Rette sich, wer kann

Insolvenz | Ist beim Kunden erst mal der Insolvenzverwalter eingezogen, sind die Forderungen des Handwerksbetriebes reif für die Abschreibung. Wer nicht umsonst arbeiten und seine eigene Firma vor der Pleite schützen will, muss frühzeitig vorsorgen. handwerk magazin zeigt, wie das geht.

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    © Susanne Marx
    Beugt seit der 600000-Euro-Pleite eines Kunden vor: Roland Filippi, Josef Hebel GmbH + Co. KG in Memmingen.
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    Zahl der Pleiten steigt wiederDie Finanzkrise ist jetzt auch in der Pleitenstatistik angekommen: Nach jahrelangem Rückgang der Zahlen rechnet Creditreform mit einem deutlichen Anstieg. Die bisherigen Höchststände der Jahre 2003 bis 2005 sind nicht mehr weit entfernt.

Rette sich, wer kann

35000 Unternehmenspleiten wird es 2009 geben. Allein in den ersten sechs Monaten des Jahres mussten 16650 Firmen Insolvenz anmelden, über 14 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. „Der Spätindikator der Konjunktur beginnt sich immer stärker abzuzeichnen – die Finanzkrise fordert ihren Tribut“, stellt die Wirtschaftsauskunftei Creditreform fest. Vor diesem Hintergrund ist es besonders wichtig, dass Handwerksbetriebe mit Sicherheiten möglichst gut gegen die Zahlungsunfähigkeit ihrer Kunden vorbeugen und sich auch in der eigenen Krise richtig verhalten.

Roland Filippi, Geschäftsführer der Josef Hebel GmbH & Co. KG Bauunternehmung in Memmingen, musste zunächst schlechte Erfahrungen sammeln. 2002 verlor der Betrieb mit heute 430 Beschäftigten und 114 Millionen Euro Umsatz durch die Pleite eines Auftraggebers mehr als 600000 Euro. Das Unglück kam völlig überraschend. Die Baufirma hatte bereits sechsmal für diesen Auftraggeber gearbeitet und war immer pünktlich bezahlt worden. „Wir hielten ihn für toll, das war ein fataler Irrtum.“


Arbeit gegen Bürgschaft

Das sollte nicht mehr passieren, und das hat Roland Filippi erreicht. Obwohl er in seinen 30 Jahren bei Hebel nur zwei oder drei Insolvenzen mitbekommen hatte, stellte er die Geschäftspraxis um: „Wir arbeiten nur noch gegen Sicherheit, also etwa eine Bankbürgschaft.“ Damit ist die Bezahlung auch bei Pleite des Auftraggebers garantiert. „Das wird weitestgehend akzeptiert.“ Schließlich muss das Bauunternehmen auch fast immer eine Vertragserfüllungsbürgschaft vorlegen. „Wir erklären einfach: Wenn die eine Sicherheit wollen, dann wir auch“, so Filippi. Wer sich da trotzdem echauffiere, sei für Josef Hebel kein Partner.

Zur optimalen Vorsorge führen viele Wege. Welcher der richtige ist, hängt von Branche, Auftrag und Kunde ab. Auch das Bauunternehmen Hebel arbeitet hier nicht einfach nach „Schema F“, sondern sucht kundengerechte Lösungen. Roland Filippi: „Statt durch eine Bürgschaft schaffen wir Sicherheit manchmal auch mit einem Zahlungsplan.“ Etwa so: Der Kunde leistet schon bei der Auftragserteilung eine verzinste Vorauszahlung, die erst bei Fertigstellung verrechnet wird. Auch das schützt vor dem Risiko unbezahlter Leistungen.“

Aber auch durch solche Vorsichtsmaßnahmen lässt sich ein Unternehmen nicht immer vor der Kundeninsolvenz schützen. „Sie trifft besonders alle Handwerker, die am Bau arbeiten“, weiß Andreas Wagnitz, Jurist bei der Handwerkskammer München. Das gelte auch für Subunternehmer beim Zusammenbruch des Hauptunternehmens. „Bei hohen Auftragssummen kann das der eigenen Firma schnell an den Kragen gehen.“ Denn wenn die Insolvenz eröffnet ist, bleibt die Forderung zwar bestehen, aber dafür gibt es nur die Insolvenzquote. „Das sind selten mehr als zwei Prozent“, sagt Michael Frikell, Geschäftsführer der Bauinnung München.

