Bundesfinanzhof zur Rentenbesteuerung Steuer auf die Rente: Wenn der Staat bei Handwerkern doppelt zugreift

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Altersvorsorge, Betriebliche Altersvorsorge und Steuerstrategien

Viele Handwerksunternehmer dürften von der Diskussion um die doppelte Rentenbesteuerung betroffen sein, die eine aktuelle Entscheidung des Bundesfinanzhofs ausgelöst hat. Mit der neuen Legislaturperiode sind Neuerungen zu ­erwarten. Wie Sie jetzt darauf reagieren sollten.

Maria und Arthur Bergmann
Maria Bergmann führt mit ihrem Mann Arthur das Fliesengeschäft Bergmann Bad+Fliese in Mömbris, Unterfranken. - © Tim Wegner

Noch kann Unternehmerfrau Maria Bergmann an den Ruhestand nicht denken. Die 61-Jährige führt gemeinsam mit ihrem Mann Arthur das Fliesengeschäft Bergmann Bad + Fliese im unterfränkischen Mömbris. Die Nachfolge ist allerdings schon vorbereitet. Sohn Thomas arbeitet in der Firma, er wird den Betrieb mit sieben Mitarbeitern übernehmen. In den nächsten Jahren wollen sie sich langsam zurückziehen. „Wir haben ein Leben lang hart gearbeitet, eine Familie gegründet, Kinder erzogen und wollen dann unsere freie Zeit sorglos genießen. Aber das ist heutzutage nicht mehr ganz so einfach“, meint die Handwerksunternehmerin.

Hintergrund ist, dass auch Rentner inzwischen hoch besteuert werden. „Egal, ob gesetzliche Altersrente, Witwen- und Erwerbsminderungsrente oder Betriebsrente: Alles unterliegt der Abgabenpflicht. Und die Hauptlast tragen der Mittelstand und der kleine Mann“, so Bergmann. Viele Handwerksunter­nehmer stehen jetzt vor einer Versorgungslücke. „In Notlagen stecken sie oft ihre Lebensversicherung, die einen Teil ihrer Altersvorsorge abdecken soll, als ­Liquiditätssicherung in den Betrieb“, erklärt die Vorsitzende der Unternehmerfrauen im Handwerk (UFH) im Kreis Aschaffenburg. „Viele Handwerksmeister arbeiten bis zu ihrem 70. Lebensjahr oder darüber hinaus. Die gesetzliche Rente ist meist ohnehin nicht so hoch, und dann kommt noch Vater Staat und will Steuern“, so Bergmann.

Einzahlung bleibt steuerfrei

Hintergrund ist die sogenannte nachgelagerte Besteuerung. In der Einzahlungsphase bleiben die Beiträge steuerfrei . Spätere Leistungen unterliegen dem Zugriff des Fiskus. Das gesamte System der Rentenbesteuerung wurde 2005 umgestellt. Seitdem versteuern Neurentner einen stetig steigenden Anteil ihrer Rente. Ab 2025 verschont der Fiskus die Beiträge komplett. Die Renten sind ab 2040 für alle in voller Höhe steuerpflichtig, die dann in den Ruhestand gehen. Und hier zeigt sich ein Problem: Der Bundesfinanzhof (BFH) sieht die Gefahr, dass künftige Jahrgänge doppelt besteuert werden könnten. Das passiert etwa, falls während der Erwerbstätigkeit aus versteuertem Einkommen Beiträge gezahlt werden, der Fiskus später in der Rentenzeit erneut abgreift. „Eine solche Doppelbesteuerung aber verbietet die Verfassung“, erklärt Julia Jirmann, Steuerexpertin beim Bund der Steuerzahler (BdSt) in Berlin. Der BFH hatte zu klären, wann dies der Fall sein könnte (Aktenzeichen: X R 33/19 und X R 20/19). Hintergrund: Während nur 15 Jahre lang steuerfrei in die Rentenversicherung eingezahlt wird, fallen auf die Rente später lebenslang Steuern an. Doppelt besteuert werden jene, die weniger Rente steuerfrei kassieren als sie versteuert Beiträge eingezahlt haben.

Die BFH-Richter sehen vor allem jene geschädigt, die jüngst oder in den nächsten Jahren in Rente gehen und hier – neben Selbstständigen – vor allem Männer, die wegen ihrer statistisch kürzeren Lebensdauer häufiger tangiert sind, und unverheiratete Senioren. Bei Verheirateten wird ein Anteil möglicher Witwen- oder Witwerrenten eingerechnet, womit die Rechnung wieder aufgehen dürfte. „Es wird individuell zu prüfen sein, welche Einzahlungen wann geleistet wurden“, rät Manuela Gräbner, Steuerrechtsexpertin der Kanzlei Theopark in Nürnberg. Im Zweifel sollten Chefs Nachweise zu Beitragszahlungen wie auch Steuerbescheide aus der Schublade holen und diese Papiere unbedingt weiter aufbewahren.

