Lieferungen von und nach Großbritannien Die Folgen des Brexit: Was Handwerker jetzt beachten müssen

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Auslandsgeschäft, Brexit und Zollrecht

Ein harter Brexit konnte zwar quasi in letzter Minute vermieden werden. Aber auch das Ende Dezember geschlossene Partnerschaftsabkommen mit Großbritannien enthält viele Ungewissheiten und Tücken. Was jetzt auf deutsche Handwerker zukommt.

Brexit
Nach dem Brexit sind bei der Lieferung von Gegenständen und bei der Ausführung von Werklieferungen abweichende Vorschriften zu beachten. - © tostphoto - stock.adobe.com

Seit Jahresbeginn ist die Trennung zwischen der EU und Großbritannien vollzogen. Mit dem am 24. Dezember geschlossenen Handels- und Kooperationsabkommen sollen die engen wirtschaftlichen Beziehungen der EU mit dem Vereinigten Königreich fortgeführt werden. Dass ein Abkommen überhaupt erzielt werden konnte, wird schon als Erfolg gefeiert. Trotzdem wird sich einiges ändern. Fest steht schon jetzt, dass die Zusammenarbeit komplizierter wird, nachdem Großbritannien nicht mehr Teil des EU-Binnenmarkts und der Zollunion ist. Dies gilt für den Schreiner, der in Großbritannien Aufträge erhält ebenso wie für den Handwerker, der in Deutschland britische Staatsbürger beschäftigt aber auch für deutsche Handwerksbetriebe, die Waren nach Großbritannien liefern oder deren Zulieferer in Großbritannien sitzen. Ob und wie deutsche Handwerksqualifikationen in Großbritannien anerkannt werden, ist noch völlig ungeklärt. Mancher deutsche Betrieb wird sich seine Lieferketten voraussichtlich neu strukturieren und sich andere Zulieferer oder auch Kunden außerhalb des Vereinigten Königreichs suchen.

Welche Veränderungen kommen auf uns zu?

Visumpflicht:

Bisher war es einfach: Die EU-Entsenderichtlinie regelte die Arbeitsbedingungen für aus einem EU-Mitgliedsstaat entsandte Arbeitnehmer. Durch die Freizügigkeit innerhalb der EU konnte jeder überall arbeiten. Das ist jetzt vorbei: Seit Januar 2021 ist das Vereinigte Königreich sogenannter Drittstaat. Folge: Kurze Geschäftsreisen sind zwar auch künftig problemlos möglich. Wer jedoch länger als 180 Tage auf der Insel bleiben will, braucht künftig ein Visum. Wer in Großbritannien Dienstleistungen erbringen will, darf sich höchstens zwölf Monate dort aufhalten. Ausnahme: Ist ein Unternehmen sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien ansässig, dürfen Führungskräfte und Fachexperten bis zu drei Jahre und Trainees bis zu einem Jahr sich im jeweils anderen Land aufhalten.

Sozialleistungen:

Auch im Bereich der sozialen Sicherungssysteme wird es Änderungen geben: Zwar werden Einzahlungen in die unterschiedlichen Rentensysteme weiter zwischen Deutschland und Großbritannien koordiniert. Dafür werden Familien – und Pflegeleistungen bei einer Beschäftigung deutscher Handwerker in Großbritannien wegfallen .

Marktzugang:

Das Abkommen vom Dezember 2020 wurde mit heißer Nadel gestrickt, viele Details mussten offen und ungeregelt bleiben. Das Partnerschaftsabkommen bietet derzeit lediglich einen groben Rahmen, der Rest muss in weiteren Verhandlungen ausgefüllt werden. Deutsche Handwerker sind zwar nach wie vor gerne in Großbritannien gesehen. Allerdings muss nun in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die Dienstleistung nach dem Abkommen mit Großbritannien überhaupt noch zulässig ist. Deutsche Handwerker dürften auch künftig mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung auf der Insel sehr geschätzt sein. Der Grund: Oftmals fehlt die Qualifikation der englischen Firmen. Die Zusammenarbeit mit den britischen Kunden wird allerdings schwieriger werden, auch wenn es viel zu sanierende Bausubstanz im Vereinigten Königreich gibt. Nach wie vor bietet der englische Markt ein großes Potential im Bau- und Ausbaubereich. Aber der Brexit erschwert nun den Marktzugang. Wenn die Hürden zu hoch werden, könnte es sein, dass sich die deutschen Handwerksbetriebe drei Mal überlegen, ob sie nicht lieber in anderen EU-Ländern wie etwa den Beneluxländern tätig werden. Gerade für kleine Betriebe wird es sehr aufwändig, ein Arbeitsvisum für jeden einzelnen Mitarbeiter zu beantragen. Viele werden sich den administrativen Aufwand nicht mehr leisten können. Die Verunsicherung deutscher Handwerksbetriebe ist momentan daher hoch. Es fehlen klare Informationen, viele Handwerker können momentan nicht planen, wie sie ihre Dienstleistung rechtssicher abwickeln können. Man hat von britischer Seite aus Hürden aufgebaut, die vielleicht gar nicht erwünscht waren und jetzt auf alle zurückfallen. Am Ende muss jedes Unternehmen selbst entscheiden, ob sich trotz der neuen Verfahren und komplizierten Bestimmungen Geschäfte mit United Kingdom noch lohnen.  

