Selbständig ohne Meisterbrief

Jonas Kuckuck ist selbständiger Reetdachdecker, Maler, Maurer und Gerüstbauer. Für keine der Tätigkeiten hat er einen Meisterbrief, obwohl diese Gewerke laut Handwerksordnungzulassungspflichtig sind. Trotzdem kann der 40-Jährige einen eigenen Betrieb führen - weil er ein Reisegewerbe angemeldet hat. Im Reisegewerbe können Handwerker nämlich den Meisterzwang umgehen. Sie dürfen allerdings nur eingeschränkt werben und geraten häufig mit Handwerkskammern oder Ordnungsämternin Konflikt.

Selbständig ohne Meisterbrief

Um Aufträge zu bekommen, klappert Jonas Kuckuk Baustellen ab. Er fragt Bauherren, ob sie seine Arbeitskraft benötigen – was angesichts der Fertigkeiten des selbständigen Handwerkers oft bejaht wird. Der 40-Jährige ist Stroh- und Reetdachdecker im Reisegewerbe. Auf seine Gewerbekarte hat er sich zudem Tischler-, Maler- und Maurerarbeiten sowie Gerüstbau eintragen lassen.

Diese Tätigkeiten sind laut Handwerksordnung zulassungspflichtig – Kuckuk hat jedoch weder einen Meisterbrief noch ist er in die Handwerksrolle eingetragen. Die Zulassungsbeschränkungen gelten nämlich nur für das stehende Gewerbe. Wer im Reisegewerbe tätig ist und die dafür in der Gewerbeordnung festgelegten Regeln einhält, kann jedes Handwerk frei ausüben.

Geregelt ist zum Beispiel die Art der Werbung: Danach muss jede Initiative zum Geschäft zwingend vom Reisegewerbetreibenden ausgehen. Ein Auftrag darf nicht so zustande kommen, dass der Kunde beim Handwerker anruft. Die Angabe von Adresse und Telefonnummer ist also nicht erlaubt; auch auf Flyern oder dem Firmenwagen dürfen keine Kontaktdaten stehen. Reisende können dennoch werben: Jonas Kuckuk nutzt zum Beispiel Messen, um Kunden anzusprechen. Oder er annonciert in der Zeitung, wann er vor Ort ist.

Die Gewerbeordnung legt zudem fest, dass Reisende außerhalb einer möglicherweise bestehenden Niederlassung tätig sein müssen. Eine Werkstatt, in der Handwerker Bauteile für Aufträge vorbereiten, ist jedoch nicht schädlich für die Anerkennung des Reisegewerbes. Das sagt zumindest Jonas Kuckuk, der auch Mitglied im Vorstand des Berufsverbands unabhängiger Handwerkerinnen und Handwerker e.V. ist. Handwerkskammern und Ordnungsämter vertreten hingegen oft eine gegenteilige Auffassung. „Den Kammern ist das Reisegewerbe ein Dorn im Auge“, sagt Jonas Kuckuk. Sie versuchten ihre Mitgliedsbe-
triebe vor Wettbewerbern zu schützen und legten dabei gesetzliche Bestimmungen zu ihrem Vorteil aus. Der gängige Vorwurf: Schwarzarbeit wegen Ausübung unzulässiger Tätigkeiten – der Reisende betreibe in Wirklichkeit ein stehendes Gewerbe, was ohne Meisterbrief und Eintragung in die Handwerksrolle nicht erlaubt ist.

Auslöser für den Ärger mit den Kammern sind laut
Kuckuk oft Konkurrenten, die den Reisenden aus Neid anschwärzen. Die Kammern veranlassten daraufhin die Ordnungsämter, Bußgelder zu verhängen. Praktiziert werde aber auch die Verunsicherung von Verbrauchern. So habe die Handwerkskammer Bremen mehrmals vor Haustürgeschäften mit reisenden Handwerkern gewarnt; die Kunden müssten neben Murks auch das plötzliche Verschwinden des Handwerkers befürchten. „Grober Unfug“, sagt Kuckuk. „Wer eine Reisegewerbekarte hat, ist automatisch registriert. Mich mit einem Dachhai zu vergleichen ist geschäftsschädigend.“

Trotz der möglichen Probleme rät Kuckuk jedoch nicht von einer Tätigkeit im Reisegewerbe ab. Wer diesen Schritt plane, sollte nur die Konflikte kennen und die Gewerbeordnung beachten.

sandra.rauch@handwerk-magazin.de