Die Baumann-Kolumne "Neues von der Werkbank" Kommentar: Die Welt steht still – denn eine Statistik fehlt!

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Neues von der Werkbank – Kolumne von Ruth Baumann

Obwohl sich die ganze Welt der Digitalisierung rühmt, scheint die Pflicht der Unternehmer, statistische Auskünfte zu erteilen, davon ausgenommen. Nicht akzeptabel, findet Ruth Baumann, die Präsidentin der Unternehmerfrauen im Handwerk (ufh) Baden Württemberg im ersten Beitrag ihrer Politik-Kolumne "Neues von der Werkbank".

Ruth Baumann, Landesvorsitzende ufh Baden-Württemberg
Die studierte Politologin und Handwerksunternehmerin Ruth Baumann vertritt seit 2008 als Präsidentin die Unternehmerfrauen im Handwerk in Baden-Württemberg (ufh). - © Antoinette Steinmüller Fotostudio

Ach du schöne Digitalisierung! Doch leider können all' die zahlreichen monatlichen Meldungen der Lohnsteuer, Umsatzsteuer, der Sozialsummen und so weiter im Zeitalter der Vernetzung nicht genutzt werden, um die Betriebe von Auskunftspflichten zu entlasten. Gewiss, man ist immerhin schon so fortschrittlich, dass die erhobenen Daten online gemeldet werden müssen. Hierbei dürfte aber die Entlastung und somit die viel versprochene Ent-Bürokratisierung auf Seiten der Ämter liegen. Das Eingeben der Zahlen zählt immer noch zur Aufgabenstellung der Betriebe.

Sind Ämter eigentlich familienfreundliche Betriebe?

Um welche verantwortungsvolle und staatstragende Tätigkeit es sich hierbei handelt, wird jedem bewusst, der einmal der gesetzlichen Pflicht zur Abgabe einer Erhebung nicht nachgekommen ist. Auf eine Mahnung mit dem Hinweis, dass es eh keine Chance des Entrinnens gibt (§ 11a Bundesstatistikgesetz u.a.), folgen die Androhung eines Bußgeldbescheids oder gar ein Vermerk ins polizeiliche Führungszeugnis des Inhabers. Da viele Ämter bzw. Abteilungen der öffentlichen Hand sich gerne damit brüsten, ein familienfreundlicher Betrieb zu sein, hier nun ein Beispiel, wo Mitgefühl seine Grenzen erfahren kann, aber dennoch zertifiziert bleibt.

Nicht vergnügungssteuerpflichtige Arbeiten wandern immer zur Frau

In einem handwerklichen Familienbetrieb ist es oft der Fall, dass der kaufmännische (ungegendert, bitte um Nachsicht!) und der technische Bereich zwischen den (Ehe-)Partnern aufgeteilt ist. Die Erfahrung lehrt, dass verschiedene, nicht vergnügungssteuerpflichtige Tätigkeiten - hierunter fallen auch Statistiken - oft eine Wanderbewegung in Richtung des Schreibtisches der „guten Seele des Betriebes“ finden. Was geschieht nun, wenn plötzlich, unerwartet und unangekündigt, eine lebensbedrohliche Erkrankung eintritt? Eine Frau, 42 Jahre alt, erkrankt an Krebs. Die Familie, Mann, Kinder, der Betrieb mit vier Filialen, die fällige Umsatzsteuermeldung ... alles prasselt auf sie ein. Schockstarre, Angst, Tränen, Aktionismus, was muss jetzt erledigt werden, was kann erledigt werden, was kann warten ...?

Man fühlt sich von den Statistik-Ämtern verfolgt

Alles nicht so wichtig, wie die Abgabe der Zahlen für die Statistik. Wie viele Workshops, Gutachten, Kommissionen, Arbeitskreise und Evaluationen sind nötig, um zu realisieren, wie in dieser Situation Schwerpunkte gesetzt werden? Man ist zwar betroffen, will sich kundig machen, ob es keine Möglichkeiten gibt, familienfreundlich oder gar menschlich (?) zu reagieren ... Das Ergebnis? Alle Akteure haben im Rahmen ihrer Möglichkeiten versucht, etwas zu tun, waren bemüht. Mit ähnlichem Erfolg, wie es das Wort "bemühen" in einem Arbeitszeugnis ausdrückt ... Denn die Entbindung von der Abgabe einer Statistik kann nicht wirklich als großer Wurf bezeichnet werden.

Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für Betriebe gibt es nicht. Leider!

Es gibt sicher Arbeitgeber, die sich von den Statistischen Ämtern gemobbt fühlen. Wären sie Arbeitnehmer, könnte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt werden. Für Betriebsinhaber (oder deren Familienangehörigen) dagegen bedeutet es Nacht- oder Wochenendarbeit. Denn unter der Woche ist die Zeit meistens knapp.Ungenutzte Digitalisierung, zertifizierte Familienfreundlichkeit stoßen dort an ihre Grenzen, wo gesunder Menschenverstand gefragt ist. Bei einer Krebserkrankung ist nicht Verbalerotik, sondern konkrete Hilfestellung oder Entlastung gefragt. Aber man lernt: die Welt steht still, wenn eine Statistik fehlt.

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Die Unternehmerfrauen im Handwerk (ufh) Baden-Württemberg

Die Unternehmerfrauen im Handwerk (ufh) Baden-Württemberg verstehen sich als Berater-, Informations- und Serviceorganisation für ihre Mitglieder und als berufsübergreifende Interessenvertretung. Organisiert sind darin aktive Frauen im Handwerk. Darunter Ehefrauen, Lebensgefährtinnen, Töchter oder Schwiegertöchter von Betriebsinhabern/Handwerksmeister, aber auch selbständige Handwerksmeisterinnen bzw. Unternehmerinnen im Handwerk.

In Baden-Württemberg gibt es 32 Arbeitskreise mit 1.681 Mitgliedern. Die Aktivitäten finanzieren sich hauptsächlich durch Mitgliedsbeiträge. Die Unternehmerfrauen im Handwerk stehen im Dialog mit den Handwerksorganisationen und arbeiten an innovativen Projekten mit, die dazu beitragen, die Zukunft des Handwerks zu sichern. Seit 1996 sind sie stimmberechtigtes Mitglied im Baden-Württembergischen-Handwerkstag.

Die Unternehmerfrauen im Handwerk setzen sich für die soziale Absicherung und generelle Unterstützung von Frauen im Handwerk ein, fordern die gesetzliche Anerkennung der enormen Leistungen, die Frauen im Handwerk vollbringen. Sie wollen erreichen, daß es für Frauen im Handwerk leichter wird, ihre umfassenden beruflichen und familiären Verpflichtungen zu erfüllen. Eines der wichtigsten Ziele ist, sich beruflich weiterzubilden, um den vielschichtigen Aufgaben und Anforderungen gerecht zu werden.

Kontakt:
Ruth Baumann

Tullastrasse 47
79108 Freiburg
Telefon: 0761 / 509819
Telefax: 0761 / 509816
Email: praesidentin@ufh-bw.de

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