Vor allem die Baubranche im Visier Schwarzarbeit: So sind Sie auf den Besuch vom Zoll optimal vorbereitet

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Schwarzarbeit und Zollrecht

Mit neuen Spezialeinheiten zieht die Steuerfahndung in den Kampf gegen professionell organisierte Betrüger – vor allem, um Schwarzarbeit effektiver zu bekämpfen. Wen sie ins Visier nehmen, was das für Handwerker bedeutet, warum der Job der Beamten immer gefährlicher wird. Ein Blick hinter die Kulissen.

Malermeister Jürgen Beil
Malermeister Jürgen Beil führt zusammen mit seiner Frau Claudia einen Malerbetrieb in Erding bei München. - © Lisa Hörterer

Handwerksunternehmerin Claudia Beil ärgert sich noch heute über die 800 Euro Bußgeld, die sie nach einer Schwarzarbeitskontrolle zahlen musste. „Bei einem Mitarbeiter, der kurzfristig für einen erkrankten Kollegen eingesprungen war, unterlief mir aus purer Unwissenheit ein formaler Fehler“, erklärt die Unternehmerfrau. Gemeinsam mit ihrem Mann Jürgen Beil führt sie in Erding bei München einen Maler­betrieb mit sechs Mitarbeitern.

Der Geselle, um den es ging, erhielt von der Arbeitsagentur Wintergeld. Das ist in den kalten Monaten nicht ungewöhnlich in der Branche, weil weniger Aufträge als sonst vorliegen. An dem Tag wurde der Mitarbeiter zu einer Baustelle bestellt. „Bei der Arbeitsagentur habe ich gleich angerufen und ihn telefonisch gemeldet“, erinnert sich Beil. Parallel aber wurde die Baustelle an dem Tag zufällig von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FSK) unter die Lupe genommen. „Ich hätte den Mitarbeiter sofort bei SVnet anmelden müssen, und zwar bevor der Mitarbeiter anfing. Am besten passiert das einen Tag vorher. Nur hatten wir den Auftrag erst am Nachmittag erhalten und dann kurzfristig entschieden, dass der Mitarbeiter am nächsten Tag kommen musste“, erläutert Beil.


Ihr Mann Jürgen erinnert sich noch an ein zweites Erlebnis mit den Zollbeamten. „Da kamen sie auf eine Großbau­stelle und checkten für jeden unserer Mitarbeiter genau ab, ob der Mindestlohn gezahlt wurde, ob sie korrekt angemeldet waren und ob alle erforderlichen Lohnunterlagen vorlagen“, so der Malermeister. Damals lief alles glatt, es gab keine Beanstandungen. „Wenn solche Kontrollen durchgeführt werden, finden wir das an sich gut. Aus unserer Sicht gibt es davon viel zu wenige. Schließlich führt Schwarzarbeit zu Wettbewerbsverzerrungen , was nicht gewollt sein kann“, meint Beil. Er setzt sich daher gezielt dafür ein, dass Mitarbeiter auch anderer Betriebe ordnungsgemäß angemeldet sind und den ihnen zustehenden Mindestlohn erhalten. „Im Malerhandwerk besteht Meisterzwang für eine Vielzahl von Tätigkeiten. Einige Selbstständige ohne den Titel umgehen dies und werben sogar noch mit solchen Leistungen. Das muss unterbunden werden“, sagt Beil. Schwarzarbeit oder Dumpinglöhne schadeten nicht nur dem einzelnen Konkurrenz­betrieb, sondern der gesamten Branche .

Kontrollen sind wichtig

Das ist Konsens im Handwerk. „Wenn wir vor Ort zur Kontrolle kommen, zeigen viele Unternehmer Verständnis für unsere Arbeit und sagen immer wieder, wie wichtig diese Prüfungen seien“, erklärt Sarah Garbers von der Generalzolldirektion in Bonn. Verschiedene Anlässe können diese auslösen. „Jeden Tag erhalten wir anonyme Meldungen. Wir prüfen diese und gehen ihnen bei einer begründeten Vermutung nach. Bestätigt sich, dass hier Schwarzarbeit vorliegen könnte oder vielleicht zu wenig Mindestlohn gezahlt wird, kontrollieren wir vor Ort“, so Garbers. Darüber hinaus erfolgen Routinechecks ohne besonderen Anlass. Genauso lösen bundesweite Schwerpunktkontrollen einen Besuch aus. „Überdies beauftragt die Staatsanwaltschaft die Finanzkontrolle Schwarzarbeit“, erläutert Garbers.

