Innovation im Gerüstbauerhandwerk Schulter an Schulter mit Kollege Roboter

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Das vom Münchner Start-up Kewazo entwickelte intelligente Robotik-Logistiksystem soll den Materialtransport im Gerüstbauerhandwerk leichter und sicherer machen. Mit der gewährten Seed-Finanzierung von einer Million Euro kann Kewazo seine Vision nun umsetzen: mit einem intelligenten Roboter den Bau zu revolutionieren.

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    Start-up Team von Kewazo
    © Kewazo München
    Eine Million als Startfinanzierung: das Kewazo-Team in München kann sein für das Baugewerbe entwickelte Robotik-System am Markt anbieten.
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    Kewazo, technischer Prottyp
    © Kewazo
    Der technische Prototyp des robotischen Lastaufzugs von Kewazo.

Ein Gerüst bei Wind und Wetter hochzuziehen ist nicht nur körperlich anspruchsvoll, sondern birgt auch ein hohes Unfallrisiko. „Insofern sind wir für alle Innovationen offen, die den Fachkräften das Arbeiten erleichtern“, erklärt Petra Müller, Pressesprecherin beim Bundesverband Gerüstbau in Köln. Hinzu kommt, dass die bisherige Form der Gerüstmontage für die Unternehmen teuer und wenig effizient ist: 80 Prozent der Zeit für Auf- und Abbau entfallen für den Transport der Gerüstteile, 60 Prozent des Budgets für Lohnkosten.

Roboter spart ein Drittel der Arbeitskosten

Um einen flexiblen, kosteneffizienten und sicheren Transport von Gerüstteilen während der Gerüstmontage zu ermöglichen, hat das Münchner Start-up Kewazo ein aus Robotermodulen und Schienen bestehendes intelligentes System entwickelt, das bereits zum Patent angemeldet wurde. Die Robotermodule transportieren Gerüstteile auf Schienen vom Boden bis zum Montageort. Im Vergleich zu bestehenden Lösungen – Aufzügen und Seilwinden – benötigt das Robotersystem nur zwei Arbeiter für die Montage und kann die Teile nicht nur vertikal, sondern auch horizontal transportieren. Die Lösung ermöglicht es den Kunden laut Kewazo, mindestens ein Drittel der Arbeitskosten einzusparen und mehr Projekte pro Jahr abzuwickeln. Zudem, so Kewazo, erhöht die Lösung die Montagegeschwindigkeit um 42 Prozent und bietet neben mehr Flexibilität vor allem auch ein hohes Sicherheitsniveau.

Derzeit ist das Robotersystem auf die Gerüstbaubranche fokussiert. Der neuartige Aufzug hat bereits zu großem Interesse bei führenden Gerüstbauunternehmen und Industriedienstleistern geführt.  Mit wenig Aufwand kann das System für den Einsatz in weiteren Gewerken angepasst werden. Dazu zählen alle Tätigkeiten auf Fassaden und Dacharbeiten, Malerarbeiten oder Isolierungsarbeiten.

Das Robotersystem ist so ausgelegt, dass im Bauprozess eines Gerüstes wichtige Parameter wie transportiertes Material und Gewicht online digital erfasst werden und jederzeit abgerufen werden können. Dies ermöglicht mehr Transparenz beim Controlling und eine verbesserte Planung und gibt Optimierungsvorschläge. Diese Optimierung ermöglicht es, die laufenden Kosten beim Gerüstbau bis zu 20 Prozent zu reduzieren.

Seed-Finanzierung von 1 Million Euro sichert Markteintritt

Der Markteintritt von Kewazo wurde durch das Engagement des MIG Fonds 14 und des Business Angels Alfred Bauer möglich. Beide Investoren stellen in der ersten Finanzieurngsrunde insgesamt eine Million Euro zur Verfügung. „Wir sind von der Geschäftsidee und der Technologie von Kewazo überzeugt und steigen deshalb in einem sehr frühen Stadium in dieses Start-up ein. Die Einführung moderner Robotik in einen traditionellen Sektor wie das Baugewerbe ist ein überaus spannender und vielversprechender Ansatz”, so Michael Motschmann, General Partner und Vorstand der MIG AG. „In der Bauautomatisierung ist Kewazo ein echter Pionier, dem es gelingen kann, einen Bereich disruptiv zu verändern. Wir wollen bei diesem Vorhaben von Anfang an dabei sein und glauben, ein wirklich starkes Team zu unterstützen. Die MIG bringt neben der Finanzierung in besonderem Maße unternehmerisches Know-how ein, von dem die jungen Gründer sicherlich profitieren können”, ergänzt Klaus Feix, Venture Partner der MIG AG und für die Beteiligung an Kewazo verantwortlich.

