Schlagen Sie den Marktpreis

Vom Rohstoff bis zur Büroklammer - oft ist der Einkauf nur lästige Routine. Dabei lohnt sich ein professionelles Einkaufsmanagement auch für Kleinstbetriebe. Wie Sie bis zu 15 Prozent sparen.

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    Johann Janßen (li.), Chef von Gerdes Holz-Systembau, leistet sich mit Jan Barkoff einen eigenen Einkäufer - und spart dabei.
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    Hohe Preise und ein starkes Auf und Ab erschweren die Kalkulation für die Unternehmen.
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    Neue Lieferanten und langfristige Verträge sollen künftig den Rohstoff-Einkauf erleichtern.

Schlagen Sie den Marktpreis

Sind meine Platten schon da? Hat jemand die Beschläge vom Lieferanten Schulze gesehen? Wo sind die vom neuen Lieferanten für heute zugesagten Kanten? - Bis vor zwei Jahren gehörte das Bestellen, Suchen und Nachtelefonieren bei der Gerdes Holz-Systembau GmbH in Wiefelstede zum Stellenprofil für die Meister und Techniker. „Dafür“, so Firmenchef Johann Janßen, „sind sie eindeutig zu teuer, zudem fehlt die Zeit für ihre eigentliche Aufgabe: die termingerechte Abwicklung der Aufträge.“

Da sich in der Alltagshektik auch niemand systematisch um eine Bündelung der Bestellmengen kümmern konnte und es deswegen kaum Chancen für bessere Konditionen gab, entschloss sich der Chef des auf Laden- und Messebau spezialisierten Betriebs zu einem im Handwerk bislang ungewöhnlichen Schritt: Er stellte einen Mitarbeiter ein, der sich ausschließlich um den Einkauf kümmert. Lohnt sich das für einen Betrieb mit 50 Mitarbeitern überhaupt? Firmenchef Janßen antwortet darauf mit einem deutlichen „Ja“: „Die Einstellung hat sich schnell amortisiert, da die Such- und Informationszeiten deutlich zurückgegangen sind und die Leute in Ruhe ihre Aufträge abwickeln können.“

Martin Thiele, langjähriger Einkäufer in der Industrie, war bei seinen ersten Kontakten mit Handwerksbetrieben vollkommen überrascht, wie wenig professionell die Beschaffung dort organisiert ist: „Da jeder privat zum Shoppen geht fühlen sich auch im Betrieb alle zum Einkauf berufen“, erklärt der Experte die geringe Wertschätzung für das Thema (siehe Interview Seite 34). Als Referent bei dem vom Paulus-Lager organisierten Seminar zum Thema „Einkaufskosten senken“ im Handwerk, erklärte Thiele den Unternehmern, welche zentrale Bedeutung der Einkauf für den Unternehmenserfolg hat: „Je schlechter die eigene Position, desto deutlicher wirkt sich eine Senkung der Materialkosten aus“ (mehr Infos siehe Infografik oben).

Preisrallye bei den Rohstoffen

Hinzu kommt laut Thiele noch ein weiteres Argument, das in Zeiten knapper und schwankender Rohstoffpreise immer mehr an Bedeutung gewinnt: „Die Betriebe können die gestiegenen Kosten oft gar nicht oder nur teilweise an die Kunden weitergeben.“ Wie sehr das Auf- und Ab an den Rohstoffmärkten die Unternehmer im Mittelstand belastet, zeigt eine aktuelle Studie der Commerzbank: 67 Prozent der befragten Firmenchefs klagen über steigende Rohstoffpreise, jedem Zweiten machen die massiven Schwankungen besonders zu schaffen (siehe Grafik Seite 31).

