Regionalmessen Neuer Trend zum echten Gespräch

Zugehörige Themenseiten:
Messen

Sie wachsen kontinuierlich und locken jährlich knapp sechs Millionen Besucher an: Nach Auskunft des Messeverbands AUMA sind regionale Veranstaltungen bei Ausstellern und Besuchern wieder besonders gefragt. Anfassen, fühlen, riechen und schmecken - der persönliche Kontakt und das Erlebnis liegen im Trend.

  • Bild 1 von 2
    © Christian Mader
    „Jedes fünfte Gespräch mit Interessenten am Stand führt bei uns zu ­einem Termin beim Kunden.“ Uwe Gröning, ­Gebietsleiter bei Schanz Rollladensysteme.
  • Bild 2 von 2
    © Bettina Engel-Albustin/fotoagentur-ruhr moers
    Auf dem Stand der „Tischler NRW“ bei der „Mode-Heim-Handwerk“ in Essen konnten die Besucher viele prämierte Ausstellungsstücke besichtigen und sich von den anwesenden Unternehmern zu ihren Plänen beraten lassen.

Rund 110 erfasste Kontakte, die zu 19 Beratungsterminen vor Ort beim Kunden führten – schon wenige Tage nach Abschluss der „Familie + Heim“ in Stuttgart weiß Steffen Schanz, ob sich der Auftritt bei der im Rahmen des „Stuttgarter Messeherbsts“ stattfindenden Veranstaltung gelohnt hat: „Unsere Mitarbeiter am Stand erfassen per Strichliste die Zahl der geführten Gespräche, der Außendienst arbeitet die Kontakte dann zeitnah nach“, erklärt der kaufmännische Geschäftsführer von Schanz Rollladensysteme in Simmersfeld.

Punkten als Spezialanbieter für Rolladen in Dachschrägen

Der im Schwarzwald seit 35 Jahren ansässige Familienbetrieb hat sich auf Rollladensysteme für Dachschrägen, ungewöhnliche Fensterformen und Wintergärten spezialisiert. Da die Käufer ein solches Produkt in der Regel nur einmal benötigen, muss der Betrieb, dessen Mitarbeiter jährlich über 4000 neue Rollläden fertigen und passgenau einbauen, laufend neue Kunden gewinnen. Ein gutes Drittel kommt dabei über Messen, im Schnitt führt laut Schanz jedes fünfte Beratungsgespräch mit einem Interessenten am Stand zu einem Beratungstermin. „Unsere Quoten-Highlights sind die Grüne Woche in Berlin und der Mannheimer Maimarkt, hier macht es einfach die Masse der Besucher.“

Erfolgskontrolle: Zahl der Kundenkontakte pro Veranstaltung ist das Maß der Dinge

Wird die Quote einmal nicht erfüllt, nimmt Schanz die Veranstaltung nicht sofort aus dem Programm, sondern setzt erstmal ein Jahr aus und versucht es dann wieder. Schließlich hängt der Erfolg im Messegeschäft auch von äußeren Faktoren wie dem Konsumklima, der wirtschaftlichen Lage oder auch dem Wetter ab. Jeder Super-Sommer wie etwa der im Jahr 2015 beschert den Rollladen-Spezialisten einen Auftragsboom. Nachdem sich die Vorteile des von Schanz entwickelten Lichtschienensystems – Licht rein, Hitze raus – im persönlichen Gespräch nun einmal am besten erklären lassen, sind Messen laut Geschäftsführer Schanz fester Bestandteil im Vertriebskonzept. „Wir stellen im Jahr auf rund 70 Veranstaltungen aus und haben inzwischen sechs eigene Messestände.“

