Selbst ist die Frau

Altersvorsorge | Unternehmerinnen sorgen sich oft mehr um die Probleme ihrer Mitarbeiter als um die eigene finanzielle Ab-sicherung. Und Altersvorsorge fällt für die Chefin oft ganz aus.

Selbst ist die Frau

Verantwortung im Betrieb zu übernehmen war für Petra Dahmen schon immer selbstverständlich. Gerade 21 Jahre war die Mönchengladbacherin alt und Deutschlands jüngste Dachdeckermeisterin geworden, da starb ihr Vater. Geschwister gibt es nicht, die Mutter hatte zwar immer das Büro des Betriebs geführt, die Übernahme und eigenverantwortliche Leitung traute sie sich aber nicht zu. Ohnehin hatte Petra Dahmen sich schon als Kind nichts anderes vorstellen können, als einmal auf Vaters Leiter zu steigen. Auf die Idee abzulehnen, so ihre Erinnerung sieben Jahre später, sei sie daher nicht einmal gekommen.

Stattdessen krempelte die junge Frau die Ärmel hoch und versuchte heranzuschaffen, was der Vater am Ende, als er schwer krank war, nicht mehr leisten konnte: Aufträge. Dass damals gerade die Zeiten im Handwerk schlechter wurden, machte die Sache nicht einfacher. Doch die Dachdeckermeisterin hat sich durchgebissen, acht Mitarbeiter hatte der Vater zu den besten Zeiten, bei ihr sind es heute nur noch die Hälfte, aber die Geschäfte laufen wieder, und die Jobs sind sicher. Aber hat sie auch an ihre eigene finanzielle Zukunft gedacht? „Im ersten Augenblick würde ich sagen, ja“, so ihre spontane Reaktion, „aber so richtig nachgedacht habe ich darüber eigentlich noch nicht.“

Frauen und die eigene Altersvorsorge – ein schwieriges Kapitel, das weiß auch Helma Sick. Seit rund 20 Jahren berät Sick in München Frauen in puncto Geldanlage und Rente und gehört zu den Gründungsmitgliedern der Finanz-Fach-Frauen, die seit 1988 spezifische Beratungen für Frauen anbieten. An ihrem Arbeitsalltag hat sich in dieser Zeit jedoch wenig geändert. Die Frauen, die zu ihr kommen – und das sind auch solche, die sonst keine Schwierigkeiten haben, ihr Leben zu meistern, „geben zumeist offen zu, dass sie sich mit dem Thema noch nicht beschäftigt haben“. Viele wissen schon lange, dass sie dringend etwas tun müssten, packen die Sache aber nicht an. „Derzeit habe ich andere Probleme!“, sagt Petra Dahmen, und so wie die Dachdeckerin sehen viele selbständige Unternehmerinnen die Lage.

Vorsorge wird oft ignoriert

Eine Situation, die auch die Münchener Verein Versicherungsgruppe gut kennt. Das Unternehmen sieht sich auch durch eine Studie bestätigt, die der Münchener Verein 2006 in Kooperation mit handwerk magazin durchführte. 545 im Handwerk tätige Personen wurden zum Thema Altersvorsorge befragt, darunter 43,1 Prozent Frauen, von denen etwas mehr als die Hälfte (52,2 Prozent) einen eigenen Betrieb führt.

Deutlich häufiger als die Männer (80,5 zu 72,9 Prozent) glauben Frauen nicht, dass ihre Rente noch sicher ist, dennoch reagieren sie auf diese Annahme deutlich weniger als die Männer. 90 Prozent der befragten Frauen betrachten private Altersvorsorge zwar grundsätzlich als wichtiges Thema, aber nur 60 Prozent handeln entsprechend. Weniger als die Hälfte der Frauen hat eine private Rentenversicherung abgeschlossen, nur jede Achte zahlt privat in ein handwerkliches Versorgungswerk ein. Und jede zehnte Frau macht überhaupt nichts zur Sicherung ihres Ruhestandes.

