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Konjunktur

Wie geht es mit der deutschen Wirtschaft weiter? Ein Thema, dass derzeit Wirtschaft, Politik und alle einschlägigen Forschungsinstitute beschäftigt. Die Einschätzungen gehen dabei meist in dieselbe Richtung: Die Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose sieht die Wirtschaft stagnieren und auch der Creditreform Geschäftsklimaindex zeigt sich lediglich stabil. Und auch die Konjunkturprognose des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung fällt nur in Ansätzen positiv aus und die KfW sieht die Konjunkturaussichten auf breiter Front eingetrübt.

Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft trübt sich offensichtlich ein. - © © rangizzz - Fotolia.com

Die deutsche Wirtschaft wird in diesem Jahr um 1,3 Prozent und im kommenden Jahr um 1,2 Prozent wachsen. Das prognostizieren die an der Gemeinschaftsdiagnose beteiligten Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrem Herbstgutachten.

Demzufolge hat sich die Konjunktur in Deutschland merklich abgekühlt. Nachdem die Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal gesunken war und im dritten Vierteljahr wohl stagniert hat, kommt der Konjunkturmotor nur schwerlich wieder auf Touren. Schwach ist sowohl die Binnennachfrage – das Konsumklima hat sich zuletzt verschlechtert und die Unternehmen halten sich mit Investitionen weiterhin zurück – als auch die Auslandsnachfrage. Belastend wirken das mäßige Expansions tempo der Weltwirtschaft und die auch im Prognosezeitraum niedrige Dynamik im Euroraum. In diesem Umfeld sprechen sich die Wirtschaftsforschungsinstitute für eine Stärkung der Wachstumskräfte und günstigere Rahmenbedingungen für Investitionen aus. Der finanzielle Spielraum für ein investitionsfreundlicheres Steuersystem und mehr Ausgaben in wachstumsförderlichen Bereichen wie Sach- und Humankapital sei vorhanden.

Die deutsche Konjunktur hat sich abgekühlt.

Nach einem starken Jahresauftakt ist die Produktion im zweiten Quartal 2014 um 0,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal gesunken. Dass die aufgrund der ungewöhnlich milden Witterung starke Dynamik am Jahresanfang nicht anhalten würde, war erwartet worden. Der Rückgang der Produktion kam allerdings unerwartet. Günstige Finanzierungsbedingungen, eine zunehmende Kapazitätsauslastung und die in Unternehmensumfragen zum Ausdruck kommende Zuversicht hatten insbesondere eine Beschleunigung der Investitionen erwarten lassen. Eine Investitionsbelebung ist allerdings nicht eingetreten. Vielmehr hat sich die Konjunktur seit dem Frühjahr eingetrübt. Darauf deutet etwa das ifo Geschäftsklima hin, das sich seit Mai fünf Monate in Folge verschlechtert hat. Mehrere Faktoren dürften hierzu beigetragen haben.

Die weltwirtschaftliche Produktion expandierte mit einem unerwartet mäßigen Tempo, insbesondere der Euroraum befindet sich nach wie vor in einer Schwächephase. Internationale Krisen wie der weiter schwelende russisch-ukrainische Konflikt und die kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien und im Irak trübten die wirtschaftlichen Aussichten zusätzlich ein. Aber auch die deutsche Binnennachfrage zeigt deutliche Zeichen von Schwäche. Die privaten Konsumausgaben stiegen im zweiten Quartal nur wenig, und das Konsumklima verschlechterte sich zuletzt. Die Unternehmensinvestitionen gingen im zweiten Quartal zurück, und kaum etwas spricht dafür, dass sich die Investitionszurückhaltung bald legen wird.

Konjunktureller Ausblick für Deutschland verhalten

Im dritten Quartal wird die gesamtwirtschaftliche Produktion lediglich stagniert haben. Die Industrieproduktion dürfte erneut gesunken sein. Die Frühindikatoren sprechen dafür, dass die Expansion bis zum Jahresende schwach bleiben wird. So waren die Auftragseingänge im Durchschnitt der Monate Juli und August niedriger als im zweiten Quartal. Alles in allem wird das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2014 voraussichtlich um 1,3 Prozent steigen. Das 68-Prozent-Prognoseintervall reicht dabei von 1,1 Prozent bis 1,5 Prozent. Wegen der Stagnation im zweiten Halbjahr wird die Auslastung der deutschen Wirtschaft zurückgehen, die Produktionslücke bleibt negativ.

Die konjunkturelle Schwäche hinterlässt erste Spuren auf dem Arbeitsmarkt: Der Beschäftigungsaufbau hat sich verlangsamt, und die registrierte Arbeitslosigkeit hat zuletzt geringfügig zugenommen. Die Inflationsrate ist niedrig. Im September lagen die Verbraucherpreise um 0,8 Prozent über dem Vorjahr, wozu auch externe Faktoren, wie der Rückgang der Energiepreise, beigetragen haben. Die Verbraucherpreisinflation dürfte im Jahr 2014 bei 1,0 Prozent liegen.