Vertrauen aufbauen: die Vorteile der Face-to-Face-Kommunikation nutzen

Ein Blick auf die Halbjahresbilanz des Messeverbands AUMA in Berlin zeigt, dass sich der Schwarzwälder Familienbetrieb mit dieser Strategie in guter Gesellschaft befindet. 2017 zählten die 154 beim AUMA registrierten Regionalmessen zwei Prozent mehr Ausstellungsfläche und 1,4 Prozent mehr Besucher als 2013. Der positive Trend wird sich nach Auskunft von AUMA-Sprecher Harald Kötter weiter fortsetzen. Warum ausgerechnet die Regionalveranstaltungen eine solche Konstanz im ansonsten üblichen Auf und Ab des Messegeschäfts erzielen, erklärt Messekenner Kötter mit den Vorteilen der Face-to-Face-Kommunikation: „Der Messebesuch erleichtert den Kunden die Kaufentscheidung, sie können die Produkte sehen und mit den Anbietern reden.“

Verkaufsgespräch: 20 Sekunden, die entscheiden

Andrea D’Alessandro, die bei der Handwerkskammer Chemnitz seit über 20 Jahren Unternehmer in Sachen Messeauftritt berät, kann diese Einschätzung auch für das Handwerk bestätigen: „Messen sind ein richtig gutes Podium, um Vertrauen zum Kunden aufzubauen.“ Gerade bei größeren Vorhaben wie einem Hausbau wollen die Kunden wissen, mit wem sie es zu tun haben. Deshalb ist es nach ihrer Erfahrung wichtig, sich auf der Messe „nicht zu verbiegen“, sondern authentisch aufzutreten und die Beteiligung gut vorzubereiten. „Der Aussteller hat nur 20 Sekunden Zeit, um einen vorbeilaufenden Besucher an den Stand zu locken.“

Aufmerksamkeit erzielen mit kreativen Ideen und innovativer Standgestaltung

Damit das möglichst oft gelingt, sind vor allem kreative Ideen und außergewöhnliche Exponate gefragt. So können auch Branchen punkten, die vermeintlich keine tollen Produkte vorzeigen können. Gerne erinnert sich die Messe-Expertin an ein Beratungsgespräch mit einem Rohrreiniger. Dabei entstand die Idee, am Stand die Gegenstände auszustellen, die von den Mitarbeitern täglich „abgefischt“ wurden. Was zunächst etwas abstoßend klingt, entpuppte sich schließlich als Besuchermagnet. „Die Kunden kamen von sich aus auf den Stand und fragten nach, damit war die Gesprächsbrücke sofort da“, erinnert sich Andrea D’Alessandro. Neben Tipps zum Auftritt erhalten die Unternehmer von den nahezu bei allen Handwerkskammern tätigen Messeberatern auch Unterstützung bei der Auswahl der richtigen Veranstaltung. Wer den Aufwand für einen eigenen Stand scheut, kann sich auch an einem Gemeinschaftsstand beteiligen, den viele Handwerkskammern und Fachverbände für ihre Mitglieder organisieren.

Perfektes Kosten-Nutzen-Verhältnis beim Gemeinschaftsstand

Jörg Börskens, Tischlermeister in Essen, hat sich schon häufiger als Berater am Gemeinschaftsstand der „Tischler NRW“ bei der „Mode-Heim-Handwerk“ in Essen zur Verfügung gestellt. Im Gegensatz zum klassischen Gemeinschaftsstand, bei dem jeder Betrieb einen kleinen Teil der Standfläche für sich gestaltet, konnte Börskens zwar keine eigenen Exponate ausstellen, durfte aber die gesamte Palette der 48 prämierten Ausstellungsstücke für seine Beratung nutzen. „Nach dem Gespräch haben wir den Interessenten Visitenkarte und Broschüre überreicht, so konnte jeder Betrieb Kontakte aufbauen“, lobt Börskens das Konzept. Nachdem er an nur einem Nachmittag viele wertvolle Kontakte sammeln konnte, war er bei der nächsten Veranstaltung drei Tage am Stand. „Wir haben uns die Kunden je nach Herkunft und eigenem Standort gegenseitig zugespielt“, erklärt der Tischlermeister die Teamarbeit. Schließlich ging es bei der Messe auch darum, das Leistungsvermögen und die Vielfalt der Branche aufzuzeigen. Da er außer seiner Arbeitszeit keinen Aufwand hat, findet Börskens diese Form des Gemeinschaftsstands für Kleinbetriebe ideal: „Wenn nur ein Auftrag von 1000 Euro hängen bleibt, hat sich das Engagement bereits gelohnt.“