Der Experte warnt dennoch, bei drohender Insolvenz auf der Baustelle schnell noch wenigstens das verbaute Material in Sicherheit zu bringen. „Selbst wenn das – wie Badezimmerausstattungen oder Einbauküchen – nur mit ein paar Schrauben befestigt ist, gehört es ab dem Einbau dem Eigentümer der Immobilie. Damit werden Ausbau und Abtransport zum strafbaren Diebstahl.“ Dasselbe gelte für Material, das auf dem Grundstück lagere und wegen Abschlagszahlungen bereits Eigentum des Auftraggebers sei. Nicht ganz so problematisch ist die Situation bei unbezahltem Material. „Das gehört noch dem Bauunternehmer, trotzdem darf er es meist nicht gegen den Willen des Auftraggebers vom Grundstück entfernen“, sagt Frikell. Strafbar allerdings wäre das nicht.

Überhaupt stehen hektische Rettungsaktionen in letzter Sekunde rechtlich oft auf wackligen Füßen. Etwa der Versuch, den Auftraggeber noch schnell zur Zahlung zu bewegen. Denn oft hat der Insolvenzverwalter das Recht, das schnell noch überwiesene Geld zurückzuholen. Und es ist Verlass darauf: Er wird jede Möglichkeit nutzen, die meistens magere Insolvenzmasse aufzupäppeln. „Er kann sogar eine berechtigte Zahlung zurückfordern, wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag erfolgte und der Unternehmer wusste, dass sein Auftraggeber bereits zahlungsunfähig war“, erklärt der Dortmunder Insolvenzrechtler Kai Henning. Das gilt sogar, wenn dem Unternehmer klare Anzeichen für die Zahlungsunfähigkeit bekannt waren. „Dafür genügt es dem Bundesgerichtshof schon, dass Mietzahlungen unregelmäßig eingehen.“

Was auch nicht geht: „Sich schnell noch eine Maschine oder ein Kraftfahrzeug überschreiben lassen, wenn kein Bargeld mehr da ist“, so Anwalt Henning, „solche Versuche in den letzten ein bis drei Monaten vor Insolvenzantrag kann der Insolvenzverwalter oft durchkreuzen“ (siehe Tipps Seite 35). Er muss nicht einmal akzeptieren, wenn der Auftraggeber es dem Unternehmer erlaubt hat, sein eigenes bereits eingebautes Material wieder auszubauen und in Sicherheit
zu bringen.

In den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag ist selbst eine vom Auftraggeber vorgelegte Bauhandwerkersicherheit rechtlich gefährdet: „Wenn der Auftraggeber zahlungsunfähig war und der Unternehmer das wusste, kann der Insolvenzverwalter die Sicherheit kassieren, obwohl der Bauunternehmer da-rauf einen gesetzlichen Anspruch hat“, warnt Kai Henning.

Es gibt bessere Möglichkeiten. Kammerjurist Wagnitz: „Abschlagsrechnungen senken das Ausfallrisiko deutlich, aber effektiven Schutz bietet nur eine rechtzeitige Sicherheit.“ Immerhin ist hier die Situation der Unternehmer am Bau seit Anfang 2009 entscheidend verbessert worden. Sie können die Sicherheit notfalls gerichtlich durchsetzen. Zuvor war ihr einziges Druckmittel, der Ausstieg aus dem Auftrag, keine attraktive Aussicht.

Dieses Recht kann ihnen zwar keine Vertragsklausel nehmen, trotzdem nutzen es immer noch die wenigsten. Als das Augsburger Unternehmen Walter Bau 2005 in die Insolvenz ging, richtete die Handwerkskammer München eine Hotline ein. Andreas Wagnitz fragte die Anrufer als Ers-tes nach Sicherheiten: „90 Prozent erzählten mir, das hätten sie nicht, das liefe in der Praxis nicht, dann würde ihnen gekündigt.“ Doch einer hatte die Sicherheit, ein Italiener. Als er gehört hatte, dass es kriselt, ging er einfach hin, legte die Bürgschaft vor und bekam sein Geld. Wagnitz: „Ich habe schon öfter von Handwerkern gehört, dass es funktioniert, wenn man sich nur traut.“

Minibürgschaft als Test

Der Kammerexperte hat einen Tipp, den Kunden die Sache leichter zu machen: Bei einer Auftragssumme von 150000 Euro könne eine Bürgschaft von 15000 Euro genügen, wenn immer Abschlagsrechnungen in dieser Höhe gestellt würden. „Wird aber auch diese Sicherheit nicht gestellt, dann ist da etwas faul.“

Ein anderer wichtiger Indikator sind Änderungen im Zahlungsverhalten. „Am Bau kommt oft die erste Abschlagszahlung prompt, die zweite etwas verspätet und die dritte gar nicht.“ Zusätzlich rät der Kammerjurist, andere Handwerker auf der Baustelle nach ihren Erfahrungen mit dem Zahlungsverhalten zu fragen.

Für Andreas Wagnitz ist klar: „Die Unternehmer müssen einsehen, die Werkstatt, die Baustelle, das ist nicht die ganze Arbeit. Das Büro gehört einfach dazu.“ -

Thomas Münster

harald.klein@handwerk-magazin.de