Smart Home: Vernetzt bauen im Fokus der Light + Building

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Handwerksbetriebe sind auf den Trend aufgesprungen und haben sich auf Gebäudeautomatisierung spezialisiert. Auch die Messe Light + Building macht diese Woche „Smart Powered Buildings“ zum Schwerpunkt.

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Vernetzt bauen mit neuester Technik

Der erste Smart-Home-Auftrag war noch klein: Florian Thannheimer, technischer Leiter von Elektro Saegmüller in Starnberg bei München, sollte 1992 die Haustechnik einer Villa vernetzen. Wobei die damaligen Systeme noch nicht sehr intelligent waren. Thannheimer verband Jalousien und Leuchten mit vielen Kabeln so, dass sie sich mithilfe eines Schalters bedienen ließen. Die Technik dafür war damals teuer, vor allem aber kompliziert.

Das hat sich gewaltig verändert. Auf dem Markt gibt es immer mehr Schalter, Sensoren und Wetterstationen: Kombiniert mit noch mehr Technik und weniger Kabelsalat, fahren sie die Raumtemperatur rauf oder runter, je nachdem, wie viele Personen im Raum sind. Sie schalten das Licht ein, sobald jemand die Wohnung betritt. Oder sie lassen Leuchten angehen, wenn jemand nachts aus dem Bett steigt.

Großes Geschäftspotenzial

Das Wohnen von morgen mit vollvernetzter Gebäudetechnik hat längst begonnen, sogenannte Smart Homes liegen voll im Trend. Im Prinzip lässt sich alles verbinden: Küchengeräte, Hi-Fi-Anlagen, Leuchten, Jalousien, Fenster, Heizung. Gesteuert wird alles über ein zentrales System – immer häufiger auch über einen Tablet-PC oder ein Smartphone. Immer mehr Kunden zeigen Interesse an der intelligenten Haustechnik. „Der Automatisierungsgrad nimmt laufend zu“, sagt Bernd Dechert, Geschäftsführer Technik und Berufsbildung des Zentralverbands der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH). Elektrobetriebe müssten sich darauf einstellen. „Langfristig wird die intelligente und voll vernetzte Haustechnik zum Standard gehören“, so Dechert.

Noch ist der Markt überschaubar. Die Branche erwirtschaftet jährlich 2,5 Milliarden Euro Umsatz mit der automatisierten Gebäudetechnik. Das entspricht gerade einmal fünf Prozent des Gesamtumsatzes. „Die Betriebe, die sich bereits auf Smart Homes spezialisiert haben, können den Bedarf gut abdecken“, schätzt Dechert. Künftig wird das Geschäftsfeld aber für mehr Betriebe interessant werden. Aktuelle Studien prognostizieren: Bereits in zehn Jahren können Handwerksbetriebe 20 Milliarden Euro mit intelligenter Haustechnik erwirtschaften. „Das Geschäftspotenzial ist immens“, weiß Dechert.

Keine Spielerei

Drei Treiber sorgen für den Boom am Markt: Aktuell geht es vor allem um den Komfort und die Sicherheit von Smart Homes. „Wer nach Hause kommt, muss nicht erst die Heizung hochfahren, zehn Lampen und die Multimediaanlage einschalten“, erklärt der Verbandsgeschäftsführer. „Das geschieht alles automatisch über voreingestellte Programme.“ Gleichzeitig schätzen immer mehr Hauseigentümer die Sicherheitsfunktion vernetzter Häuser: Über Apps können sie den Energie- und Wasserverbrauch einsehen und steuern. Oder sie erkennen, ob irgendwo ein Rohr leckt.

Eine immer wichtiger werdende Zielgruppe für Smart Homes sind Senioren. Können ältere Menschen ihr Haus oder ihre Wohnung mithilfe von intelligenter Gebäudetechnik einfacher im Griff behalten, können sie länger in den eigenen vier Wänden wohnen.

Ein Praxisbeispiel dafür ist das Modellhaus Sophia in Bamberg. Dort wird die intelligente Haustechnik mit der sogenannten Gerontotechnik kombiniert. Stereoanlagen sind zum Beispiel mit dem Hörgerät direkt verbunden. Oder das Blutdruck-Messgerät über ein zentrales System mit dem Hausarzt.

Der dritte Anreiz für die intelligente Haustechnik sind steigende Energiekosten. Sind alle Geräte miteinander vernetzt, startet etwa die Waschmaschine, sobald die Fotovoltaikanlage ausreichend Strom produziert hat. Oder sie springt an, wenn Strom aus dem Netz gerade besonders günstig ist.