Anerkennung beruflicher Qualifikationen:

Die Frage gegenseitiger Anerkennung beruflicher Qualifikationen ist völlig offen. Während für EU-Mitglieder das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung beruflicher Qualifikationen gilt, ist dies nun für das Vereinigte Königreich vorbei. Briten, die in Deutschland arbeiten oder Deutsche, die auf der Insel beschäftigt sind, müssen jetzt ihre Qualifikationen förmlich anerkennen lassen . Das Abkommen hält zwar die Möglichkeit offen, in bestimmten Branchen eine gegenseitige Anerkennung beruflicher Qualifikationen zuzulassen. Wie das genau aussehen wird und wann es hier zu einer gegenseitigen Anerkennung kommen wird, steht allerdings noch in den Sternen.  

Warenverkehr und Entsendung von Personal:

Auch das Thema Warenverkehr macht Kopfzerbrechen. Da mit dem Brexit nun eine offizielle Zollgrenze zwischen Deutschland und Großbritannien besteht, müssten künftig auch Material und Werkzeug zollrechtlich angemeldet und abgewickelt werden. Das macht alles noch komplizierter, als es ohnehin ist.

Auch wer britische Staatsangehörige in Deutschland beschäftigt, muss sich jetzt Gedanken machen. Zwar können Briten, die bereits vor dem 31. Dezember 2020 in einem deutschen Handwerksbetrieb gearbeitet haben, ungehindert weiterarbeiten. Anders für Mitarbeiter, die nach dem 1. Januar 2021 nach Deutschland gereist sind: Sie benötigen jetzt einen entsprechenden Aufenthaltstitel. Ab dem 30. Juni 2021 müssen britische Staatsangehörige in Deutschland ihren Aufenthalt bei der Ausländerbehörde anzeigen. Handwerksmeister sind daher gehalten, spätestens ab diesem Zeitpunkt die Rechtsstellung ihrer Arbeitnehmer zu überprüfen.  

Neue Zollvorschriften:

Mit dem Partnerschaftsabkommen ist eine Freihandelszone in Kraft getreten. Für Industrie- und Agrarprodukte wird es keine Zölle geben. Da in Großbritannien aber nun die bisherigen Produktionsregeln und Standards der EU nicht mehr gelten, müssen alle Waren auf ihre Herkunft überprüft werden. Auf Waren, die die Ursprungsvoraussetzung nicht erfüllen, werden EU-Zölle erhoben. Ab dem 1. Juli 2021 muss eine vollständige Zollerklärung eingereicht werden. Dann fallen Zolltarife an sowie Mehrwertsteuer auf nach Großbritannien gelieferte Waren.

Für Lieferungen aus dem Vereinigten Königreich in die EU fällt künftig Einfuhrumsatzsteuer an. Ausnahme Nordirland: Dieses wird für Warenlieferungen umsatzsteuerlich so behandelt, als ob es zum Unionsgebiet gehört. Warenlieferungen in das Vereinigte Königreich sind nun Ausfuhrlieferungen. Die Einfuhrumsatzsteuer im Vereinigten Königreich beträgt aktuell 20 Prozent

Unternehmensform:

