Branchentrend Schwerhörigkeit: Optimale Anpassung von Hörgeräten

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Internationale Handwerksmesse und Technologietransfer

Rund 14 Millionen Deutsche sind schwerhörig. Bis zu 2,5 Millionen müssen ein Hörgerät tragen. Nun wurde ein Verfahren zur lautheitsbasierten Anpassung von Hörgeräten entwickelt. Damit kann man mit einem Hörgerät deutlich besser hören.

Hörgeräteakustikermeister Harald Bonsel (rechts) und Prof. Steffen Kreikemeier: "Gute Chancen, zum Branchen-Standard zu werden" - © Tim Wegner

Hörgeräteträger werden sich über eine aufsehenerregende Innovation freuen, die Prof. Steffen Kreikemeier mit Harald Bonsel vom Hörtechnikhersteller Acousticon in Reinheim bei Darmstadt in den vergangenen fünf Jahren entwickelt haben. Es handelt sich um eine neue Technologie für Hörgeräte mit dem sperrigen Namen „In situ Perzentilanalyse“ . Mit Hilfe modernster Technik passt sich das Gerät an das Hörvermögen des Trägers an und stellt seine technisches Innenleben so ein, dass der Träger die akustische Außenwelt immer optimal wahrnimmt.

Schöner hören

Über einen Schlauch, der in den Gehörgang bis zum Trommelfell führt und eine winzige Sonde enthält, misst das Gerät den Schalldruckpegel, der auf das Ohr einwirkt. Die Messung findet also „in situ“ statt, wie die Audiotechniker gerne in ihrem Latein sagen - also „unmittelbar am Ort“. Solche Messungen sind wichtig: Jedes menschliche Ohr nimmt Sprache und andere Außengeräusche anders wahr. Genau diese Unterschiede erfasst der Hörgeräteakustiker mit der Percentilanalyse und passt das Gerät so an, dass der Träger seine Mitmenschen immer gut hören kann.

Wie die meisten technische Produkte haben auch Hörgeräte von der Digitalisierung kräftig profitiert und sind weiter verfeinert worden. Heute kann der Akustiker diese so genau wie noch nie ans menschliche Ohr anpassen. Für diese Verbesserungen hat Kreikemeier einen wichtigen Beitrag geleistet. Es wurde die Perzentilanalyse nochmals weiterentwickelt.

Als Konsequenz kann diese so feine Zielwerte ermitteln, dass der Träger eines Hörgeräts die Umwelt nicht nur hört, sondern auch die Lautstärke und den Klang des Gehörten als angenehm empfindet. Das heißt, er hat das Gefühl, dass er völlig ohne Hörgerät die Außenwelt wahrnimmt. Allerdings muss dann der Schalldruckpegel direkt vor dem Trommelfell gemessen werden, ohne zusätzliche Hardware geht es also nicht.

Erleichterung für 2,5 Millionen Deutsche

Deswegen hat Harald Bonsel die Messtechnik für die "In situ Perzentilanalyse" nochmals verbessert. Die von ihm konzipierte und ständig weiter entwickelte Mess-Software Acam lieferte stets zuverlässige Daten für dieses Analyseverfahren, so dass sich das im Markt schnell durchsetzen konnte und heute ein unumstrittener Standard ist. Allein deshalb war er Kreikemeier als technologischer Partner erste Wahl.

In rund vier Jahren wurde eine marktreife Lösung entwickelt und hierfür rund 215.000 Euro investiert. Heute kann jeder Hörgeräteakustiker, der mit der Messtechnik arbeitet, Kunden mit der „In situ Perzentilanalyse“ begeistern. Allein in Deutschland haben sich rund 400 Akustiker für Ihre Lösungen entschieden. Die Chancen, dass dieses Verfahren schnell zum Branchenstandard wird und möglichst vielen der rund 2,5 Millionen Hörgerätenutzer in Deutschland und weiteren in Europa den Alltag erleichtern wird, stehen hervorragend.

Für ihre Erfindung wurden Hörgeräteakustikermeister Harald Bonsel und Prof. Steffen Kreikemeier Ende 2016 mit dem Technologietransferpreis von handwerk magazin ausgezeichnet.

Der Betrieb

Acousticon Hörsysteme GmbH in Reinheim (Hessen)

Die Innovation

Es wurde ein neuartiges Anpassverfahren für Hörgeräte, die Insitu-Perzentilanalyse, entwickelt. Es ermöglicht erstmals eine reale lautheitsbasierte Anpassung von Hörsystemen. Höchstes Sprachverstehen durch ideal eingestellte Lautheit und Klang sorgen für hohe Akzeptanz bei Kunden.

Der Technologietransfer

Prof. Kreikemeier befasste sich im Rahmen seiner Doktorarbeit an der Universität Gießen mit der Insitu-Perzentilanalyse. Über einen Schlauch, der in den Gehörgang führt und eine Sonde enthält, misst das Gerät den Schalldruckpegel, der auf das Ohr einwirkt. Harald Bonsel implementierte das Verfahren in Messanlagen und führte es zur Serienreife.

Der Erfolg

Das Verfahren wird bereits zusammen mit der entwickelten Messanlage ACAM 5 vertrieben und findet in Deutschland und ganz Europa große Anwendung. Kliniken, Hörgeräteakustiker und die Hörgeräteindustrie können es anwenden.