Wichtigste Aufgabe der Wirtschaftspolitik ist es in diesem Umfeld, jetzt die Wachstumskräfte zu stärken und günstige Rahmenbedingungen für die Investitionstätigkeit zu setzen. Ein gewisser Spielraum für eine gestaltende Finanzpolitik steht hierfür zur Verfügung. Auf der Einnahmenseite sollte dieser dazu genutzt werden, das Steuersystem investitions- und wachstumsfreundlich zu gestalten, insbesondere durch eine Senkung der Abgabenbelastung. Auf der Ausgabenseite sollten die Ausgaben der öffentlichen Hand in solchen Bereichen, die potentiell das Wachstum erhöhen – also Ausgaben in Sach- und Humankapital –, ausgeweitet werden. Dabei ist allerdings davor zu warnen, die Mittel nach dem Gießkannenprinzip oder nach Länderproporz zu verteilen. Stattdessen müssen Effizienzgesichtspunkte leitend sein.

KfW: In Deutschland bereitet das Geschäftsklima Sorgen, die Eurozone gibt kaum noch Lebenszeichen von sich.

Nach Ansicht der KfW „läuft es in der deutschen Wirtschaft nicht mehr rund“. Die kräftigen Rückgänge bei Auftragseingängen und Industrieproduktion im August werden nicht die letzten schlechten Nachrichten bei den harten Konjunkturdaten bleiben, wenn die Firmen in ihrer Selbsteinschätzung Recht behalten. Der Mittelstand meldet für September eine erneute Verschlechterung seines Geschäftsklimas. Die Stimmung sinkt damit bereits den sechsten Monat in Folge. Nicht nur die Gegenwart, auch die Zukunft erscheint in einem immer trüberen Licht.

In der ersten Ausgabe des neuen KfW-Konjunkturkompass Eurozone prognostiziert die KfW für das Jahr 2014 ein Wachstum von nur noch 0,7 % für die Eurozone. Nach der Stagnation im zweiten Quartal wird demnach auch die zweite Jahreshälfte zäh. Die größte Schwachstelle sind weiterhin die fehlenden Investitionen.

IMK: Aufschwung gefährdet, aber im Kern noch intakt

Auch die aktuelle Konjunkturprognose des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung kommt zu dem Schluss, dass die deutsche Wirtschaft 2014 und 2015 nicht so stark wachsen wird, wie noch vor wenigen Monaten erwartet. Im Kern sei der Aufschwung aber noch intakt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde in diesem Jahr um 1,5 Prozent im Jahresdurchschnitt zulegen. Im kommenden Jahr dürfte die konjunkturelle Dynamik zunehmen und das Wachstum bei 1,9 Prozent liegen. Die Beschäftigung entwickle sich positiv, die Arbeitslosigkeit werde in beiden Jahren leicht sinken

Die Forscher empfehlen, in Deutschland schnell die öffentlichen Investitionen zu stärken. Damit ließen sich zwei Ziele erreichen: Eine Erneuerung der Infrastruktur sei zentral, um längerfristiges Wachstum zu sichern. Zugleich stimuliere die erhöhte Nachfrage die Konjunktur in Deutschland und im Euroraum, was dabei helfe, die hartnäckige Wachstumsschwäche in vielen Ländern der Währungsunion zu überwinden. Damit werde auch das derzeit nicht zu unterschätzende Risiko einer Deflation verringert. Zur Finanzierung rät das IMK unter anderem, die historisch niedrigen Zinsen und Spielräume bei der Haushaltskonsolidierung zu nutzen und langfristige Staatsanleihen auszugeben.

Kräftigere Binnennachfrage stützt das Wachstum

Das IMK geht in seiner Basisprognose nicht von einer drastischen Verschärfung der internationalen Konflikte aus. Als Stützen der insgesamt positiven Wirtschaftsentwicklung identifizieren die Forscher ein stabiles Wachstum in den USA und in den meisten Schwellenländern, von dem deutsche Exporteure ebenso profitieren wie vom schwächeren Euro. Vor allem aber macht sich laut IMK die bessere Balance der deutschen Volkswirtschaft positiv bemerkbar: Anders als im vergangenen Jahrzehnt hänge das Wachstum nicht mehr allein am Außenhandel, sondern es wird wesentlich von der kräftigeren Inlandsnachfrage getragen.

Motor dieser Entwicklung seien die verfügbaren Einkommen, die 2014 real um 1,2 Prozent und 2015 um 1,6 Prozent steigen werden. Eine nicht unerhebliche Rolle spielen dabei ab 2015 der Mindestlohn sowie das Rentenpaket der Bundesregierung. Noch wichtiger als Faktor eines balancierten Wachstums ist nach Analyse des IMK eine dauerhaft produktivitätsorientierte Lohnentwicklung. Für dieses Jahr prognostiziert das IMK einen Anstieg der Bruttolöhne und -gehälter je Stunde um 2,6 Prozent. Für 2015 rechnen die Forscher mit 3,4 Prozent.