Was passiert nach dem Brexit mit der Gesellschaftsform limited (ltd)? Bisher konnte man auch in Deutschland die britische Unternehmensform limited nutzen: Über 8000 Unternehmen machten davon Gebrauch. Vorteil: Man benötigt so gut wie kein Startkapital und die private Haftung ist ausgeschlossenn Seit dem 1. Januar, mit Wegfall der Niederlassungsfreiheit in der EU für Großbritannien, droht den Ltds. in Deutschland der Verlust der Anerkennung als haftungsbeschränkte juristische Person. Als Einzelunternehmen, GbR oder oHG haftet der Unternehmer für die Verbindlichkeiten der Ltd. nun in vollem Umfang auch mit seinem Privatvermögen. Die Umwandlung in eine anerkannt haftungsbeschränkte deutsche Rechtsform hätte spätestens bis Jahresende 2020 erfolgen müssen. Jetzt wird es so kompliziert und vor allem teuer, dass dafür unbedingt die Hilfe eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters in Anspruch genommen werden sollte.

Woran deutsche Handwerker jetzt denken müssen

 
  • Prüfen, ob die Dienstleistung nach dem Abkommen mit Großbritannien überhaupt noch zulässig ist; nur die im Handelsabkommen ausdrücklich
    genannten Branchen dürfen noch Dienstleistungen erbringen.
  • Prüfen, ob zwischen dem britischen Kunden und dem deutschen Handwerksbetrieb ein Dienstleistungsvertrag geschlossen wurde, der für
    maximal 12 Monate gilt.
  • Die entsandten Mitarbeiter müssen seit mindestens einem Jahr ein Arbeitsverhältnis mit dem entsendenden Unternehmen haben.
  • Die entsandten Mitarbeiter müssen m indestens drei Jahre Berufserfahrung und die erforderlichen Berufsqualifikationen haben.
  • Der Dienstleister darf keine Vergütung von dem Unternehmen im Vereinigten Königreich erhalten.
  • Zur Beantragung des Visums benötigt man einen licenced Sponsor (in der Regel der Auftraggeber, der dafür ein Sponsorship beantragen muss).
  • Das Visum muss persönlich bei einem Visa Application Centre in Berlin, Düsseldorf oder München beantragt werden. 

Das müssen Unternehmen beim Handel mit UK beachten:

  • Im Warenverkehr mit UK sind Zollbestimmungen und Zollformalitäten zu beachten
  • Eine europäische EORI-Nummer ist für Im- und Exporte verpflichtend
  • Konformitätsbewertungen und Zertifizierungen, die von Prüfstellen aus dem Vereinigten Königreich ausgestellt werden, sind innerhalb der EU nicht mehr gültig
  • EU-Verkehrsunternehmer, die im Besitz einer gültigen EU-Gemeinschaftslizenz sind, dürfen weiterhin Beförderungen nach und von UK vornehmen
  • Beim Handel mit Dienstleistungen fallen die Niederlassungsfreiheit und der freie Dienstleistungsverkehr weg
  • Bei der Datenübermittlung sind besondere Vorschriften und Garantien notwendig
  • In UK gegründete und nicht umgewandelte Kapitalgesellschaften mit Sitz in Deutschland unterliegen unbeschränkter persönlicher Haftung
  • Die grenzüberschreitende Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen findet keine Anwendung mehr  

Anlaufstellen für Handwerkbetriebe zum Thema Brexit

  • Europäische Union:
    * Das Handels- und Kooperationsabkommen zum download (deutsch)
    * Zugehörige Dokumente
https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_20_2531
  • Bundesministerium der Finanzen
    * Fragen und Antworten zum Brexit
    (Steuern, Finanzmarkt, Zoll, Rechtslage in UK, Umsatzsteuer)

https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/FAQ/2019-03-29-brexit-faq.html

  • Deutscher Zoll
    * Auswirkungen des Partnerschaftsabkommens

https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Zoelle/Brexit/brexit_node.html  

  • Bundesministerium für Wirtschaft
    * Wichtige Fragen und Antworten zum Brexit für Unternehmen
https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Europa/brexit-ende-der-uebergangsphase.html
  • Germany Trade and Invest
    * Auswirkungen und Detailinformationen zum Brexit (Rechtslage, Zölle, ...)
https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special-brexit
  • Informationen der britischen Regierung:
    * BREXIT: New rules are here (Brexit Checker)
https://www.gov.uk/transition
  • The Border Operating Model
    * Leitfaden der britischen Regierung zum Zollverfahren der britischen Regierung zum Zollverfahren