Offene Stellen müssen mit dem Zusatz „m/w“ für „männlich/weiblich“ geschlechtsneutral ausgeschrieben werden, das wissen inzwischen alle Chefs. Doch oft ist die Sachlage nicht so eindeutig. Wie würden Sie in folgenden Situationen reagieren? Testen Sie Ihr Praxiswissen zu den rechtlichen Antidiskriminierungs-Richtlinien.
Muss ein Betrieb, der fest einen jüngeren, gesunden Mann für die Stelle sucht, auch ältere, behinderte und weibliche Kandidaten einladen, nur damit es keinen Ärger gibt? Welche weiteren Fallstricke gibt es rund um die bestehenden gesetzlichen Antidiskriminierungsvorgaben? Testen Sie mit den folgenden Fragen und Antworten, ob Sie richtig lägen mit Ihrer Entscheidung. Als Experte mitgewirkt hat Jens Köhler, Fachanwalt für Arbeitsrecht im Kölner Haus des Handwerks.
Selbsttest Antidiskriminierung – hätten Sie richtig gehandelt?
Situation 1: Junges Team. Die Mitarbeiter im Betrieb sind im Durchschnitt 35 Jahre alt. Der Chef sucht einen Gesellen, der nicht älter ist. Da er weiß, dass Altersdiskriminierung verboten ist, schreibt er wahrheitsgemäß in die Stellenanzeige: „Wir suchen einen Schlosser (m/w) für unser junges Team“. Das ist doch zulässig, oder?
Situation 2: Überstunden. In einer Gebäudereinigungsfirma meldet sich bevorzugt eine Gruppe türkischer Mitarbeiter für Überstunden, um die Zuschläge zu kassieren. Eines Tages schert einer der Türken aus und verweigert jede Überstunde. Darf ihn der Chef nach vorangegangener Abmahnung entlassen?
Situation 3: Geschäftsführer. In einem größeren Handwerkunternehmen leitet ein angestellter Geschäftsführer seit vielen Jahren erfolgreich die Firma. Die Gesellschafter wollen ihre Führungsspitze verjüngen und bieten dem inzwischen 60 Jahre alten leitenden Angestellten in einem Gespräch überraschend einen Aufhebungsvertrag mit Abfindung an, den er unterschreibt. Ist das arbeitsrechtlich in Ordnung?
Nein, das ist eine Altersdiskriminierung.
Situation 4: Sexuelle Belästigung. Der Mitarbeiter eines Malerbetriebs mit italienischen Eltern hat schon mehrmals Kolleginnen hinterher gepfiffen, eine auch mal im engen Lager angeblich zufällig begrapscht. Der Chef mahnt ihn ab und sagt ihm, er soll sein italienisches Temperament im Zaum halten. Nachdem der Maler zu einer anderen Kollegin sagt, sie habe „scharfe Titten“, kündigt ihm der Chef. Bei so vielen Verstößen völlig berechtigt, oder?
Weitere knifflige Fragen rund um Antidiskriminierung finden Sie auf Seite 2 unseres Selbsttests .
Situation 5: Deutschkurs. Der Chef eines Kfz-Betriebs will einen in Kroatien geborenen Gesellen morgens und abends je eine Stunde am Kundendienstschalter einsetzen. Da seine Deutschkenntnisse noch nicht so gut sind, fordert er ihn auf, auf eigene Kosten und in seiner Freizeit einen Deutschkurs zu belegen. Als der Mitarbeiter dies ablehnt, mahnt er ihn ab. Dann lehnt er ein zweites Mal ab und der Chef kündigt ihm. Zu Recht?
Nein, das ist zumindest eine mittelbare Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft.
Situation 6: Behinderung. Der Chef einer Schreinerei sucht einen Gesellen für die Fertigung und die Montage von Einbaumöbeln. Unter anderem bewirbt sich ein behinderter Facharbeiter, der sich bei einem Unfall vor Jahren mehrere Finger abgesägt hat. Wahrheitsgemäß gibt er das in seiner Bewerbung an. Da sich genügend gesunde Kandidaten bewerben, lädt ihn der Betrieb nicht zum Vorstellungsgespräch ein. Das ist in Ordnung so.
Situation 7: Migranten. Der Betrieb schreibt ganz korrekt die Stelle eines Ingenieurs (m/w) aus, ohne jeden Ansatz von Diskriminierung. Es bewirbt sich eine 45 Jahre alte Ingenieurin, mit einem russischen Diplom, die seit vielen Jahren in Deutschland lebt. Sollte sie die Firma zum Vorstellungsgespräch einladen, wenn andere Bewerber gleich oder besser qualifiziert sind?