Selbsttest: Diskriminieren Sie Ihre Mitarbeiter oder Kollegen?

Offene Stellen müssen mit dem Zusatz „m/w“ für „männlich/weiblich“ geschlechtsneutral ausgeschrieben werden, das wissen inzwischen alle Chefs. Doch oft ist die Sachlage nicht so eindeutig. Wie würden Sie in folgenden Situationen reagieren? Testen Sie Ihr Praxiswissen zu den rechtlichen Antidiskriminierungs-Richtlinien.

Muss ein Betrieb, der fest einen jüngeren, gesunden Mann für die Stelle sucht, auch ältere, behinderte und weibliche Kandidaten einladen, nur damit es keinen Ärger gibt? Welche weiteren Fallstricke gibt es rund um die bestehenden gesetzlichen Antidiskriminierungsvorgaben? Testen Sie mit den folgenden Fragen und Antworten, ob Sie richtig lägen mit Ihrer Entscheidung. Als Experte mitgewirkt hat Jens Köhler, Fachanwalt für Arbeitsrecht im Kölner Haus des Handwerks.

Selbsttest Antidiskriminierung – hätten Sie richtig gehandelt?

Situation 1: Junges Team. Die Mitarbeiter im Betrieb sind im Durchschnitt 35 Jahre alt. Der Chef sucht einen Gesellen, der nicht älter ist. Da er weiß, dass Altersdiskriminierung verboten ist, schreibt er wahrheitsgemäß in die Stellenanzeige: „Wir suchen einen Schlosser (m/w) für unser junges Team“. Das ist doch zulässig, oder?

Ja, da der Chef weiß, dass eine konkrete Altersangabe gegen das Gesetz verstößt. Da er aber fest vor hat, den Altersdurchschnitt nicht zu erhöhen, ist dieser Wink für ältere Bewerber nur fair.

Nein, denn das ist eine mittelbare Diskriminierung. Der Betrieb signalisiert damit älteren Bewerbern, dass sie keine Chance haben. Bewirbt sich ein Älterer und wird nicht genommen, kann er wegen Diskriminierung auf bis zu drei Monatsgehälter Schadenersatz klagen.

Situation 2: Überstunden. In einer Gebäudereinigungsfirma meldet sich bevorzugt eine Gruppe türkischer Mitarbeiter für Überstunden, um die Zuschläge zu kassieren. Eines Tages schert einer der Türken aus und verweigert jede Überstunde. Darf ihn der Chef nach vorangegangener Abmahnung entlassen?

Ja, denn das ist Arbeitsverweigerung und zudem widersprüchlich und unkollegial: zuerst sich die Überstunden sichern, dann ausscheren. Wer so den Betriebsfrieden stört, soll die Firma verlassen.

Nein. Zwar ist die Arbeitsverweigerung ohne triftigen Anlass ein Kündigungsgrund. Doch hier kann der Mitarbeiter behaupten, er sei wegen seines Migrationshintergrunds gemaßregelt worden.

Situation 3: Geschäftsführer. In einem größeren Handwerkunternehmen leitet ein angestellter Geschäftsführer seit vielen Jahren erfolgreich die Firma. Die Gesellschafter wollen ihre Führungsspitze verjüngen und bieten dem inzwischen 60 Jahre alten leitenden Angestellten in einem Gespräch überraschend einen Aufhebungsvertrag mit Abfindung an, den er unterschreibt. Ist das arbeitsrechtlich in Ordnung?

Ja, auch wenn es überraschend kam, muss ein leitender Angestellter Verständnis für die Verjüngungskur haben. Der Betrieb darf ihm zwar nicht kündigen, aber durchaus den Vertrag einvernehmlich auflösen.

Nein, das ist eine Altersdiskriminierung.