Weltweites Marktpotenzial von 23 Milliarden Euro

Den Markt für Kewazo schätzen Gründer und Investoren überaus positiv ein. Allein in Deutschland wird nach ihrer Aussage mit dem Auf- und Abbau von Gerüsten ein jährlicher Umsatz von circa einer Milliarde Euro erzielt. Weltweit beträgt das Umsatzpotenzial über 23 Milliarden Euro. Da das System durch einen einzigartigen Batteriebetrieb sehr flexibel ist und mit geringen Anpassungen auch in anderen Bereichen des Baugewerbes eingesetzt werden kann, lässt sich das Marktpotenzial durch neue Anwendungen noch weiter vergrößern.

Wirtschaftlicher Einsatz ab sechs Meter Gerüsthöhe

Sinnvoll ist der Einsatz des Systems nach Einschätzung von Kewazo-Gründer Artem Kuchukow für alle Gerüste, die höher als sechs Meter sind: „Für niedriger Gerüste macht es grundsätzlich keinen Sinn, eine Transporthilfe einzusetzen, da führt man den Materialtransport schneller per Hand durch.“ Noch stehen zwar keine genauen Kosten für den Einsatz im Baualltag fest. Kuchukow schätzt jedoch, dass die Roboterlösung ab einer Gerüstfläche von 500 Quadratmetern profitabel ist.

Mitarbeiter brauchen kein Spezialwissen

Das System soll so gestaltet werden, dass jeder Mitarbeiter ohne spezielles Vorwissen in der Lage ist, damit zu arbeiten. Ziel ist laut Kewazo eine „halbautomatische Steuerung des Systems“.  Der auf dem Gerüst befindliche Monteur definiert seinen Standort und den gewünschten Zeitpunkt, das System fährt dann automatisch zu ihm und führt damit eine just-in-time und just-in-Sequentes Materiallieferung aus. Dafür genügt laut Kewazo eine Schulung, wie sie auch heute schon beim Umgang mit herkömmlichen Transporthilfen üblich ist.

Gerüstbauerhandwerk von den Vorteilen überzeugt

Den klassischen Beruf oder gar die gesamte Branche sieht Petra Müller vom Bundesverband Gerüstbauerhandwerk nicht gefährdet, im Gegenteil: „ Bei uns fehlen Fachkräfte an allen Ecken und Enden, deshalb sind wir froh über jede Entwicklung, die die Arbeit erleichtert und somit die Attraktivität des Berufs erhöht.“ Nach Angaben von Kewazo-Gründer Kuchukow ist das Feedback der führenden deutschen Gerüstbauunternehmen durchweg positiv: „Wir haben mit Menschen aus den unterschiedlichen Betriebsebenen gesprochen – von Gerüstbaumonteuren bis zur Geschäftsführung. Alle waren begeistert, dass es jemanden gibt, der sich Gedanken darüber macht, wie man die Arbeit der Menschen auf der Baustelle verbessern kann.“

Arbeiten bis zur Rente - der Roboter macht es möglich

Einige der Betriebe waren laut Kewazo gleich derart begeistert, dass sie sogar eine Absichtserklärung zum künftigen Einsatz des Robotiksystems unterschrieben haben. Viele erhoffen sich von der Innovation, dass sie ihre vorhandenen Fachkräfte jetzt deutlich länger als bis zum üblichen Gerüstbaueralter von 40 bis maximal 50 Jahren in ihrem angestammten Job beschäftigen können. Ein Unternehmer hat bereits vorgeschlagen, das System einfach von „16 bis 65“ zu nennen, um damit den Einsatz in einer umfassenden Altersspanne zu verdeutlichen.