Die Mitarbeiter des Zoll wollen wissen, ob die Sozialversicherung und der Mindestlohn richtig abgeführt wurden. Außerdem gehen sie einer möglichen Scheinselbstständigkeit von Subunternehmern nach. Ein Beispiel: Ende April besuchte die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Hauptzollamts Itzehoe eine Baustelle in Glücksstadt, und zwar „verdachtsunabhängig“, wie es im Branchenjargon heißt. Es wurde eine Komplettüberprüfung des Bauvorhabens durchgeführt, bei der etwa 70 Arbeitnehmer und Selbstständige von über einem Dutzend Auftraggebern zu den Details ihrer Beschäftigung befragt wurden. Auswertungen gibt es bisher nicht. Bei einem Arbeitnehmer liege der Verdacht eines illegalen Aufenthalts vor, da er sich mit gefälschten bulgarischen Papieren auswies.

Baubranche im Visier

So oder ähnlich laufen die Kontrollen ab. Im vergangenen Jahr erfolgten im Elektrohandwerk bundesweit nach der Statistik der Generalzolldirektion 832 Arbeitgeberprüfungen, in der Fleischwirtschaft 535, bei Friseur- und Kosmetiksalons rund 1.900 und bei Wäschereien bzw. Reinigungen 149 Arbeitgeberprüfungen. Das ist nur ein kleiner Ausschnitt. Besonders häufig wird beim Bauhaupt- oder Baunebengewerbe nachgeschaut. Hier leitete der Zoll mehr als 8.600 Strafverfahren ein, die teilweise mit Freiheitsstrafen, Geldstrafen und natürlich mit Verwarnungs- oder Bußgeldern endeten. Letztere beliefen sich im Bauhaupt- und Baunebengewerbe auf mehr als zwölf Millionen Euro. Wäschereien und Reinigungen kamen mit 56.500 Euro davon.

„Bedingt durch die Pandemie haben sich die Prüfschwerpunkte 2020 verschoben, weil ja zum Beispiel Friseure mehrere Wochen und Monate geschlossen waren“, kommentiert Garbers. Über alle Wirtschaftszweige und Branchen leitete die FKS mehr als 100.000 Strafverfahren und über 57.000 Ordnungswidrigkeitsverfahren ein. „Im Rahmen ihrer Ermittlungen hat die FKS Schäden in der Gesamthöhe von rund 816 Millionen Euro aufgedeckt“, so das Bundesfinanzministerium. 2019 waren es 755 Millionen Euro. Die Tendenz könnte weiter steigend sein. Denn Bundesfinanzminister Olaf Scholz will bis 2029 mehr Personal zur Verfügung stellen.

Betriebe werden künftig also mög­licherweise etwas häufiger unter die Lupe genommen als bisher. Die Kontrollen müssen nicht, können aber unangenehm werden. Die Beamten des Zoll laufen während der Geschäftszeiten ein. Unternehmerfrau Beil erinnert sich an den Fall einer Kollegin. Die Beamten betraten ein Ladengeschäft, während dort Kunden bedient wurden. Sie wiesen sich aus und erklärten vor Publikum, dass sie zur Nachschau kommen.

„Wir kennen das Problem. Wir raten Unternehmern eine Art Handlungsleitfaden in der Schublade zu haben, um in einer solchen Situation Ruhe zu bewahren und richtig zu reagieren“, rät Dr. Mario Bergmann, Fachanwalt für Strafrecht der Kanzlei Brandi in Hannover. Er vertritt regelmäßig Handwerksunternehmer, die mit der FKS aneinandergeraten sind – obwohl sie aus ihrer Sicht alle Abgaben korrekt abgeführt haben. Er empfiehlt immer, zuerst zu fragen, in welchem Verfahren die Beamten unterwegs sind – ob sie also bereits einen Anfangsverdacht haben und ein Strafverfahren eingeleitet ist. In diesem Fall sollte stets ein erfahrener Rechtsanwalt gleich hinzugezogen werden. „Der jeweilige Ansprechpartner steht am besten schon auf der besagten Liste. Im Zweifel bleibt nämlich keine Zeit, um seinen Beistand noch lange he­rauszusuchen“, warnt Bergmann. Das gilt auch intern. Falls der Unternehmer selbst nicht im Haus ist, sollte ein verantwortlicher Mitarbeiter wissen, was zu tun ist.

