Prämie für die Besten

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Mitarbeitermotivation

Mitarbeiter | Wer qualifizierte Fachkräfte halten will, muss mehr bieten als ein nettes Arbeitsklima. Ein Leistungslohnmodell sorgt für wertvolle Anreize und reduziert die oftmals lästigen Gehaltsdiskussionen.

Von Kerstin Meier

Friseurmeisterin Eike Zessin
Friseurmeisterin Eike Zessin (li.) in Dresden zahlt lieber über Tarif, dafür aber individuell nach Leistung. - © Stephan Floss

Prämie für die Besten

Wenn beim Kassieren der letzten Kundinnen im Dresdner Friseursalon Zessin die Stimmung steigt, liegt das nicht nur am nahenden Feierabend. „Bei uns sieht jede Mitarbeiterin täglich, welchen Umsatz sie erzielt hat und wo sie im Vergleich zu den Kolleginnen steht“, erklärt Inhaberin Eike Zessin. Gelingt es an einem Tag gar, die Chefin zu schlagen, motiviere das „wirklich unheimlich“. Seit der Gründung des ersten Geschäfts setzt Eike Zessin auf ein System aus Grundlohn und umsatzabhängigem Leistungslohn. Um das Potenzial der 20 Mitarbeiterinnen zu erschließen, ist der Leistungsanteil schrittweise gewachsen. „Je höher der Grundlohn, desto geringer ist der Anreiz für gute Fachkräfte, sich zu engagieren“, so ihre Erfahrung.

Motivierte Mitarbeiter, eine höhere Produktivität und geringere Fixkosten – ginge es allein nach den Vorteilen, müsste eigentlich jedes Unternehmen ein Leistungslohnsystem haben. Dass vor allem im Handwerk noch immer der klassische Zeitlohn dominiert, ist nach Einschätzung von Martin Gugel, Experte für Lohnsysteme in Neulingen, leicht zu erklären: „Wer nach Leistung bezahlen will, muss nicht nur die Daten ermitteln und offenlegen, sondern auch das Soll bestimmen.“

Angst vor Ärger im Betrieb

Eine solche Umstellung falle vielen Chefs schwer, weil sie natürlich für Diskussionen sorgt. Peter Schmidt in Dießen, der Betriebe bei der effizienten Abwicklung von Baustellen berät, kennt noch ein weiteres Hindernis: „Chefs, die mehr Leistung fordern, müssen auch die Voraussetzungen dafür schaffen und Abläufe verändern.“ Weil viele dazu nicht bereit sind, dominiere am Bau häufig die Gutsherrenart: Läuft die Baustelle gut, verteilt der Chef am Freitagnachmittag an jeden einen mehr oder weniger prall gefüllten Umschlag.

Für Friseurunternehmerin Zessin ist ein solches Modell keine Lösung, denn: „Je transparenter und nachvollziehbarer das System, desto höher ist auch das Engagement der Mitarbeiter.“ Damit bei allem internen Wettbewerb Teamarbeit und Kundenservice nicht leiden, erhält jede die Dienstleistung gutgeschrieben, die sie geleistet hat. Neue Mitarbeiterinnen, die sich erst an die Anforderungen gewöhnen müssen, werden gefördert und weitergebildet. Eike Zessin: „Es gibt keine schlechten Mitarbeiterinnen, mein Ziel ist es, jede aufzubauen und im Betrieb zu halten.“

Eine Einstellung, die nach Einschätzung von Martin Gugel im Handwerk noch selten ist. Bislang kennt der seit über 30 Jahren tätige Berater nur wenige Betriebe, die über eine leistungsbezogene Entlohnung gezielt die Attraktivität ihrer Arbeitsplätze erhöhen. Dabei, so Gugel, „werden solche Unterschiede, im Kampf um gute Fachkräfte immer wichtiger“. Zwar sei der Leistungslohn nie allein ausschlaggebend für die Wahl des Arbeitsplatzes, doch gerade bei den gewerblichen Mitarbeitern spiele die Lohnhöhe eine große Rolle.

Dass es für ihre überwiegend jungen Mitarbeiterinnen noch auf jeden Euro ankommt, weiß auch Eike Zessin. Obwohl alle Angestellten inzwischen über Tarif verdienen, zahlt sie am Jahresende noch eine Prämie auf den Gewinn des jeweiligen Geschäfts. Das soll zum sparsamen Umgang mit den Produkten motivieren, und das Miteinander verdeutlichen: „Die Mitarbeiterinnen arbeiten nicht für die Chefin, sondern für sich und das Wohl des Geschäfts.“ Wenn sie dabei jede Woche einmal die Chefin schlagen, freut sich Eike Zessin sogar darüber.