sind aber die Kunden auf den bisherigen Betriebsinhaber fixiert. Oder der Betrieb ist nur von einem Kunden abhängig.

4. Finanzierung

Ohne solide Finanzierung kann sich kein Unternehmen langfristig positiv entwickeln. Setzen Sie sich frühzeitig mit Ihrer Bank in Verbindung. Berücksichtigen Sie bei Ihrer Planung ein ausreichendes Polster für Unvorhergesehenes und beantragen Sie Fördermittel.

5. Mitarbeiter

Motivierte und qualifizierte Mitarbeiter sind entscheidende Wettbewerbsfaktoren. Führen Sie Gespräche mit den Mitarbeitern, und zeigen Sie ihnen die Perspektiven im Betrieb auf. Erstellen Sie einen Plan, wann Sie welche Änderungen vornehmen wollen. Gehen Sie dabei mit Fingerspitzengefühl vor. Wenn Sie zu schnell zu viel ändern wollen, schaffen Sie eine Blockadehaltung.

6. Ziele

Eine Betriebsübernahme benötigt ausreichend Zeit, um die notwendigen Schritte sorgfältig vornehmen zu können. Erstellen Sie einen Zeitplan, in dem alle wichtigen Aktivitäten berücksichtigt sind. Planen Sie dabei Zeitreserven für Unvorhergesehenes und für Verzögerungen ein.