Auch Google steigt ein

Das Geschäft mit Smart Homes läuft gut, auch für die Starnberger Firma Saegmüller. Der Handwerksbetrieb macht bereits 20 bis 25 Prozent seines Umsatzes mit der intelligenten Gebäudetechnik. Thannheimer kümmert sich mit sieben Mitarbeitern um die Wünsche der Kunden. Die Elektroexperten müssen immer weniger Überzeugungsarbeit leisten. Das war vor zehn Jahren noch anders. Mittlerweile kommen viele Kunden bereits mit einer groben Vorstellung ihres vernetzten Traumhauses. Spätestens seitdem Google den Thermostathersteller Nest für 2,3 Milliarden Dollar gekauft hat, ist Haushaltstechnik trendy. Hersteller werben auch nicht mehr nur bei Handwerkern für ihre Produkte, sondern sprechen Privatkunden direkt an. Die Telekom-Tochter Quivicon wirbt sogar im Kino für ihre Smart-Home-Plattform. „Vor Kurzem wäre es noch undenkbar gewesen, dass ein Schalter ein attraktives Produkt ist, das bei Kunden Emotionen weckt“, wundert sich  Elektroinstallateur Thannheimer.

Direkte Kundenansprache

Handwerker stellen sich auf diese neue Situa­tion ein – und versuchen, die vagen Kundenwünsche in professionelle Smart-Home-Lösungen umzusetzen. Am Anfang jedes Auftrags steht immer eine umfangreiche Beratung. Denn bisher gibt es keine Standardlösungen. „Wir planen jeden Auftrag komplett neu“, sagt Thannheimer. Hinzu kommt: Der Markt wird immer mehr überschwemmt mit Produkten, mit hochsensiblen Wetterstationen, Sensoren, Bediensystemen und Steuerungen, die auch optisch etwas hermachen. Thannheimer und sein Team wälzen ständig Fachzeitschriften, um auf dem Laufenden zu bleiben und Kunden die beste Technik anbieten zu können. Außerdem lässt sich der Handwerker auf Seminaren von verschiedenen Herstellern erklären, wie er Produkte in ein Gesamtsystem integriert. Eine lange Halbwertszeit hat das Wissen nicht. Technologien sind durchschnittlich nach einem Jahr wieder überholt. „Man lernt also nie aus“, erklärt Thannheimer.

Die Folge: Der Elektromeister bringt zwar jahrelange Erfahrung mit. Der erste Testlauf mit neuen Technologien findet aber jedes Mal aufs Neue bei Kunden statt. Das soll sich künftig ändern. Elektro Saegmüller arbeitet an einem eigenen Versuchslabor. „Dann könnten wir neue Produkte und Systeme im Betrieb testen, bevor wir sie bei Kunden einbauen“, so Thannheimer. Er will mit seinem Smart-Home-Team auch an eigenen Lösungen feilen. „Damit wir der Konkurrenz künftig einen Schritt voraus sind“, hofft der Elektromeister.

Mehr Intelligenz und Einfachheit

Thannheimer arbeitet mit verschiedenen Systemen, hat sich aber auf sogenannte KNX-Produkte spezialisiert, so wie die meisten Handwerksbetriebe. Immerhin haben sich auch rund 200 Hersteller auf KNX-Standards festgelegt. Der Vorteil: Die Schnittstellen sind offen. Es lassen sich also viele Produkte über KNX-Systeme verbinden. Andere Standards wie LON oder LCN sind mitunter nicht miteinander kompatibel.

Offene Schnittstellen werden sich künftig weiter durchsetzen. Davon ist Michael Schidlack überzeugt, Smart-Home-Experte des Hightech-Verbands Bitkom. Die Technik wird sich außerdem immer leichter vernetzen lassen. Hersteller arbeiten an Standardlösungen, bei denen Handwerker nicht jede einzelne Verbindung selbst herstellen müssen. Der Kunde kann dann selbst wählen und einstellen, welche Funktionen er tatsächlich nutzen will. Einzelne Geräte sind hier nicht einzeln wie über ein Telefonkabel vernetzt. Vielmehr handelt es sich um eine breitflächige Verbindung wie das Internet, über das alle Funktionen möglich sind. „Das vereinfacht die Installation der Technik“, sagt Schidlack. Handwerker müssen dann nämlich nicht mehr vorab mit Kunden besprechen, welche Geräte sie wie vernetzen sollen.

Auch der Bitkom geht davon aus, dass sich Smart Homes künftig noch stärker am Markt durchsetzen werden. Für einen neuen Schub könnten die Pläne der Bundesregierung sorgen: Bis 2018 sollen alle Haushalte in Deutschland mit einem 50-Mbit-Anschluss versorgt werden. Dann können wahrscheinlich sechs Millionen Haushalte einfachere und auch komplexere Smart-Home-Lösungen einsetzen.

In Zukunft steht das vernetzte Eigenheim nicht mehr für Luxus. Viel interessanter könnte der Massenmarkt sein. Darauf stellen sich die Hersteller jetzt schon ein. Sie bieten bereits preiswerte Systeme an, die oft sogar die gleichen Funktionen wie die teuren Hightech-Varianten mitbringen. Handwerksbetriebe sollten sich auch mit diesen Produkten beschäftigen, empfiehlt Bitkom-Experte Schidlack: „Denn dort entsteht ein Massengeschäft.“