Kalkulation Raus aus der Rabattschlacht

Zugehörige Themenseiten:
Kalkulation

Was passiert, wenn der Kunde zahlt, was er will? René Sellmer hat es ausprobiert und ist bei diesem Modell geblieben. Welche Preisstrategien im Handwerk wirklich funktionieren.

  • Bild 1 von 5
    © Rudolf Wichert
    René Sellmer lässt die Kunden entscheiden, wie viel ihnen seine Friseurdienstleistung wert ist.
  • Bild 2 von 5
    © Rudolf Wichert
    René Sellmer lässt die Kunden entscheiden, wie viel ihnen seine Friseurdienstleistung wert ist.
  • Bild 3 von 5
    © Münchner Verein
    Selber rechnen: Die meisten Chefs vertrauen bei der Preisfestlegung auf ihre eigene Kalkulation, bevor sie das Preisniveau der Wettbewerber anschauen.
  • Bild 4 von 5
    © Schimkowski
    „Jeder Chef sollte sich auf die Kunden konzentrieren, die zu den Stärken des Betriebs passen.“Claudia Schimkowski, Inhaberin der „Agentur für das Handwerk“.
  • Bild 5 von 5
    © Ilja Mess
    Christian Eger hat die Wartungsarbeiten des Klimatechnik-Betriebs in eine Servicegesellschaft ausgelagert und kann jetzt endlich bessere Preise für die Dienstleistung abrechnen.

Raus aus der Rabattschlacht

Wie jeder Unternehmer verzichtet auch René Sellmer nicht gerne auf Umsatz. Trotzdem schickt der Inhaber dreier Friseursalons in Krefeld, Moers und Mönchengladbach ohne mit der Wimper zu zucken jeden Monat fünf bis sechs Kunden nach Hause. Das sind Frauen und Männer, die nicht mit Sellmers Philosophie klarkommen. Die nicht wollen, dass der Friseurmeister die Haare so schneidet, wie es ihm gefällt. „Wir erfüllen ja schließlich prinzipiell keine Kundenwünsche“, sagt Sellmer.

Verrückte Preisstrategie funktioniert

Seine Philosophie klingt ein bisschen krude. Noch haarsträubender aber hört sich seine Preisstrategie an: „Zahle, was Du willst“ heißt diese Strategie, die Preislisten überflüssig macht, weil die Kunden selbst bestimmen, was sie für die neue Frisur bezahlen wollen. „Es ist mehr, als wenn ich Festpreise ansetzen würde“, sagt Sellmer. Stolze 40 Euro geben seine Kunden im Schnitt - das sind pro Kunde unglaubliche elf Euro mehr als in den Salons, in denen Sellmer früher als Angestellter gearbeitet hat. „Die Preisstrategie funktioniert“, ist Sellmer überzeugt.

Zahle, was du willst - was nach unternehmerischem Harakiri klingt, geht bei Sellmer auf. Schließlich bettet er seine Preisstrategie in ein schlüssiges Gesamtkonzept. Sellmer überrascht die Kunden schon zu Beginn ihres Besuches, und er überrascht sie am Ende, wenn er einen leeren Umschlag hinlegt. Außerdem erbringen er und seine Mitarbeiter eine hochwertige Leistung, die seine Kunden beim entscheidenden Schritt - der Bezahlung - entsprechend würdigen.

Preise der Konkurrenz als Maßstab

Schon allein wegen des ausgeklügelten Servicemodells ist das ungewöhnliche Konzept nicht für jeden Betrieb geeignet. Dennoch taugt der Friseurmeister zum Vorbild, da er - im Gegensatz zu vielen Kollegen - überhaupt eine Strategie bei der Preisfindung verfolgt. So ist der Preis zwar auch im Handwerk der wertvollste Hebel zur Gewinnsteigerung, dennoch orientieren sich etliche Unternehmer fast ausschließlich an der Konkurrenz - und klagen über den harten Preiskampf.

„Handwerker hören immer die gleichen Worte von ihren Kunden: zu teuer und Rabatt“, weiß Claudia Schimkowski, Inhaberin der „Agentur fürs Handwerk“ in Plochingen bei Stuttgart. Wer als Unternehmer ausreichende Margen erwirtschaften will, könne jedoch nicht einfach die Preise erhöhen, sondern müsse Preisstrategie und Marktpositionierung in Einklang bringen.

Mut zum „Neinsagen“

„Eine intelligente Preisstrategie zu verfolgen heißt nicht unbedingt, dass man hochpreisig sein muss“, sagt Schimkowski. Auch mit niedrigen Preisen könne man hohe Gewinne erzielen. „Da macht es die Masse“, sagt die Beraterin. Wichtig sei, dass der Preis zur Leistung passe. Und zum gesamten Unternehmen. Deshalb sollte eine Marktpositionierung auch nicht am Reißbrett entstehen, sondern sich an den Stärken des Unternehmers und seiner Mitarbeiter orientieren. „Der Handwerker muss herausfinden, welche Leistungen er besonders gut und gerne anbietet“, sagt Schimkowski. Außerdem müsse er entscheiden, welche Kunden er will - und welche nicht.

