Nivelliergerät „estrobot“

Innenausbau Karl-Heinz Müller und Prof. Burkhard Bischoff-Beiermann, Hochschule Niederrhein in Krefeld.

Karl-Heinz Müller (rechts), Innenausbau Müller GmbH (Mönchengladbach) und Prof. Dr. Burkhard Bischoff-Beiermann von der Hochschule Niederrhein (Krefeld). - © Rudolf Wichert

Stundenlang auf den Knien liegend arbeiten und trotzdem kein optimales Ergebnis erzielen – das ist das Schicksal vieler Trockenbauer, wenn sie Trockenestrich vor allem in großen Räumen ausbringen. Die Kollegen hätten immer geklagt, aber keiner hätte sich aufgerafft, etwas zu tun, beschreibt Karl-Heinz Müller die Situation in seiner Branche vor 2007. In diesem Jahr fasste der Mönchengladbacher Innenausbauer den Beschluss, ein mechanisches Nivelliergerät zu entwickeln, das die bisherigen Abziehlehren ersetzen sollte.

Das Nivelliergerät „estrobot“ gibt diesen Handwerkern nun die Möglichkeit, in aufrechter Haltung unabhängig vom Raumzuschnitt Flächen mit einer Zeitersparnis von bis zu 70 Prozent mit einer über die geltende Norm hinausgehenden Genauigkeit zu erstellen. Ermüdungsfreies, gelenke- und rückenschonendes Arbeiten wird so mit Wirtschaftlichkeit und einer perfekten Glätte des Estrichs kombiniert.

Der Technologietransferberater der Handwerkskammer Düsseldorf, Reinhold Bottin, gab erste Tipps, vor allem jedoch vermittelte er den Kontakt zu Professor Burkhard Bischoff-Beiermann, Experte für technische Mechanik an der Hochschule Niederrhein in Krefeld. Im Laufe der dreijährigen Entwicklungsarbeit entstand zunächst ein Prototyp, der aber aufgrund seines hohen Gewichts nicht optimal einsetzbar war – beispielsweise auf Dachböden. Auf Anraten und unter Mithilfe Bottins wurde dann ein Antrag auf Bundesförderung aus dem ZIM-Programm gestellt und eine elektromechanische Variante in Angriff genommen. Im Endeffekt entstand eine in ihrer Art und Praxistauglichkeit einmalige Innovation. Ihre Vorteile: zusammengeklappt und mit 18 Kilogramm Gewicht leicht zu transportieren, Aufbau in wenigen Handgriffen, kabellose Stromversorgung per Akku, um 360 Grad schwenkbares Abziehschwert zur Glättung des Estrichmaterials, Aktionsradius von 2,5 Metern. Über einen Handknauf kann der „estrobot“ mit leichten Bewegungen gesteuert werden. Das Arbeitsergebnis ist aufgrund der automatischen Korrektur immer gleichmäßig und präzise, selbst in kritischen Bereichen wie Nischen, um Säulen oder an Rohrauslässen.

Wenn er am Beginn dieses Wegs auf die Unkenrufe gehört oder ihm klar gewesen wäre, welche Entbehrungen und zwischenzeitliche Schwierigkeiten ihm bevorstehen, hätte er es vielleicht nicht gemacht, blickt Karl-Heinz Müller heute zurück. Die Reaktionen in der Branche, auf die der „estrobot“ inzwischen beispielsweise auf Messen gestoßen ist, machen ihn, seinen Sohn Markus, der sich an der Entwicklung maßgeblich beteiligte, und seinen Innovationspartner Bischoff-Beiermann aber überaus stolz: Ein Trockenbauer hat Müller sogar mal Schläge angedroht, weil er die Idee nicht schön früher umgesetzt habe und seine Knie dann noch gesund wären. Wichtiger ist ihm jedoch die Gewissheit, dass es für den „estrobot“ einen sehr großen Markt gibt. 50 Kaufoptionen aus dem Trockenbau liegen schon vor, zudem können die Väter des Gerätes sich dessen Verleih über Baumärkte vorstellen und vor allem den Einsatz für andere Materialien und in anderen Bereichen: zum Beispiel für den Garten- und Landschaftsbau, wenn das Gerät auch ein Gefälle berücksichtigen kann.

Die Hochschule Niederrhein war insbesondere für Motor, Getriebe und Messtechnik zuständig. Als besonders kniffliges Problem stellte sich dabei die permanente Abstimmung zwischen dem Signal des Lasergeräts, das die Höhenvorgabe für den Estrich gibt, dem Sensor des „estrobot“ und dem Stellmotor für das Abziehschwert heraus. Hier brachte Diplom-Ingenieur und Bachelor of Engineering Tobias Poppe als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hochschule seine Kenntnisse und Ideen ein. In Zehntelsekundenzeiträumen müsse die Kommunikation stattfinden, um glatte Verhältnisse zu schaffen. Auf den Menschen am Führungsknauf des Nivelliergeräts „estrobot“ will Karl-Heinz Müller aber keinesfalls verzichten: Er habe das Gefühl in der Hand. Und das sei die Grundvoraussetzung für glatte Flächen.