Situation 4: Sexuelle Belästigung. Der Mitarbeiter eines Malerbetriebs mit italienischen Eltern hat schon mehrmals Kolleginnen hinterher gepfiffen, eine auch mal im engen Lager angeblich zufällig begrapscht. Der Chef mahnt ihn ab und sagt ihm, er soll sein italienisches Temperament im Zaum halten. Nachdem der Maler zu einer anderen Kollegin sagt, sie habe „scharfe Titten“, kündigt ihm der Chef. Bei so vielen Verstößen völlig berechtigt, oder?

Ja, denn der Mitarbeiter hat seine Kolleginnen sexuell diskriminiert. Dafür genügen allgemeine Äußerungen, Fotos und Berührungen, mit denen die Frauen (oder Männer) wegen ihres Geschlechts bedrängt werden.

Nein, der erste Anlass war ja zufällig und das Nachpfeifen sowie eine freche Äußerung müssen Mitarbeiterinnen im Handwerksbetrieb, wo oft ein eher kumpelhafter Umgangston herrscht, schon hinnehmen. Zudem stellt der Hinweis aufs „italienische Temperament“ eine Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft dar.

Weitere knifflige Fragen rund um Antidiskriminierung finden Sie auf Seite 2 unseres Selbsttests .

Situation 5: Deutschkurs. Der Chef eines Kfz-Betriebs will einen in Kroatien geborenen Gesellen morgens und abends je eine Stunde am Kundendienstschalter einsetzen. Da seine Deutschkenntnisse noch nicht so gut sind, fordert er ihn auf, auf eigene Kosten und in seiner Freizeit einen Deutschkurs zu belegen. Als der Mitarbeiter dies ablehnt, mahnt er ihn ab. Dann lehnt er ein zweites Mal ab und der Chef kündigt ihm. Zu Recht?

Ja, wenn sich die Mitarbeiter bei der Fahrzeugreparatur verständigen können, genügen unzureichende Deutschkenntnisse. Im Kundenkontakt, kann der Chef aber auf gutes Deutsch bestehen.

Nein, das ist zumindest eine mittelbare Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft.

Situation 6: Behinderung. Der Chef einer Schreinerei sucht einen Gesellen für die Fertigung und die Montage von Einbaumöbeln. Unter anderem bewirbt sich ein behinderter Facharbeiter, der sich bei einem Unfall vor Jahren mehrere Finger abgesägt hat. Wahrheitsgemäß gibt er das in seiner Bewerbung an. Da sich genügend gesunde Kandidaten bewerben, lädt ihn der Betrieb nicht zum Vorstellungsgespräch ein. Das ist in Ordnung so.

Ja, so tragisch der Unfall war – das Handicap ist nicht Sache eines neuen Arbeitgebers. Schon aus Sicherheitsgründen, darf er einen solchen Bewerber ausschließen.

Nein, der Chef diskriminiert ihn wegen der Behinderung. Durch die unterlassene Einladung setzt er jedenfalls das Indiz dafür. Klagt der Bewerber innerhalb von zwei Monaten auf Schadenersatz, muss die Firma beweisen, dass sie ihn nicht wegen der Behinderung benachteiligt hat.

Situation 7: Migranten. Der Betrieb schreibt ganz korrekt die Stelle eines Ingenieurs (m/w) aus, ohne jeden Ansatz von Diskriminierung. Es bewirbt sich eine 45 Jahre alte Ingenieurin, mit einem russischen Diplom, die seit vielen Jahren in Deutschland lebt. Sollte sie die Firma zum Vorstellungsgespräch einladen, wenn andere Bewerber gleich oder besser qualifiziert sind?

Ja, denn allein aus der Tatsache, dass sie nicht eingeladen wird, kann diese Bewerberin eine dreifache Diskriminierung behaupten: wegen des Geschlechts, wegen des Alters und wegen der ethnischen Herkunft.

Nein, in dem Fall kann sich der Chef den Aufwand sparen und braucht auch der Bewerberin nicht unnötig Hoffnung zu machen.