Jan Barkhoff, seit zwei Jahren Einkäufer bei Gerdes Holz-Systembau, kennt das Problem aus eigener Erfahrung: „Wenn ein Lieferant die Preise erhöht, können wir kurzfristig kaum etwas machen, da müssen wir beim nächsten Gespräch eben neu verhandeln.“ Mit einem Volumen von etwa drei Millionen Metern Kanten und einer Million Quadratmetern Spanplatten habe Gerdes bei den Lieferanten zwar schon eine gewisse Macht, sei aber immer noch ein gutes Stück vom Massengeschäft der Industrie entfernt. Da ein Handwerker ohne Serienfertigung diese Dimensionen ohnehin nicht erreichen kann, setzen Barkhoff und sein Chef Janßen auf langjährige und faire Beziehungen zu ihren Lieferanten. Das heißt jedoch keinesfalls, alle Preisveränderungen kommentarlos hinzunehmen: „Eine gesunde Distanz muss da sein und ich muss mich als Einkäufer immer trauen, Preisunterschiede zu hinterfragen.“

Selbstbewusst auftreten

Wie schwer das den meisten Unternehmern im Handwerk noch immer fällt, zeigte die sehr emotional geführte Diskussion über die vermeintliche Ohnmacht der Kleinbetriebe gegenüber dem Großhandel im Einkaufs-Seminar von Paulus-Lager. Diplom-Ingenieurin Doris Paulus, die selber einige Jahre eine kleine Schreinerei führte, ermutigte die Teilnehmer zum selbstbewussten Auftreten gegenüber Lieferanten: „Wer bereits im vorausschauenden Gehorsam unter der Türschwelle daherkommt, hat kaum Chancen auf ein ordentliches Verhandlungsergebnis.“

Einkäufer Barkoff hat sich für die Standardfrage der Lieferanten nach der Mitarbeiterzahl seines Unternehmens eine spezielle Antwort zurechtgelegt: „Ich sage immer, dass wir unsere Arbeit mit unseren Leuten gut schaffen.“ Warum er die genaue Zahl nicht verrät, hat einen plausiblen Grund: Über die Mitarbeiterzahl kann der Lieferant leicht den Umsatz und damit auch das mögliche Liefervolumen schätzen. Erscheint ihm das zu gering, verschlechtern sich für Barkoff die Chancen auf einen guten Abschluss bereits vor der eigentlichen Verhandlung.

Auch teurer kann sich rechnen

Gerade weil die Marktmacht der meisten Unternehmer im Handwerk begrenzt ist, warnt Experte Thiele jedoch davor, den Einkauf nur auf das Verhandeln zu reduzieren. Während der Erfolg im Gespräch nach seiner Erfahrung vor allem von der Vorbereitung abhängt (siehe Checkliste bei Online exklusiv), lassen sich bessere Preise und Konditionen in erster Linie durch eine Bündelung der Bestellvolumina erreichen. Jan Barkoff hat damit bereits sehr gute Erfahrungen gemacht: „Wenn ich die Aufträge der Meister und Techniker zusammenfasse, sind gleich mal vier Prozent Rabatt drin.“

Auch ein weiterer Stellhebel zur Reduzierung der Einkaufskosten (Übersicht auf Seite 32) hat in der Gerdes GmbH bereits prima funktioniert: die technische Optimierung. Barkoff hatte sich Muster von einem neuem Beschlag schicken lassen, die pro Stück deutlich mehr kosteten als die bislang verwendeten Materialien. Doch die Beschläge waren leichter zu verarbeiten und konnten andere Modelle ersetzen, sodass die Bestellmenge wuchs. Da sich der neue Beschlag zudem noch bei einem A-Lieferanten kaufen ließ und das Umsatzvolumen und damit auch die Konditionen verbesserte, kam Barkhoff zu dem Ergebnis: „Auch teurer kann sich rechnen.“

Was nach Zufall klingt, gehört beim Laden- und Messebaubetrieb zur Strategie. Statt nach dem schnellen Vorteil zu suchen, setzt Firmenchef Johann Janßen auf langfristige Beziehungen. Das gilt für die Kunden, die auch mal von Preissenkungen im Einkauf profitieren, genauso wie für die Lieferanten: „Wir kaufen prinzipiell keine Sonderangebote“, erklärt Janßen stolz.

kerstin.meier@handwerk-magazin.de


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