Interview zum Thema Gründergeist Nico Polleti: "Unternehmer müssen auf ihre Intuition hören"

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Digitalisierung und Elektromobilität

Nico Polleti hat für sein Start-up Cluno viele Millionen Euro eingesammelt und das Abonnieren von Autos salonfähig gemacht. Der Ex-Porsche-Verkäufer gibt im Gespräch Handwerkschefs Tipps, die man beim Gründen in digitalen Zeiten beherzigen sollte.

Nico Polleti
Digitalisierung ist für Nico Polleti ein Mix aus kultureller und technischer Revolution. - © Tanja Kernweiss

Hier im Münchener Osten wird die Zukunft der Mobilität forciert: Rund 100 Mitarbeiter des Fin-Techs Cluno versuchen Tag für Tag, Kfz-Lenkern das digitale Autoabo schmackhaft zu machen. Alles außer Tanken – so lautet das Konzept des im November 2017 mit fünf Mitarbeitern gestarteten Unternehmens. Autofahren zum Fixpreis, heißt es in der Neumarkter Straße 28. Während im Großraumbüro die Entwickler konzentriert auf ihre Bildschirme starren, tauschen sie sich auf Englisch aus. Mittendrin in dieser Start-up-Atmosphäre: Gründer Nico Polleti.

handwerk magazin: Herr Polleti, mit Ihrem digitalen Geschäftsmodell haben Sie bei Kfz-Unternehmern für viel Aufsehen gesorgt. Wie lebt es sich als Disruptor?

Nico Polleti: Ich glaube nicht, dass ich ein Disruptor bin. Denn ein Disruptor fügt in der Regel einer Industrie Schaden zu – indem man harte Einschnitte macht. So sind wir nicht. Ich wäre auch bei sehr disruptiven Geschäftsmodellen eher zurückhaltend.

Wie sehen Sie sich dann?

Wir sind Innovatoren, die den logischen nächsten Step in der Entwicklung sehr konsequent gehen. Und der logische nächste Step im Autovertrieb ist, dass die indivi­duelle Preisverhandlung eines Kunden mit einem Verkäufer nicht das ist, was in Zukunft funktionieren wird. Deshalb sind wir Innovatoren und Weiterentwickler.

Erinnern Sie sich noch an die Initialzündung für Ihre Geschäftsidee?

Im Jahr 2009 habe ich noch bei Porsche gearbeitet und hatte Kunden, die wollten im Sommer Cabrio und im Winter SUV fahren. Damals noch ein Geschäftsmodell für eine kleine Luxuszielgruppe. Aber damals ist mir klar geworden, dass sich Mobilität verändern wird und dass das Binden an ein Auto nicht das ist, woran ich in Zukunft glaube. Das war der initiale Einfall zu unserem Autoabo Cluno.

Gründergeist in digitalen Zeiten – auf was kommt es hier besonders an?

Drei Dinge möchte ich nennen: erstens die sehr hohe Frustrationsgrenze, zweitens ein sehr hohes Durchhaltevermögen und drittens eine sehr hohe Eigenmotivation. Denn neben der initialen Idee kommen im Laufe der Zeit immer Stolper­steine, die man lösen muss.

Was waren bei Ihnen die größten Stolpersteine?

Was mich damals nachts wachgehalten hat, war das Thema der Refinanzierung. Als Start-up das Kapital von Banken zu bekommen, um Autos zu kaufen, das war eine Herausforderung – selbst mit unserem Background.

Wie sind Sie bei der Analyse des Markts vorgegangen und wie kam die Idee dann vom Flipchart ins Netz?

Wir haben schon analytisch versucht, uns an den Markt heranzutasten. Wie hat sich das Leasing von Autos in den letzten zehn Jahren entwickelt? Sehen wir da einen Trend? Aber – und den Punkt mache ich immer wieder: Seiner Branchenerfahrung zu vertrauen ist etwas Wertvolles. Unternehmer müssen auf ihre Intuition hören.

Ist die Digitalisierung mehr eine kulturelle oder technische Revolution?

Es ist beides. Kulturell insofern, als wir der Generation der Millenials nicht mehr erzählen können, dass sie einen 40-seitigen Leasingvertrag unterschreiben soll. Wenn du Musik nur als App kennst, dann ist es schwierig, einen ausgedruckten Leasingvertrag zu akzeptieren. Zudem muss Technologie für den Menschen immer einen Wert haben, wenn er sie einsetzen möchte.