Vor allem Frauen, die verheiratet sind, so die Beobachtung von Finanzexperten, neigen dazu, sich in Sicherheit zu wiegen – und das eben auch, so noch einmal Beraterin Sick, wenn sie sonst gewohnt sind, unternehmerisch zu denken. „Mein Mann macht eine Menge“, sagt dazu Irene Büsing, und während sie es ausspricht, klingt sie selbst erstaunt. Denn seine Situation ist nicht anders als ihre; während ihm ein Bauunternehmen gehört, hat sie Anfang des Jahres den Betrieb ihrer Eltern in Papenburg übernommen, eine Schreinerei, die sich auf Innenausbau spezialisiert hat. Doch während er ganz selbstverständlich in die private Krankenkasse gewechselt hat und auch für die Rente spart, rechnet sie noch. Auf die Übernahme des Betriebs mit sieben Mitarbeitern hat sie sich gut vorbereitet, erst durch eine Lehre als Bauzeichnerin, dann durch das Studium der Holzwissenschaften. Die Altersvorsorge aber überlässt sie weitgehend ihrem Mann. In etwa zehn Jahren, so ihre Schätzung, wird sie gemeinsam mit ihm den finanziellen Grundstock gelegt haben, „wahrscheinlich in Immobilien“.

Dass diese Strategie jedoch auch schief- gehen kann, wissen nicht nur Experten. Sabine Möller, Inhaberin der ökologischen Bäckerei-Kette Körner in Hamburg, hat das erlebt. Auch sie hat die Übernahme der elterlichen Betriebe, „in denen die Ware noch wirklich selbst hergestellt wird“, akribisch vorbereitet und kann neben zwei Lehren, Konditor und Bäcker, ein BWL-Studium und Berufserfahrung im Marketingbereich einer Einkaufsgenossenschaft vorweisen. Die Altersvorsorge ging auch sie nur halbherzig an. Zwar begann sie vor über 15 Jahren damit, in die Bäckerpensionskasse einzuzahlen – das ist mehr, als viele andere Unternehmerinnen tun –, dennoch ließ auch sie sich vom Versorgungsgedanken durch den Ehemann blenden.

Ehe als Vorsorge

Verheiratet und Mutter zweier Kinder, war es für Möller selbstverständlich, dass im Alter auch sie von der Rente ihres Mannes profitieren würde. Eine Einschätzung, die sie zum Entsetzen der Münchner Finanzberaterin Svea Kuschel mit vielen Frauen teilt. 51 Prozent, zitiert die Expertin das Ergebnis einer Studie, zählten sogar private Rentenversicherungen zu ihrer eigenen Altersvorsorge, die eigentlich auf den Mann abgeschlossen sind. Ein Irrglaube, wie die Expertin betont, denn jede dritte Ehe wird geschieden, in Großstädten sogar jede zweite, und dann haben Ehefrauen zwar einen Anspruch auf die Hälfte des in der Ehe angesparten Deckungskapitals, aber nur der Ehemann kommt in den Genuss einer lebenslangen Rente. Und es kann noch schlimmer kommen, wie Möller erlebt hat. Als ihre Ehe in die Brüche ging, musste sie sogar eigene Ansprüche auf ihren Mann übertragen.

Doch Möller beging nicht nur den Fehler, sich auf ihren Mann zu verlassen, sie tappte auch noch in eine weitere typisch weibliche Falle. Sie versäumte es, rechtzeitig eine Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen. Aber sie hatte Glück. Als sie vor einem Jahr mit 39 Jahren schwer an Krebs erkrankte, sorgten Eltern und Schwester dafür, dass der Betrieb weiterlief und sie ein Auskommen hatte. Inzwischen ist sie gesundheitlich wieder auf den Beinen – berufsunfähig können Frauen aus vielen Gründen werden. Wer jedoch bereits erkrankt ist, hat kaum noch eine Chance, überhaupt von einer Berufsunfähigkeitsversicherung aufgenommen zu werden, und wenn, dann nur mit Risikozuschlägen oder Ausschlüssen der entsprechenden Problembereiche. Bereits heute werden etwa zehn Prozent aller Anträge ganz abgelehnt, Tendenz steigend. Gerade im Handwerk, so die Einschätzung von Experten, wirkt sich die zögerliche Haltung der Frauen besonders dramatisch aus. Denn gerade in Berufen, in denen körperlich hart gearbeitet wird, steigt das Risiko körperlicher Beschwerden mit zunehmendem Alter besonders schnell. Damit werden aber nicht nur die Beiträge teurer, je später man einsteigt, sondern auch das Risiko einer Erkrankung.

