Riskante Zinswette

Geldanlage | Viele Anleiheprodukte versprechen derzeit hohe Renditen, aber keine festen Zinsen. Für Banken sind die neuen Angebote ein Verkaufsschlager, für Anleger dagegen oft eine Mogelpackung.

Riskante Zinswette

Die meisten Anleger wollen Sicherheit. Zugleich möchten sie aber noch etwas anderes: möglichst hohe Zinsen. Um beide Wünsche erfüllen zu können, verkaufen immer mehr Kreditinstitute daher Mixprodukte, die scheinbar die Quadratur des Kreises ermöglichen: Einerseits bieten die Banken ihren Kunden eine Kapitalgarantie, andererseits stellen sie ihnen Zinsen von fünf, zehn oder noch mehr Prozent in Aussicht. Deren Zahlung hängt allerdings von bestimmten Börsenkursen oder -bewegungen ab. So lockte etwa die Sparda-Bank Berlin mit dem Slogan: „Neujahrsanleihe, mind. 13,0%. Mit 5% p.a. in den ersten beiden Jahren und Kapitalgarantie.“

Solche Angebote klingen attraktiv, müssen sich für den Anleger aber nicht rechnen. „Es handelt sich dabei oft um Zinswetten mit hochkomplizierten Bedingungen, die für Sparer nur sehr schwer zu durchschauen sind“, kritisiert Volker Pietsch, Chef des Deutschen Instituts für Anlegerschutz (Dias) in Berlin. Sicher sei bei diesen Produkten nur eines: „Die Banken verdienen damit auf jeden Fall Geld.“ Die Rendite für den Kunden falle dagegen oft niedriger aus als in Aussicht gestellt. Pietsch rät, sich bei solchen Offerten das Kleingedruckte genau anzuschauen. „Wer nicht verstanden hat, wie die Wette läuft und worin das Risiko besteht, sollte die Finger davon lassen, um keine bösen Überraschungen zu erleben“, sagt der Dias-Chef. Auf die folgenden Punkte sollten Anleger bei den Zinswetten besonders achten.

Die vermeintliche Spitzenrendite: Ob 13 Prozent oder auch nur fünf – Banken werben für ihre neuartigen Anleihen mit weit überdurchschnittlichen Zinsen. Über fünf Prozent gibt es derzeit weder für Tagesgeld noch für Bundesanleihen. Von hohen Zinssätzen sollten sich Anleger jedoch nicht blenden lassen. So addieren die Banken die Zinsen oft nur, um mit einer hohen Zahl locken zu können. Die „mindestens 13 Prozent“ der Sparda-Bank in Berlin etwa beziehen sich auf eine Laufzeit von sechs Jahren – pro Jahr bleiben also gerade mal mindestens 2,16 Prozent. Manchmal werden überdurchschnittlich hohe Zinsen auch nur für die ersten Jahre gezahlt, danach ist nur ein Minizins garantiert. So kann der Anleger bei der Neujahrsanleihe der Sparda-Bank lediglich in den ersten zwei Jahren mit jeweils fünf Prozent sicher rechnen. Wieder andere Angebote sind so konstruiert, dass die Bank nur dann hohe Zinsen zahlt, wenn eine bestimmte Wette am Aktienmarkt erfolgreich verläuft. Für den Anleger entscheidend ist aber der Zinssatz beziehungsweise die Rendite pro Jahr. Und wie hoch die ausfällt, zeigt sich erst am Ende der Laufzeit.

Die verborgenen Gebühren: Wer eine Bundesanleihe in der Bankfiliale kauft, zahlt normalerweise eine Gebühr von 0,5 Prozent der Kaufsumme. Bei den neuen Anleihen verlangen die Geldinstitute gerne einen Ausgabeaufschlag, auf den sie in ihren Werbebroschüren zwar hinweisen, aber am liebsten im Fußnoten-Format. Beispiel: Bei der „Nikolaus-III-Anleihe“ warb die Deutsche Bank mit einem Festzins von fünf Prozent in den ersten beiden Jahren. Den gibt es jedoch nur auf dem Papier, weil eine Kaufgebühr von zwei Prozent an der Rendite zehrt. Das ist kein Einzelfall. Auch andere Institute lassen sich die Konstruktion ihrer Zinswetten gut bezahlen. Anlageexperte Pietsch rät deshalb, stets ganz genau die Kosten zu prüfen.