Auch wenn die FKS keinen Anfangsverdacht hat, ist Vorsicht geboten: „Bei den Befragungen sollten Handwerks­unternehmer höllisch aufpassen, was sie antworten. Oft lassen die Angaben Interpretationen offen, was dann mit einem Ermittlungs- oder Strafverfahren enden kann“, warnt Bergmann. Möglichst sollte man nicht allein mit den Beamten sprechen. Auch wenn die Mitarbeiter Auskunft geben, „ist es besser, wenn aus der Firma noch einer dabei ist“, meint Bergmann. Im Nachgang sollte stets ein Gesprächsprotokoll notiert und aufbewahrt werden. „Auch die FKS erstellt solche Gesprächs-Vermerke. Mancher Unternehmer oder Befragte wundert sich im Nachhinein über den Inhalt“, so Bergmann.

Beschleunigte Kontrolle vor Ort

Der Unternehmer ist zu einer schnellen Mitwirkung angehalten, er sollte eine entsprechende Mappe mit Kopien und mit den Bautagebüchern parat haben. „Wir sind momentan an einer beschleunigten Prüfung vor Ort interessiert und wollen uns nicht zu lange aufhalten“, erläutert Garbers das Vorgehen der FKS während der Pandemie. Die Geschäftsunterlagenprüfungen können an der Dienststelle erledigt werden. Das beschleunigt aus Sicht des Zolls aber nicht die Prüfung, sondern nur die Kontrolle beim Unternehmen vor Ort. Fachanwalt Bergmann hingegen rät davon ab, die notwendigen Unterlagen den Beamten vorschnell in die Hand zu geben. Das sei freiwillig, man ist nicht verpflichtet. „Wir haben Fälle, bei denen der Zoll mit einem Durchsuchungsbeschluss wiedergekommen ist – obwohl zunächst alles so gut aussah“, sagt Bergmann.

Und es geht stets um viel Geld. Nachzahlungen bei der Sozialversicherung summieren sich in der Regel auf fünf- bis sechsstellige Beträge. Die geforderten Beiträge werden direkt zur Zahlung angefordert, notfalls in Raten. „Ein Gerichtsverfahren kann sich aber über mehrere Jahre hinziehen. Das belastet die Liquidität der Firma oft enorm, recht häufig existenzbedrohend“, weiß Bergmann. Auch das macht die Kontrollen gefährlich.

Checkliste Gut vorbereitet auf die Prüfung

Für den Fall einer Kontrolle des Zolls sollten Sie als Unternehmer die geforderten Unterlagen parat haben und souverän reagieren, um den Geschäftsbetrieb nicht zu stören. Hektik und Nervosität sind in der ungewohnten Situation zu vermeiden, die Prüfer könnten ungerechtfertigt hellhörig werden.

  • Können Sie kurzfristig einen Raum zur Verfügung stellen, in dem die Beamten die Unterlagen sichten können?
  • Sind die Papiere schnell zugänglich – wissen Sie, wo sie zu finden sind?
  • Haben Sie eine Mappe in der Schublade oder automatisiert alle Daten verfügbar? Konkret sind das Lohn-, Melde- und Aufzeichnungsunterlagen, Arbeitsverträge, Arbeitszeiten, Angaben zur Entlohnung, Personalien der Mitarbeiter.
  • Haben Ihre Mitarbeiter ihre Personalausweise parat – das betrifft vor allem die Baubranchen, Fleischwirtschaft, Gebäudereiniger oder Messebau?
  • Kennen Sie die Rechte der Kontrolleure? Nämlich,
    # dass sie Personalien auch von Kunden oder Lieferanten feststellen dürfen, falls diese gerade vor Ort sind?
    # dass sie Auskünfte zum Mindestlohn verlangen können?
    # dass sie sich Einblick in Arbeitsverträge, Urlaubs-pläne, Lohnlisten, Zeiterfassungsdaten verschaffen können?
  • Sind die Mitarbeiter informiert, welche Fragen gestellt werden?
  • Sind Sie in der Lage, kurzfristig der FKS Parkplätze zur Verfügung zu stellen – um vor dem Betrieb nicht zu viel Aufsehen zu erregen?