Staatlicher Schutz greift nicht

Trotzdem haben sich nicht einmal 60 Prozent (57,7) der Frauen im Handwerk, so auch das Ergebnis der Studie des Münchener Vereins, für diesen Fall abgesichert. Bei den Männern sind es dagegen rund 80 Prozent (79,3). Viele Unternehmerinnen glauben sogar noch, dass sie staatlichen Schutz genießen, dieser wurde jedoch Anfang 2001 stark eingeschränkt. Umfassenden Schutz gibt es nur noch für die Generationen, die vor dem 1. Januar 1961 geboren wurden.

Der Abschluss einer Berufsunfähigkeitspolice sollte wie der Abschluss einer Kranken- und einer privaten Haftpflichtversicherung auch nach Auffassung von Verbraucherschützern zur Grundausstattung jeder arbeitenden Person gehören. Und wenn irgendwie möglich zusätzlich eine Unfallversicherung, die auch dann einspringt, wenn eine durch einen Unfall entstandene körperliche Beeinträchtigung nicht zur Erwerbsminderung führt. Erst wenn diese elementaren Risiken abgesichert sind, betont Thomas Dambier, Redakteur der Zeitschrift Finanztest, kann daran gedacht werden, weitere der spezifischen Lebenssituation angepasste Vorsorge zu betreiben.

Diese allerdings, erläutert Jörg Hagedorn, Leiter der Abteilung Soziale Sicherungssysteme beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH), unterschieden sich für selbständige Handwerkerinnen vom Grunde her nicht von denen männlicher Betriebsinhaber – mit zwei Ausnahmen. Erstens: Wie viele selbständige Handwerker mit eigenem Betrieb müssen auch Frauen 18 Jahre in die gesetzliche Handwerkerpflichtversicherung einzahlen. Während der ZDH Männern jeweils nach Prüfung des Einzelfalls in der Regel jedoch rät, die Pflichtmitgliedschaft der schlechten Rendite wegen nach Ablauf der Frist zu beenden, sollten sich Frauen diesen Austritt laut Hagedorn genau überlegen. Speziell in dem Fall, dass sie Kinder erziehen, könne sich ein Verweilen lohnen. Nur in der gesetzlichen Kasse gibt es die Möglichkeit, diese Zeiten zu berücksichtigen. Außerdem sei für Frauen, die Kinder haben, auch die Riester-Rente besonders interessant. Wer aus der gesetzlichen Rentenversicherung austritt, verliert aber in bestimmten Fällen die Zuschussberechtigung.

Zwei Punkte, die auch die Zustimmung anderer Versicherungsexperten finden. Wer auf die Klientel „Frau“ spezialisiert ist, fügt einen Aspekt hinzu: Flexibilität. Wie auch immer in die Altersvorsorge investiert wird, ob durch Versicherung oder Sparvertrag, die monatliche Belastung sollte nicht starr und nicht zu hoch sein, besonders nicht bei Versicherungen. Auch, wenn es die theoretische Möglichkeit der Reduzierung gibt, ist dies immer mit einem Verlust verbunden. „Besser ist die Möglichkeit flexibler Zuzahlungen, wenn es die Situation erlaubt", rät die Finanzberaterin Kuschel. Petra Dahmen hat ihre eigene Situation inzwischen überprüft. Eine private Rentenversicherung mit Absicherung gegen Berufsunfähigkeit hat die Dachdeckermeisterin bereits abgeschlossen. Und auch für eine betriebliche Altersvorsorge hat sie gesorgt. „Aber das reicht wohl noch nicht“, weiß Dahmen inzwischen. Sie wird sich bald darum kümmern. „Sobald mir das Geschäft Zeit dazu lässt – irgendwann!“

Sabine Hildebrandt-Woeckel

cornelia.hefer@handwerk-magazin.de