Welche Mitarbeitertypen haben Sie beim Start an Bord geholt?

Wenn man in zweieinhalb Jahren von fünf auf über 100 Mitarbeiter wächst, ist die Herausforderung, Menschen zu finden, die diese schnelle Entwicklung mitmachen können und wollen. Jede Woche ändert sich hier etwas. Dabei achten wir darauf, dass wir einen Mix aus jungen Leuten mit wahnsinnig viel Motivation und Ehrgeiz haben, aber auch viele Leute mit großer und profunder Erfahrung.

Und welche Tipps können Sie Handwerkschefs diesbezüglich geben?

Mein Tipp als Gründer: Man muss sich als Unternehmer selbst sehr stark weiterentwickeln – vom besten Angestellten hin zum Manager der Firma. Das war auch bei mir so. Das bedeutet, dass ich heute beispielsweise Leute für die Firma begeistern muss, die in ihrem Bereich sehr viel besser sind als ich.

Wie haben Sie sich selbst auf das nächste Level gehoben?

Ich habe mich sehr bewusst mit meiner Rolle auseinandergesetzt – ich habe dazu Bücher, Blogs, Biografien von erfolgreichen Unternehmern gelesen. Wie muss ich meine Rolle weiterentwickeln? Was ist mein Job heute? Denn der hat sich mittlerweile deutlich verändert: Erstens kommuniziere ich an alle Stakeholder unsere Vi­sion und unsere Ziele, zweitens begeistere ich Menschen, diese Vision zu übernehmen und daran mitzuarbeiten, und drittens stelle ich das nötige Kapital für die Firma sicher. Meiner Meinung nach verwenden viele Unternehmer zu wenig Zeit darauf, externes Geld in die Firma zu holen – weil sie im Tagesgeschäft verhaftet sind.

Wie haben Sie sich als Unternehmer das nötige IT-Know-how erarbeitet?

Ich habe mich hingesetzt und in die ­wesentlichen Dinge eingearbeitet: Ich verstehe heute etwas von Suchmaschinen­optimierung, von Datenbanken, von Internet. Dieses Grundverständnis ist elementar. Man kann nicht die Company digitaler machen, wenn man die Mechaniken nicht versteht. Das ist das größte Invest in die Zukunft des Unternehmens.

Sie haben in verschiedenen Finanzierungsrunden viel Geld eingesammelt. Ihr Mittel gegen schlaflose Nächte vor diesen wichtigen Terminen?

Es gibt weniger gute Investmentmöglichkeiten als Geld am Markt. Das heißt, die Investoren sind auf der Suche nach guten Companies. Und da darf man dann schon mit einem gesunden Selbstbewusstsein auftreten – das ist wirklich wichtig. Natürlich habe ich als Gründer immer wieder Momente, wo ich denke, das klappt jetzt nicht. Aber mit harter Arbeit kommt man immer vorwärts – und die großen Katastrophen sind glücklicherweise bislang ausgeblieben.

Es gibt also keine schlaflosen Nächte?

Schlaflose Nächte habe ich nicht. Mittlerweile habe ich einen ganz klaren Rhythmus – gesunde Ernährung, Sport, Campen. Schlaflose Nächte bringen keinem etwas. Und würde die Firma nur funktionieren, wenn ich täglich 13 Stunden im Büro wäre, dann hätte die Firma ein Problem – das hält niemand auf Dauer durch.

Herr Polleti, vielen Dank für das informative Gespräch!

Vita: Nico Polleti

Nico Polleti
Ex-Autoverkäufer Nico Polleti ist Co-Gründer des Autoabo-Anbieters Cluno aus München. - © Tanja Kernweiss

Nico Polleti hat zusammen mit seiner Frau Christina Polleti und Andreas Schuierer im Jahr 2017 das markenunabhängige wie digitale Autoabo-Angebot Cluno gegründet. Der 38-jährige Ex-Porsche-Verkäufer ist in Passau aufgewachsen und war 2007 Manager des Jahres der AVP Automobilgruppe . 2011 gründete Polleti dann die easyautosale GmbH , die er 2015 an den Gebrauchtwagen-Marktplatz Autoscout24 GmbH verkaufte. Venture-Capital-Investoren von Cluno sind Atlantic Labs , Acton Capital Partners und Valar Ventures .