Sachverständige: Gutachten ohne Wert

Auch in Gutachten von Sachverständigen sollten Handwerker das Kleingedruckte lesen. Oft wird darin nämlich der Aussagegehalt stark eingeschränkt.

Sachverständige erstatten viele Gutachten, die aber nicht immer zielführend sind. - © Zerbor/Fotolia.com

In einem vom Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschiedenen Fall (Az.: 4 U 17/14) erwarben Mieter eine Immobilie im Landkreis Osnabrück zum Kaufpreis von 138.000 €. Zuvor hatte ein Sachverständiger im Auftrag des Verkäufers ein „Gutachten zur Ermittlung eines Verkehrswertes“ erstellt. Der Verkehrswert belief sich danach auf 142.000 €. In dem Gutachten war u.a. ausgeführt, dass der Dachstuhl einen leichten Schädlingsbefall aufweise. Tatsächlich war der Schädlingsbefall so stark, dass die Erwerber den alten Dachstuhl abreißen und neu errichten ließen. Die Kosten hierfür betrugen 47.700 €. Sie klagten davon einen Teilbetrag in Höhe von knapp 24.000 € gegen den Sachverständigen als Schadensersatz ein.

Das Urteil

Das Landgericht Osnabrück verurteilte den Sachverständigen zur Zahlung von 20.000 € an die Kläger. Der Beklagte habe seine Pflichten als Sachverständiger verletzt, weil er den Schädlingsbefall als leicht eingeordnet habe und in seinem Gutachten keinen Hinweis auf die Notwendigkeit einer weitergehenden Untersuchung durch einen Holzfachmann erteilt habe. Tatsächlich habe ein schwerer Schädlingsbefall vorgelegen, der durch eine Reparatur des Dachstuhls nicht zu beseitigen gewesen wäre.

Auf die Berufung des Sachverständigen hin wies hingegen das OLG Oldenburg die Klage ab. Zwar wurde die Auffassung des Landgerichts geteilt, dass der Sachverständige auch den Klägern gegenüber für begangene Pflichtverstöße hafte und der Schädlingsbefall tatsächlich so schwer war, dass ein Abriss und Neuaufbau des Dachstuhls notwendig wurde. Es bestand aber nach Ansicht der Oldenburger Richter bereits aufgrund des erteilten Auftrags zur Erstellung eines Verkehrswertgutachtens und nicht eines Schadensgutachtens keine Pflicht für den Beklagten zur Feststellung etwaiger Baumängel, insbesondere versteckter, nicht sichtbare Baumängel. Darüber hinaus habe der Beklagte seine Haftung gegenüber den Klägern aufgrund des von ihm erteilten Hinweises im schriftlichen Gutachten, dass er das Objekt nicht auf versteckte Mängel untersucht habe und ggf. diesbezüglich ein Schadensgutachter hinzugezogen werden müsse, wirksam beschränkt. Eine darüber hinausgehende Pflicht, speziell im Hinblick auf den erkannten leichten Schädlingsbefall im Gutachten darauf hinzuweisen, dass die Notwendigkeit einer weiteren Untersuchung durch einen Holzfachmann bestehe, hat das OLG Oldenburg nicht angenommen.

Fazit

Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück – mit dieser Taktik arbeiten Sachverständige immer dann, wenn sie schwammiges Terrain betreten und sich wegen des Prognoserisikos aus der Verantwortung stehlen wollen. Vergleichbaren Wertgutachten sollten Käufer mit gehöriger Skepsis begegnen und vor allem das Kleingedruckte lesen. Auch der Grund der Beauftragung und der Umfang der Prüfungen müssen bei der Frage herangezogen werden, wie weit sich der Sachverständige denn aus dem Fenster lehnen wollte. Im Zweifel sollte man lieber einen eigenen Sachverständigen beauftragen, der sowohl den Wert als auch den Bauzustand der Immobilie untersuchen soll.