Die angebliche Garantie: Deutsche Anleger lieben Sicherheit. Das zeigt sich bei Garantiefonds und Garantiezertifikaten, die nirgends so gut laufen wie hierzulande. Banken locken daher auch bei ihren neuen Anleihen mit Garantien. Diese sind jedoch entweder auf die ersten Jahre beschränkt, oder die Institute bieten einen Kapitalerhalt für die Auszahlung am Ende der Laufzeit. Manchmal garantieren sie auch Minizinsen von zum Beispiel einem Prozent. „Für Anleger, die absolute Sicherheit wollen, kommen deshalb solche Anleihen nicht infrage. Risikoscheue Bankkunden können mit Bundesanleihen oder Pfandbriefen ruhiger schlafen“, sagt Pietsch.

Das unterschätzte Wettrisiko: Basis der neuen Anleihen ist oft eine Wette. Wer so ein Papier erwirbt, spekuliert darauf, dass ein Aktienindex wie zum Beispiel der Euro Stoxx 50 – er bildet die Kursentwicklung von 50 wichtigen Aktien der Eurozone ab – innerhalb eines vorher festgelegten Zeitraums in eine bestimmte Richtung tendiert oder eine bestimmte Grenze nicht unterschreitet. Beliebt sind auch Wetten, die sich auf einen Aktien-Korb beziehen. Bei der „ZinsAss-Anleihe“ der HypoVereinsbank etwa erhält der Anleger einen überdurchschnittlichen Zins, wenn sich die drei schlechtesten von 25 ausgewählten Aktien keinen zu großen Ausschlag nach unten erlauben.

Bei beiden Konstruktionen ist das Risiko erheblich: Weil sich die Kurse bereits auf einem hohen Niveau bewegen, ist ein weiterer Anstieg der Aktienindizes ungewiss. Andererseits kann ein Index schnell stark fallen. Der Euro Stoxx 50 etwa brach vom 6. März 2000 bis 12. März 2003 um knapp 70 Prozent ein. Wetten auf bestimmte Kursgewinne oder maximal mögliche Kursverluste sind deshalb sehr riskant. Erst recht gilt dies bei Spekulationen, die auf mehreren Aktien basieren. Hier besteht immer die Gefahr, dass bei einem Korb von über 20 Papieren die eine oder andere Aktie ausschert und so die Rendite verhagelt. Selbst wenn für ein oder zwei Jahre hohe Zinsen garantiert sind, bleiben bei Laufzeiten von fünf oder sechs Jahren nur noch Mini-Erträge von jährlich weniger als drei oder sogar zwei Prozent übrig.

Die lange Bindung: Wer sich länger als drei Jahre bindet, bekommt kaum mehr Zinsen als für ein- bis dreijährige Anlagen. Verbraucherschützer empfehlen daher, sich nicht länger festzulegen, um Geld umschichten und gegebenenfalls von einem weiteren Zinsanstieg profitieren zu können. Die neuen Anleihen haben dagegen oft Laufzeiten von fünf bis sechs Jahren. Ein vorzeitiger Ausstieg ist entweder gar nicht oder nur mit Kursverlusten möglich.

Fazit: Die neuen Zinsprodukte zeigen, dass ohne größeres Risiko keine höheren Renditen möglich sind. Anleger sollten sich daher gut überlegen, was sie wollen: mehr Sicherheit oder mehr Rendite, verbunden mit einem höheren Verlustrisiko. Beides zusammen gibt es nicht oder nur mit höheren Gebühren. Denn von nichts kommt nichts. Der Mannheimer Wirtschaftsprofessor Martin Weber, der sich seit Jahren mit dem Verhalten von Anlegern beschäftigt, rät deshalb: „Investiere in einfache Produkte.“

Frank Schuster

frank.wiercks@handwerk-magazin.de