Bundesverfassungsgericht prüft

Der BdSt begleitet eine Verfassungsbeschwerde als Musterklage (Az: 2 BvR 1143/21) vor dem Bundesverfassungsgericht, die klären soll, wie Rentner belastet sind. „Selbstständige Handwerksunternehmer, die keine steuerfreien Arbeitgeberanteile erhalten haben, könnten besonders betroffen sein“, erklärt Jirmann. Ob das Gericht die Beschwerde annimmt, ist noch offen. „Außerdem ist zu erwarten, dass das Bundesfinanzministerium demnächst eine Verwaltungsanweisung zu den Urteilen des Bundesfinanzhofs veröffentlichen wird. Auch daraus werden sich weitere praktische Handlungsempfehlungen ergeben“, sagt Jirmann.

Der BdSt gibt konkret zwei Handlungstipps: Wer erst kürzlich seinen Steuerbescheid bekommen hat und sich betroffen sieht, legt gegen den Bescheid Einspruch ein. „Das ist nur innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides möglich. Senioren sollten anhand ihrer Unterlagen nachweisen können, dass eine Zweifachbesteuerung vorliegt. Dazu sind die früheren Steuerbescheide erforderlich“, so Jirmann.

„Alternativ kann ein Einspruch mit den laufenden Verfassungsbeschwerden begründet werden. Die Steuerzahler beantragen Ruhen des Verfahrens“, so Jirmann. Dazu sind die Aktenzeichen anzugeben (2 BvR 1143/21 und 2 BvR 1140/21). Jirmann weist darauf hin, dass die Steuern zunächst fällig werden. „Aber der Bescheid bleibt bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes offen“, erklärt die Expertin. Der BdSt hat einen Mustereinspruch verfasst (www.steuerzahler.de/musterbriefe). Sollten die Richter zugunsten der Bundesbürger entscheiden, erhalten sie den zu viel gezahlten Betrag zurück. Auch Bergmanns werden gegen ihren Steuer­bescheid Einspruch einlegen.

Kein Vertrauen in die Renten

Auch Handwerksunternehmer zahlen in die gesetzliche Rentenkasse ein. Aber viele Bundesbürger bezweifeln, dass diese ihnen ausreichend Sicherheit bietet.

Welchen dieser Aussagen stimmen Sie mit Blick auf Ihre Altersvorsorge zu, wenn Sie an das Thema Niedrig- und Negativzinsen denken?

AussageZustimmung in Prozent
Habe finanzielle Sorge wegen Ruhestand28,5
Investitionen sind derzeit nicht sinnvoll15,2
Meine Altersvorsorge leidet darunter31,4
Bin bereits von Strafzins betroffen 4,6
Habe kein Vertrauen in staatliche Renten 33,2
Ich will Altersvorsorge mit mehr Rendite 24,6
Möchte mehr Informationen zu Auswirkungen 12,1
Nichts davon 29,1

Quelle: Studie zu Altersvorsorge und Niedrigzinsen, Weltsparen.de, Civey, 2020, Mehrfachnennung möglich

Überblick: So besteuert der Staat Ihre Zusatzvorsorge

Handwerksunternehmer und ihre Familien verlassen sich nicht auf die gesetzliche Rente, sondern sparen ergänzend in anderen Anlagen an. Wie der Fiskus hier steuerlich rechnet.

  • Riester-Rente: In der Ansparphase wird die Riester-Rente steuerlich gefördert, wenn Mitglieder der gesetzlichen Rentenversicherung den Mindestbeitrag einzahlen – in Form von Zulagen und einem Sonderausgaben­abzug. Wenn die Rente fließt, greift der Fiskus in der Auszahlungsphase ab: Er besteuert die Riester-Rente voll und ganz.
  • Rürup-Rente: Sie wird ebenfalls gefördert, weil die Einzahlungen als Sonderausgaben absetzbar sind. Je höher das Einkommen des Einzahlers, desto größer ist der Steuerspar-effekt der Rürup-Rente. Die Leistungen im Alter sind ganz oder teilweise steuerpflichtig, abhängig vom Jahr des Renteneintritts. Die Rürup-Rente ist im Gegensatz zur gesetzlichen Rente kapitalgedeckt. Man spart Monat für Monat an.
  • Betriebliche Altersversorgung: Das Recht auf Gehaltsumwandlung besteht seit 2002 für jeden Mitarbeitenden, der in die gesetzliche Rente einzahlt – also zum Beispiel auch für die Unternehmerfrau oder Kinder, die im Betrieb arbeiten oder für den Handwerkschef. Prinzipiell haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Gehaltsumwandlung in Höhe von bis zu acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung. In 2021 liegt der steuerfreie Höchstbetrag bei 6.816 Euro im Jahr, monatlich 568 Euro. Im Gegenzug unterliegen die Leistungen später der individuellen Einkommensteuer. Allerdings wird der Steuersatz in der Regel dann deutlich niedriger liegen als in der Erwerbsphase. Manuela Gräbner, Steuerrechtsexpertin der Kanzlei Theopark in Nürnberg, sagt: „Zumeist handelt es sich deshalb nicht nur um eine Stundung, sondern tatsächlich um einen Steuervorteil.“ Auf die Leistungen können zusätzlich in der Rentenzeit noch in voller Höhe Beiträge für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung anfallen.
  • Private Rentenversicherung: Sie wird nicht gefördert in der Einzahlungsphase. Die Beiträge kommen aus voll versteuertem Einkommen. Dafür unterliegt die Rente später der Ertragsanteilbesteuerung. Nur ein geringer Betrag der monatlichen Leistung ist dann steuerpflichtig.