Bodo Pauly, Inhaber des Beratungsunternehmens Pauly Sales in Lonning, rät den Unternehmern zu klaren Ansagen: „Ich kenne einen Handwerker, dessen Slogan lautet: „Ich kann alles, nur nicht billig.“ Das sei zwar provokant, ist laut Pauly aber transparent und erfolgreich: „Der Mann hat genügend zu tun“, versichert der Experte. Wer als Handwerker sein gewünschtes und erforderliches Preisniveau am Markt durchsetzen will, muss den Kunden nach Einschätzung des Experten einen Gegenwert bieten. Das gelte nicht nur für die Kernleistung, denn dass der Abfluss dicht ist oder die Tapete keine Wellen wirft, sei auf jeder Qualitätsstufe selbstverständlich.

Entscheidend sind laut Pauly vor allem die vermeintlichen Nebensächlichkeiten wie ordentliche Kleidung, Pünktlichkeit, Höflichkeit, sauberes Arbeiten. Auch mit Schnelligkeit oder einer Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit können Betriebe punkten - und vor allem: zusätzlichen Umsatz machen. Denn oft sind die Kunden großzügig, wenn sie einen hohen Nutzen in der Leistung sehen. Bevor sich Unternehmer Gedanken über ihre Preise machen, rät Pauly deshalb zunächst herauszufinden, was die Kunden eigentlich wollen. Ebenso wichtig ist nach seiner Einschätzung der nächste Schritt: zu kommunizieren, dass man genau das zu bieten hat.

Verkaufen statt nachgeben

Natürlich kommt es trotzdem immer wieder vor, dass die Kunden erst einmal die übliche Frage nach einem Nachlass stellen. Doch das ist kein Problem, solange der Handwerker zu seinem Preis steht und diese Haltung nach außen auch vertritt. „Wer nachgibt, verliert schnell seine Glaubwürdigkeit“, sagt Pauly. Und möglicherweise einen potenziellen Kunden. „Die Handwerker haben gar keine Ahnung, wie viel Geld sie aufgrund schlechter Preisverhandlungen verschenken.“ Besser als klein beizugeben sei es, in die Offensive zu gehen und die eigene Leistung überzeugend zu verkaufen. „Der Unternehmer muss seinen Kunden klarmachen, dass sie für den Preis eine adäquate Leistung erhalten“, bringt Pauly die Strategie auf den Punkt.

Produkt und Wartung trennen

Christian Eger hat viel kommuniziert, als er sich 2002 von der Massen- in Richtung Klassestrategie orientierte. Lange Jahre befand sich der Inhaber des Lüftungs- und Klimatechnik-Unternehmens Hörtner & Fischer GmbH in Konstanz im Preiskampf. Egal, ob seine Mitarbeiter ein neues Gerät montierten oder der Kundendienst eine Anlage wartete - immer rechnete er einen Stundensatz von 40 Euro ab. Nur: Die Kundendienstler waren höher qualifiziert, 40 Euro für ihre Arbeit nach betriebswirtschaftlicher Kalkulation zu gering bemessen.

Da zwei unterschiedliche Stundenlöhne auf einer Rechnung die Kunden verwirren, gliederte Eger Kundendienst und Service in eine eigene Gesellschaft aus. Seither firmieren die Service-Mitarbeiter unter dem Namen Hörtner & Fischer Kundendienst & Service GmbH. Rücken sie aus, schreibt er einen Stundensatz von 59 Euro auf. Kunden, die bei ihm eine Anlage kaufen und gleichzeitig einen Wartungsvertrag unterschreiben, erhalten auf dem einen Briefpapier die Rechnung für das Produkt und auf einem anderen die Rechnung für den Wartungsvertrag. „Das funktioniert“, freut sich der Firmenchef.

Und das, obwohl viele Kunden wissen, dass Eger der Chef beider Betriebe ist. Der Diplomingenieur nennt es listig das „Audi/VW-Konzept“: ein Konzern, zwei Marken.

Höhere Preise verlangen beste Qualität

Allerdings, räumt Eger ein, sei es mit der Ausgliederung nicht getan. Voraussetzung für höhere Preise im After-Sales-Service sei es, beste Qualität zu bieten, Klasse eben. Bei ihm gehört ein 24-Stunden-Notruf dazu. Ebenso Überziehschuhe, weiße Handschuhe, Plane und Besen. Außerdem Monteure, die selbst im Hochsommer nicht nach Schweiß riechen. Um das zu gewährleisten, hat Eger in jeden Firmentransporter eine Klimaanlage einbauen lassen.

Da viele Maßnahmen sowieso erfolgt wären, kalkuliert er keinen Mehraufwand für den Service, direkt zuordnen lassen sich nach seiner Erfahrung sowieso nur die Kosten für die Gründung der zweiten Firma. Nicht zuletzt wegen der geschickten Vermarktung haben sich auch die Kunden schnell an die Trennung von Einbau und Service gewöhnt:Eger fasst seine Leistungen nämlich unter dem griffigen Titel „Sauberkeitspaket“ zusammen - und führt es in der Rechnung wirkungsvoll mit „null Euro“ auf.