Spielraum für dringend nötige Investitionen

Aus Sicht der Forscher besitzen mindestens zehn Mitgliedsstaaten der Währungsunion Spielräume, um ihre öffentlichen Investitionen auch kurzfristig zu stärken. Insbesondere Deutschland habe signifikante finanzielle Möglichkeiten und angesichts von großen Defiziten in der Infrastruktur auch einen besonders hohen Bedarf, konstatiert das IMK. Die Forscher haben verschiedene Möglichkeiten analysiert, höhere Investitionen zu finanzieren. Die Forscher plädieren daher dafür, Investitionen nicht länger zu verschieben und das historisch niedrige Zinsniveau zu nutzen. Schuldenbremse und Fiskalpakt beschränkten zwar die Kreditaufnahme der öffentlichen Hand. Da Deutschland die Konsolidierungsanforderungen in den vergangenen Jahren deutlich übererfüllt habe, verfüge der Staat aber über Freiräume.

Creditreform: Mittelstand unbeeindruckt

Der deutsche Mittelstand zeigt sich weitgehend unbeeindruckt von der zunehmenden Anzahl internationaler Konflikte. Die stabile Binnenkonjunktur in Deutschland sorgt weiter für die gute Stimmungslage. Entsprechend stabil zeigt sich der Creditreform Geschäftsklimaindex, der mit plus 18,4 Punkten nahezu den Stand des Vorjahres erreicht (Herbst 2013: plus 18,5 Punkte). Leicht abgeschwächt hat sich dabei aber der Teilindex, der die Lagebeurteilungen der Unternehmen zusammenfasst. Er notiert bei plus 19,1 Punkten nach plus 21,3 Punkten im Vorjahr. Die Geschäftserwartungen im Mittelstand sind dagegen so günstig wie seit 2010 nicht mehr. Der entsprechende Teilindex erhöhte sich von plus 15,6 auf plus 17,6 Punkte. Damit bleiben die Geschäftsaussichten wenigstens für die kommenden Monate freundlich. Von Krisenstimmung ist der Mittelstand weit entfernt.

Stabile Lage bei positiven Erwartungen

Die Auftragslage im Mittelstand ist derzeit gut, auch wenn mit 31,9 Prozent etwas weniger Befragte als vor einem Jahr (34,7 Prozent) von gestiegenen Auftragseingängen berichteten. Dabei ist der Rückgang auf das Baugewerbe zurückzuführen, wo deutlich weniger neue Aufträge hereinkamen. Die weitere Auftragsentwicklung beurteilen die mittelständischen Unternehmen optimistisch. Vor allem im Handel und im Verarbeitenden Gewerbe gab es viele positive Äußerungen. Die aktuelle Umsatzlage bietet dem Mittelstand ein solides Fundament für die gute Stimmung. So berichtete gut ein Drittel der befragten Unternehmen (35,2 Prozent) von einem Umsatzplus (Vorjahr: 37,4 Prozent) – während jeder Siebte (14,7 Prozent) Umsatzeinbußen beklagte. Die Umsatzerwartungen der mittelständischen Unternehmen sind sogar leicht positiver als vor einem Jahr. 30,6 Prozent der Befragten rechnen mit steigenden Umsätzen (Vorjahr: 28,6 Prozent), während jeder Neunte (11,0 Prozent) Rückgänge befürchtet. Im Baugewerbe fielen die Erwartungen zur weiteren Umsatzentwicklung allerdings merklich verhaltener aus als im Vorjahr.

Anhaltend hoher Personalbedarf im Mittelstand

Der Beschäftigungsaufbau im Mittelstand hat sich fortgesetzt. 28,7 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, mehr Mitarbeiter zu beschäftigen als im Frühjahr. In knapp jedem zehnten Unternehmen (9,2 Prozent) gab es Stellenstreichungen. Aufgestockt wurde vor allem im Verarbeitenden Gewerbe sowie im Dienstleistungssektor. Der auch künftig hohe Personalbedarf im Mittelstand kündet davon, dass die Geschäftsaussichten von den Unternehmen insgesamt optimistisch beurteilt werden. So will immerhin gut ein Fünftel der Befragten (21,4 Prozent) im nächsten halben Jahr das Personal aufstocken. Vor einem Jahr lag dieser Anteil erst bei 14,6 Prozent. Überdurchschnittlich viele Unternehmen mit Aufstockungsplänen gibt es im Verarbeitenden Gewerbe und unter den Dienstleistern.

Die hohe Investitionsbereitschaft der Unternehmen korrespondiert mit den positiven Auftrags- und Umsatzerwartungen. Etwa die Hälfte der Befragten (49,6 Prozent) hat ein Investitionsvorhaben angekündigt. Mehr Unternehmen als im Vorjahr planen Erweiterungsinvestitionen.