Singen als Hobby: Auf die Harmonie kommt es an

Zahntechnikmeisterin Simone Schaller aus München singt seit drei Jahren im Frauen-A-capella-Chor „Harmunichs“. Mit 45 anderen Sängerinnen begeistert sie ihr Publikum und singt um den Meistertitel.

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    Die Harmunichs sind die musikalische Heimat von Simone Schaller. Mit dem Chor singt sie demnächst um die deutsche Meisterschaft.
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    Simone Schaller, Zahntechnikmeisterin in München.

Auf die Harmonien kommt es an

Simone Schaller musste üben, üben, üben. Die Zahntechnikmeisterin aus München hatte einiges aufzuholen. Mehr als 30 Stücke, zudem Weihnachtslieder, umfasst das Repertoire des Chors „Harmunichs“. Und zu diesem wollte sie gehören. „Bei der ersten Probe hatte ich Gänsehaut“, sagt Schaller. Ihr Ziel: Sie wollte wie die anderen 45 Sängerinnen mit einem glitzernden Abendkleid auf der Bühne singen und Zuhörer begeistern.

Seit dem Jahr 2010 ist die Zahntechnikmeisterin eine „Nixe“, so nennen sich die Mitglieder der Harmunichs. Während der wöchentlichen Treffen probt Schaller mit dem gesamten Chor und der Chorleiterin Monica Knox Lieder, verbessert ihren Gesang und studiert Choreografien für den nächsten Auftritt ein. Das zeitintensive Hobby sorgt bei Schaller für Freizeitstress. Den nimmt sie aber allzu gerne in Kauf.

Wie damals im Schulchor

Schaller zog Anfang 2009 nach München und fühlte sich trotz Beruf und Kind einsam. „Ich kam aus Hamburg und suchte nach einem neuen Freundeskreis“, so Schaller. Sie erinnerte sich daran, dass sie in ihrer Jugend immer viel Spaß im Chor hatte, stieß auf den Showchor Harmunichs und war so begeistert von dem Gesang, dass sie sich der strengen Aufnahmeprüfung stellte. Die Münchner sind ein sogenannter Barbershop-Chor, der mit ungewöhnlichen A-capella-Arrangements Lieder neu interpretiert (siehe „Barbershop-Chöre“, Seite 69). Schaller musste zunächst allein vorsingen, nach einer kurzen Vorbereitungsphase dann zwei Lieder im Quartett. „Ich habe jede freie Minute  genutzt, um zu üben“, berichtet Schaller. „Nach der Zusage war ich überglücklich.“

  • Vita: Simone Schaller
  • Simone Schaller hat 1998 ihren Zahntechnikmeister gemacht. Seit elf Jahren arbeitet sie selbständig, zunächst in Hamburg. Im Jahr 2010 heiratet sie einen Münchener und betreut seitdem ihre langjährigen Kunden von der bayerischen Hauptstadt aus.
  • Lexikon: Barbershop-Chöre
  • Die Musikrichtung entstand in den 1950er-Jahren in den USA. Das Besondere: Der Gesang von Barbershop-Chören ist durchgehend vierstimmig. Nur kurze Passagen werden mit weniger als vier Stimmen gesungen. Der Gesang klingt so besonders dicht. Die Leadstimme übernimmt die Melodie, deren Klang tiefer als der Tenor liegt. Bass und Bariton vervollständigen die Akkorde. Die Chöre unterstützen die Harmonien stets mit Mimik, Gestik und kleinen Choreografien – häufig mit viel Humor umgesetzt, um ihr Publikum zu unterhalten.

Von nichts kommt nichts

Die nächste Herausforderung musste Schaller gleich danach meistern: Der Chor feierte sein 15-jähriges Jubiläum. „Beim Konzert wollte ich bei möglichst vielen Liedern mitsingen“, erzählt Schaller. Die Münchnerin singt Bariton und hat ihre Stimme mithilfe sogenannter Teachtapes, MP3-Dateien mit den Liedern und einzelnen Stimmen, einstudiert. Die Dateien sind immer auf ihrem Smartphone gespeichert. Egal ob zu Hause, im Auto oder bei der Arbeit, Schaller singt und macht dabei ihre Hausaufgaben. „Mein Job eignet sich wunderbar dafür, um bei der Modellation einer Krone nebenbei Teachtapes zu hören und zu singen“, sagt Schaller. Die Hausaufgaben gibt Chorleiterin Knox jede Woche bei den Proben auf. Mittwochs geht Schaller zur Chorprobe. Während der 2,5 Stunden wärmen sich die Sängerinnen zunächst auf, singen sich ein und studieren dann mit Knox einzelne Lieder ein. Das können Barbershop-Klassiker aus den Anfängen der Musik sein, aber auch Pop-Lieder wie „Material Girl“ von Madonna oder sogar „Engel“ der deutschen Rockband Rammstein.

Jede Woche bekommen Schaller und die anderen Sängerinnen eine Liste mit Titeln, die sie mithilfe der Teachtapes bis zur kommenden Probe vorbereiten müssen. Außerdem stehen immer wieder Choreografie-Trainings an. Hinzu kommen Sonderproben vor Auftritten und Probewochenenden. Trotzdem: „Ich habe im Job so viel Termindruck, beim Singen kann ich mich von diesem Stress erholen“, so Schaller.

Im Glanz der Bühne

Die intensive Arbeit zahlt sich aus. Die Har­munichs waren in den vergangenen drei Jahren durchgehend Vizemeister beim Deutschen Chorwettbewerb. Zuvor hatten sie sich bereits einmal den Meistertitel ersungen. „Im nächsten Jahr wollen wir den Titel nach München holen“, plant Schaller. Der Wettbewerb findet immer im Dortmunder Konzerthaus statt. „Die Akustik ist wundervoll, und wir stellen uns dem Urteil der Jury“, sagt Schaller. Das sei ­jedes Mal aufs Neue spannend. Denn in der Jury sitzen Experten aus der Barbershop-Heimat USA und aus England.

Aktuell steht allerdings ein anderer großer Auftritt bevor. Im November findet der Bayerische Chorwettbewerb statt. Das Ziel: Die Münchnerinnen wollen ihren dritten Platz verteidigen – oder sogar den Titel holen. Je näher der Wettbewerb rückt, desto größer ist die Anspannung unter den Frauen. Schaller: „Die letzten Wochen sind immer besonders stressig – aber auch besonders schön“.